VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1920–1928, Seite 7

12. Guttings box 37/7
Peich, So, al cn a Leuli.—
eformen.
des XVIII. Jahrhunderts, Dozent Payer: Einführung in die etwas näher getreten; deren Leieil oudelr aber eint Au .
esungen,
Goeihe=Literatur, Professor Elise Richter: Französisch um 1500, wichtigere Grundlage für die allseitig angenommene Charakterisie.
ad die
Dozent Wild: Geschichte der englischen Literatur im Zeitalter der der Kaiserin, und zwar pielleicht gerade deswegen, weil di.
hervor¬
Königin Viltoria, Professor Kretschmer: Prinzipien der Märchen= lediglich auf Schilderungen einzelner Eingeweihter fußte. Hand d.
Redizin,
forschung.
Hand mit der Feststellung, daß die Kaiserin keine Pepularitäc
Kolmer
Die Wiener Universität war im Wintersemesier von 10.022 genossen und, ihrer ganzen Individualität nach, auch ale bein
lanzung,
ordentlichen Hörern besucht; davon waren 152 Theologen, 3188 Volke hätte beliebt sein können, ging die — damit einigermaßen
der neue
robleme, (174 Damen!) Juristen, 3887 (495 Damen!!) Mediziner, zusammenhängende — Erwägung, daß sie ihren Platz als
tologisch. 2845 (718 Damen!!!) Philosophen; dazu kommen noch 1851 Herrschersgattin nicht ausgesüllt habe und deshalb ihrer Sendung
nicht gerecht geworden sei. Dieser Auffassung wurde nicht bloß in
er Er= außerordentliche Hörer. Die Gesamtsumme beträgt 11.873.
Justinus. Oesterreich gehuldigt, sondern auch in Ungarn, wo Elisabeth
enhänge
„Dies ist so nicht richtig,“ sprach er zu sich und er entschloß Haar, von noch ernsterem Wesen als früher, so erscheint unab¬
weisbar vor mir das Bild, das ich in jüngeren Jahren von ihm
sich nach längerem Ueberlegen zu einem entscheidenden Schritt.
empfing. Als müßte alles irgendwie noch so sein wie früher,
Am nächsten Tag drückte er auf die roten Lippen der Frau
ohne jede Einleitung einen schallenden Kuß. Doch im selbens es mir, als ob dieser Kreis, der sich um ihn bildete, unzerstört
geblieben, die Jugend noch unberührt. Leben doch alle noch
Augenblick trat hinter einer spanischen Wand der Gemahl hervor.
Dies ist die übliche dramatische Wendung. Zacharias schaffend zumeist, die eine neue österreichische Literatur uns ver¬
sprachen und bis jetzt unübertroffene Erfüllungen uns brachten:
erbleichte, da in Kajetans Hand surchtbar ein Revolver blinkte.
Aber Kajetan schoß nicht. Im Gegenteil, er lächelte und die Hofmannsthal, Bahr, Beer=Hofmann, Dörmann, Salten,
Wassermann, Leopold Andrian. Einige, die später sich hinzu¬
sagte höflich:
„Ich verlange Entschädigung ... Fünfzigtausend Kronen.“gesellten, sind tot: Altenberg, J. J. David, Ebermann, Will.
Handl; manche sind kampfesmüde, in Vergessenheit geraten.
Und er ließ den Revolver mit bluterstarrendem Lächeln im
Ich habe jene Generation einer dekadent verfeinerten Jugend,
Sonnenschein funkeln. Zachatias zog ohne ein Wort zu sagen
die skeptisch und genießerisch zugleich war, höchst kulliviert in
seine Geldbörse hervor, legte vier Zehntausender auf den Tisch,
ihrem Aesthetizismus und philosophisch vergrübelt, Erotiker aus
einen Fünftausender, vier Tausender, sodann sieben Hundert¬
Lust an der psychologischen Erfahrung des Liebesgefühls, diesen
skronennoten, zwei Fünfziger, sechs Zwanziger, fünf Zehner und
einstigen Wiener Typus des jungen Bourgeois, der mit der
fünfzehn Zweikronennoten, insgesamt fünfzigtausend Kronen.
Bohsme kokettierte und der in der Gestaltung Schnitzlers als
Durchs Herz getroffen, ernüchtert ging er davon.
Anatol Unsterblichkeit erlangte, einmal schon zu charakterisieren
Bis hieher ist die Geschichte nicht neu. Ehemänner wenden
oft und gern diese Form der ritlerlichen Genugtuung an, bei der versucht. Anatol war jeder dieser jungen Leute als Träumer oder
als wirklicher Liebeskünstler. Frühreif, hatten sie das tiefe, durch¬
auch der Gemahl satt wird, und auch der Verführer sich freut,
dringende Wissen um die letzten Dinge des Seelenlebens. Es gab
mit heiler Haut davongekommen zu sein.
da Wiener Ausgaben von Baudelaire, Verlaine, von Swinburge
Aber Zacharias freute sich nicht. Es tat ihm um seine
fünfzigtausend Kronen leid und er wollie sie um jeden Preis und Kierlegaard. Es war Frühling, der etwas Herbstliches an sich
hatte, ein Glück mit einem Bodensatz von Bitternissen. Ein Zug
zurück haben. Er bat alle Welt um Rat, endlich erhielt er auch
einen anonymen Brief, in welchem ihm ein unbekannter Gönner von wienerischem Leichtsinn war in diese skeptische Lebensphilosophie ##
gemischt. Man liebte den Duft von Tuberosen, von zarten
folgendes schrieb:
Palfüms, die letzten Nuancen des Gefühls.
„Wenn Sie Ihr Geld zurückerhalten wollen, machen Sie
Ich sehe dieses jüngste literarische Wien in einem Extra¬
es wie Kajetan. Verstecken Sie sich im Zimmer Ihrer Frau
zimmer eines Restaurants in der Naglergasse versammelt oder in
hinter einer spanischen Wand.“
einer Runde im vielverspotteten, alt=wienerisch lieben Café, Grien¬

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steidl. Immer heftig diskutierend, oppositionell dem älteren
Der junge Schnitzler.
literarischen Geschlecht gegenüber, voll von Plänen und Er¬
Erinnerungen aus der Anatol=Jeft.
wartungen. Es gab bestimmte Abende in der Woche, an denen
Von
man die neuesten eigenen Schöpfungen vorlas, die einer strengen
Beurteilung unterzogen wurden. Man war in der Erzählung
Hermann Menkes.
Man kann es kaum glauben, daß nahezu dreißig Jahre imtimer Erlebnisse ebenso soigniett wie in der äußeren Er¬
harias seit jener Zeit vergangen sein sollten und daß Menschen, die scheinung, an der das Metier nur wenig betont wurde.
In diesem Kreis sano ich, aus Berlin kommend, wo
damals noch in ihrem Frühling standen, jetzt nun schon ins späte
es etwas bewegter, bohsmehafter zuging und wo
Altern kommen. Und doch liegt es schon wie Dämmer einer ver¬
junge,
a und sunkenen Epoche über jenem Leben im geistigen Wien, wo eine man mitten im Kämpf um den Naturalismus sich noch befand,
id wie neue Generation mit einer blühenden Fülle außerordentlicher Be¬ den etwa dreißigjährigen Artur Schnitzler. Arzt in seinem Haupt¬
gabungen auf den Plan tra# Jetzt erscheint alles wie Ausklang, beruf, war Schnitzler als Dichter noch unberühmt, ja fast noch
seines was uns früher als neue Melodie, als ein Anfang dünkte. Eine unbekannt. Seine Stücke wurden hie und da auf den vorortlichen
getrost unwiederbringsiche Zeit durfte nur noch wenige Jahrzehnte sich Versuchsbühnen aufgeführt vor einem Publikum von jungen
ausleben und letzte herbstliche Frucht darbieten, um einer neuen Literaten und Peripheliemenschen und ich erinnere mich, wie lange
1. Er
Jugend mit ganz anders geartetem Denken und Empfinden den ich einem Dresdener Verleger zureden mußte, bis er sich dazu
) kein
Platz frei zu machen. Ein Schimmer aus jenen holdseligen eutschloß, eines der bekannten dramatischen Erstlingswerke
er
Tagen ist allen, die sie erleben durften, unauslöschlich geblieben. Schintzleis, „Das Märchen“, als Buch herauszubringen.
Gleich während der ersten Begegnung lernte ich ihn auch
In wenigen Wochen wird Artur Schnitzler sechzig Jahre!
ichkeit
ier er alt, unerschöpst noch in seinem Schaffen, immer noch die als wirksamen Vorleier eigener Werke kennen. Er las eine seiner:
nicht markanteste künstlerische Erscheinung unter den großen Wiener Anatol=Studien, deren Anmut und sprühende Geistigkeit Bewunde¬
Begabungen. Sehe ich jetzt den merklich Alternden mit ergrautemrung erregten und eine große Begabung ankündigten.
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L4.—
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