VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 27

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2. Cuttings
Aussch itt ausm
Aiscne eus, Berlin
vom: 15. FEBRUNR 191
Verschiedenes.
Kapp, Julius, Arthur Schnitzler. Leipzig, 1912. Tenien=Verlag
(178 S. 8. mit Biln. b 3, 50.
Aeußern Anlaß zu dieser klug und fein abwägenden
Betrachtung über die bis heute bekannt gewordenen Dichtungen
Schnitzlers bot dessen 50. Geburtstag. Dazu gesellte sich
die Tatsache, daß eben jetzt Schnitzlers poetische Schaffens¬
kraft an einem bedeutungsvollen Wendepunkt angekommen
ist. Der mystisch=symbolische Einschlag in seinen letzten
Werken, das noch immer nicht mit vollem Erfolg ge¬
krönte Ringen um die Bewältigung großer historischer
Stoffe, sein Hinneigen zu niederdrückendem Fatalismus,
all das zeigt nach des Verf.s Ansicht den Dichter in einem
Uebergangsstadium, welches er überwinden muß, um zur
„erlösenden Klarheit“ sich durchzuringen. Mit offenem und
unnachsichtigem Auge für alle Schwächen entwirft Kapp das
Bild der literarischen Persönlichkeit Schnitzlers. Als Er¬
gänzung hierzu verweise ich auf den geistvollen und in der
dem vorliegenden Buche angefügten Bibliographie merk¬
würdigerweise unerwähnt gebliebenen Aufsatz Alfr. v. Bergers
in dessen „Buch der Heimat". Die ausführlichen, von
reichen Proben begleiteten Analysen der einzelnen Schöpfungen
erregen besonderes Interesse, weil hier auch die jetzt nicht
mehr erreichbaren Jugendwerke, das dramatische Gedicht
„Alkandis Lied“ und die novellistischen Skizzen „Mein Freund
Ypsilon“, Amerika“ „Der Andere“ eingehend gewürdigt
werden. Zum Nachteil des Gesamteindruckes behandelt der
Verf. Dramatik und Epik in getrennten Abschnitten, so daß
manches wiederholt gesagt wird, da ja die Grundmotive der
Dichtungen hier wie dort gleich sind. Ausstattung und
Drucklegung verdienen Lob.
Rudolf Raab.
Wiener Freie Worte
sschnitt aus:
Maes
Wien
11.40
m:
W
Arthur Schuihzler
wurde 1862 in Wien geboren, ist Arzt und
trat 1893 mit einer Sammlung von dramatischen
Kleinigkeiten, die unter dem Titel „Anatol“ ver¬
einigt wurden, in die Literatur ein. Er machte sich
schnell als moderner österreichischer Dichter ersten
Ranges bekannt. Sein konsequenter Naturalismus
war ihm das Sprungbrett, das schließlich viele
andere benützten Er ist nicht nur als Dramatiker
bedeutend, unsere Prosaliteratur hat Arthur Schnitz¬
ler um vieles bereichert.
Den ersten großen Erfolg errang sich Schnitzler
mit dem Schauspiel „Liebelei“ im Jahre 1895,
dem dann 1896 „Freiwild“ folgte. Seine Novelle
„Leutnant Gustl“ handelt von einem Artillerie¬
leutnant, der gelegentlich eines persönlichen Zusam¬
menstoßes mit einem Gewerbetreibenden „dummer
Bub“ genannt wird, sich mit Selbstmordgedanken
herumträgt, im Prater auf= und abspaziert, sich
Mut einredet. Es fällt ihm sozusagen, das Herz
in die Hose und Leutnant Gustl atmet erleichtert
auf, als er vernimmt, daß sein Beleidiger inzwischen
gestorben ist. Diese Novelle ist von einer Köstlich¬
keit und man liest sie zwei=, dreimal nacheinander.
Der Mut und die Heldenhaftigkeit so manchen
Marsjüngers ist in der Novelle trefflich ironisiert.
Großes Aufsehen erregte jedoch die Sammlung
„Reigen“ (1903). Das sind „frivole Konkubinats¬
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geschichten. — so schreibt ein öffenbar sittlich ent¬
die eine französische Leichtigkeit
rüsteter Kritiker
und Schmiegsamkeit besitzen, zwei Eigenschaften, die
Arthur Schnitzler sein Eigen nennt, poetische Mittel,
die er bei uns eingeführt hat. „Reigen“ fand und
findet heute noch in der Wiener Lebewelt großen
Geschmack. Es ist wohl nicht notwendig, den Inhalt
des Buches wiederzugeben, da wohl jeder Leser
dieser Skizze über Arthur Schnitzler diese frivolen
Szenen gelesen hat.
Neuerdings hat Schnitzler viel von sich reden
gemacht durch sein Schauspiel „Professer Bernardi“.
dessen Aufführung von der Zenfur verboten wurde
und das umsomehr gelesen werden wird.
Arthur Schnitzler ist der Autor und Liebling
aller jener Kreise, die Gefallen an Geistreichem,
Spielerischem und Liebenswürdig=Kokettem, ja auch
Frivolem finden. Er ist ein Stimmungstalent von
ganz hervorragender Bedeutung, ein Dichter, um
den sich pro und kontra streitet, der jede Stimmung
bis zum letzten Rest rastlos ausschöpft. Ein Virtuos
im Auftragen und Abstimmen, im Malen und See¬
lenschildern.
Er ist eben Arzi und untersucht genau, um
ebenso gründlich an die Operation zu schreiten, die
erfolgreich durchgeführt wird.
Karl F. Kocmata.