VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1920–1928, Seite 8

2. Guttings box 37/7
S lo als Minbesmülter eine Hilfe und eine Stütze den Scho
2, der sie obih seldst mitleidende Zeugin des Unheiles gewesen!
über. Wi
besen, das einst ihre Schwiegermutter, die überall mitredende
Erschiene es demnach, zumindest rückblickend, in heutiger Notwendi
herrschsüchtige Erzherzogin Sophie angerichtet! Nichts lag Elisabeth Betrachtung für vorteilhafter, angezeigter und besser, wenn ohne ein

Kaiserin Elisabeth andere Bahnen eingeschlagen hätte? Diesedarauf so
Schnitzlers persönliche Erscheinung war troß seiner mittleren Frage läßt sich nicht leicht beantworten; gewiß würde es aber werden,
Bibliothei
Statur eine blendende. Von strahlender Jugendlichkeit hatte schwer fallen, sie ehne weiteres zu bejahen.
seine Physiognomie schon die reise Prägung des Denkers und
Denn, als achtzehn Jahre nach Elisabeths Tode sich endlich nämlich
Poeten. Ein Künstlerkopf, der an Daudet ein wenig erinnerte.
auf dem Habsburgerihron eine Nachfolgerin für sie fand, kounte thekar
Ueber eine marmorweiße, schön geformte Stirn fiel etwas wirr
es dem objektiven Beobachter schon nach kurzer Zeit nichtsund wä
die rötlich gekönte Locke. Männlich im Auftreten, war in
vorenthalten bleiben, daß zwar auch letztere im Wesen nichts Oesterreic
seinen reich modellierten Zügen ein gewisser semininer Einschlag. anderes als die gleichen Pfade wandelte, wie einst Elisabeth, theoretisie
Die Kleidung von einfacher Vornehmheit, manchmal ein wenig
aber doch in diesen auf ganz entgegengesetzte Weiso austrat. Das Wissensch
nachlässig. Er wirkte faszinierend durch seine Liebenswürdigkeit,
mag allerdings in erster Linie mit dem lebhafteren, in der süd= stimmung
durch bescheidenes Wesen, zartesten Takt. Faszinierend war auch
lichen Abstammung der jungen Kaiserin Zita begründeten und akad
das Auge, der durchdringende Blick des Arztes. Manchmal setzte Temperament zu erklären sein, dann auch in ihrer leuchtenderen Bibliothe
er sich an das Pianino und mächtig erklangen die Tristan=Weisen Intelligenz und schließlich und endlich in der größeren Freiheit, sraubte. 2#
bei einer vollen Tongebung des gebornen Dramatikers. Es gab die ihr das doch etwas moderner gewordene Milieuzur Univ
auch gelegentliche gemeinsame Ausflüge in den Wurstelprater, wo der kaiserlichen Familie gewährte. Elisabeth und Zita Er wurd
Bude um Bude aufgesucht wurde: Rutschbahnen, Karussells,
wollten zweifellos beide dasselbe, nämlich mit allen Kräften für ein Lebei
Riesendamen und wo es zu den heitersten und groteskesten Szenen
das Glück des Gatten und ihrer Kinder sowie für das Wohl=war vor
kam. Man war eben jung, trotz der Dekadenzgeste.
ergehen der Völker des Habsburgerreiches einzustehen. Daran in Fühli
Schnitzlers Berühmtheit stieg dann jäh auf, wie die Hof= läßt sich nicht deuten und nicht mäkeln. Der grundlegende Unter-trieb sein
mannsthals. Man war zuerst ein enger Kreis, eine Gruppe, die schied zwischen beiden Herrschersfrauen liegt einzig und allein in lbesonders
sich allmählich auflöste und jeder seinen eigenen Weg ging. Die dem Umstand, daß Zita, im Gegensatz zu Elisabeth, für die Er¬ merksamk
intimsten Freunde blieben beisammen. Hofmannsthal, der als reichung des obgedachten Zieles offenkundig, mit augenfälligem
Novellen
17jähriger Gymnasiast noch schmal, emporgeschossen als Loris seine Einsatz ihrer Person eintrat, in der vorbehaltslosen Ueberzeugung, ser gründ.
ersten bezauberten kleinen Versdramen veröffentlichte und als daß der herzensgute, nur von den lautersten und allerbesten Ab- sanderer?
literarisches Wunderkind galt, zog als erfolgreicher Dramatiker in sichten beseelle Exkaiser Karl damit und darin — wie es ja auch Georg K
sein Rodauner Wunderschlößchen aus der Maria Theresia=Zeit, wos saktisch der Fall gewesen — die willkommenste, ja für ihn viel= Politik,
er noch heute haust. Schnitzler wohnte noch in seinem Elternhause leicht unentbehrliche Hilfe und Unterstützung fände. Der „Genius hielt uns
in der Frankgasse mit der zärtlich geliebten Mutter und seiner der Kaiserin“, bei Elisabeth nur einzelnen in langem Zuge der liche oden
Wahrnehmungen und Erfahrungen und auch da mehr oder weniger eingegan
Schwester. Hier suchte ich ihn zu einem stillen Plauder¬
stündchen zuweilen auf. Der reifere Mann hatte noch nichts
bloß gefühlsmäßig erkennbar, wurde bei Zita bald der eine and
von seiner Jugendlichkeit und seinem Charme eingebüßt. uneingeschränktesten Allgemeinheit in scharsumrissenen Formen ge=literazisen
Damals entstanden die „Reigen“=Szenen, die als Privat¬
läufig; zuerst nur als blaßfärbig verschwommenes Phantom, betrachte
druck für die Freunde herauskamen. Er hatte eine Scheu späterhin, als des Kaisers Karl Regierungshandlungen nicht von Redner
davor, sie einer weitern Oeffentlichkeit zu übergeben, da Erfolgen begleitet erschienen, als lastendes Alpdrücken und nach ladungen
man, wie er damals meinte, mit derlei Dingen leicht ins Porno¬
und nach sogar als dräuendes Gespenst. Da begann auf einmals es ihm
graphenschubfach gebracht werden kann. Er schämt sich dieser geist¬
die öffentliche Meinung, ohne sich viel auf die gewissenhafte Politik
voll kecken Skizzen wohl nicht, wußte aber, daß man sie leicht
Prüfung der Einzeltatsachen einzulassen, für alles Mißgeschick —Herz ein
mißdeuten könnte, und so verschmähte er lange den Erfolg, der sich
und dessen hat es leider während des unglücklichen Kaisers Karli Manne##
mit Sicherheit voraussehen ließ. Diese leichter geschürzten ilder
kurzer Regierungszeit mehr als genug gegeben — die junge Ausblich
eines ironischen Erotikers, die wahrscheinlich von den „Contes
Kaiserin verantwortlich zu machen. Kein Wunder, daß es darauf- ganz n#
drolatiques“ Balzacs angeregt wurden, paßten auch kaum zu hin nicht mehr lange währte und Kaiserin Zia nicht bloß ihre ins Pas
dem grüblerischen, fast schwermütigen Wesen Schnitzlers.
eigene Volkstümlichkeit eingebüßt hat, sondern auch jene des ktarischen
Wie in früheren Jahren sah ich ihn stets in Begleitung
mit den schwersten und gefährlichsten inner- und außenpolitischen die im
eines Freundes, zu dem er wie in einem unlösbaren Verhältnis
Krisen inmitten der Greuel des Weltkrieges einen übermenschlichenksich Her
noch jetzt sieht. Es war ein äußerst eleganter Herr mit der Kampf führenden Gemahls vollständig untergraben sah und dann #
Gardenia im Knopfloch, ein heimlicher Poet und sprühend geist¬
all das nur
deswegen, weil Zita bei ihren Be¬ früher
voller Konversationskünstler, der hinter einer leichten Reserviertheit
strebungen,
die durchweg nur dem Heile und Besten er auch
das gütigste Herz und das zarteste Empfinden verbarg. Er hatte
ihrer Landeskinder selbstlos und opferfreudig gewidmet schauplä¬
ein schmales Novellenbändchen dann veröffentlicht, das den
waren, nicht von dem im menschlichen Leben, im Großen und im deutscher
Kennern noch jetzt unvergeßlich ist. Auch sein Name ist späterhin
Kleinen, ausschlaggebendsten Faktor, dem Glücke, begleitet wurde. ihn neu
berühmt geworden als Dichter des „Charolais“ und von „Jaakobs
Denn es ist einwandfrei erwiesen, daß die hochbegabte Exkaiserin und auf
Traum": Richard Beer=Hofmann.
Zita mit ihrem natürlichen durchdringenden und von einer er= die eine
Stunden intimer Aussprache über sein Denken und Schaffen, lesenen Bildung geschärften Verstand gleich nach ihres Gatten Er such
sein Verhältnis zu den Zeitproblemen verbrachte ich mit Schnitzler Thronbesteigung erkannte, es sei die vom Sturmestosen des schrieb
in seinem Heim in der Steinwartestraße und oft weilte unsere titanischen Weltenringens bereits in den Grundfesten erschütterte in den
Erinnerung in jenen jungen Tagen, in denen eine neue öster= Donaumonarchie einzig und allein nur durch einen raschen Friedens=wandelt
reichische Literatur nach dem Epigonentum und inmitten der schluß zu retten. Diesem setzten sich jedoch von vornherein unge¬
die den
naturalistischen Entartung geschaffen wurde, deren dominierende heure, mit offiziellen Mitteln möglicherweise gar nicht zu üher¬
Erscheinung Artur Schnitzler noch jetzt ist.
windende Hindernisse entgegen, und trachtete nun Zita — was ihr folgen 1#
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