VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1920–1928, Seite 26

Z. Bewich des s uid-Libendbian del Kaloital-Lenal
zu den Menschen. Deshalb das skeptische Lächeln, das er ihnen
die Höhe. Aus Psycholo
Der Gesellschaftsroman Arthur Schnitzlers.
gern mitgibt. Darum ist seine Kunst sehr demokratisch, ganz im
mittelbares; diese Kunst
Von
Gegensatz zu den anderen Vertretern des Oesterreichischen: v. Hof¬
klug und geistreich, umsch
Kafimir Edschmid.
mannsthal. Dennoch ist er voll Reserve, selbst in der Opposition,
wird nicht ganz rein,
selbst im Angriff. Das macht die Tradition und der Boden.
sie auch nicht. Sie hat
Der Stil, in dem um die Jahrhundertwende geschrieben wurde
Schließlich ist seine künstlerische Gesinnung ohne Wechsel, ohne
portion. In klugem W
und den man mit Vorliebe den impressionistischen nennt, war nicht
Tadel, von absolutem Anstand.
Gebiets kommt ihr nie
der Fresko=Stil, in dem, gleich Rubens und Tiepolo die großen
Die Technik dieser Schreibweise war zeitweise die durchgängige.
Anstand und voll meis
Romane der Weltliteratur geschrieben wurden. Das Tempo dieser
Schnitzler scheint heute ihr gesündester Vertreter. Doch liegt im
Daß ihr letzte Größe vel
Bücher war bedacht und elegant. Die Stimmungen waren hinein¬
psychologischen Sezieren die Grenze dieser Kunst von vornherein.
gerichtet, sich selbst zu g
getüpfelt, die Bücher bestanden mehr aus Atmosphäre als aus Archi¬
Sie ist Kunst wie jede, beschränkt wie jede. Weniger in Breite und
rechtigkeit vor ihrer Zc
tektur. Der lyrische Einschlag war unverkennbar vor den dramati¬
Stoffgebiet. Davon hat sie mehr als andere. Die Grenze geht in
schen getreten. Die Meister dieser Schreibart waren die Skandina¬
Spiegel. Das ist genug
ven, der Däne Jacobsen und Bang, der Schwede Geijerstam, der
Norweger Hamsun. In Deutschland vertrat diesen Stil am meister¬
lichsten Graf Eduard Keyserling. Ein Schüler Hamsuns, Bernhard
Kellermann, dessen Romane viel gelesen wurden, und dessen techni¬
scher Roman „Der Tunnel“ einen Welterfolg erreichte, war ein
Nachahmer der nordischen Allüren, wolei man zugeben darf, daß er
der deutschen Prosa seiner Zeit Geschmeidigkeit und Tempo zu geben
verstand. Die Romanversuche des verstorbenen Bruders von
Gerhart Hauptmann (Carl) waren Hilflosigkeiten von dem rühren¬
den Zauber, den nur ein voll Visionen lebender, aber undisplinierter
deutscher Autor hat. Mittlerweile hatte sich im Süden eine Roman¬
form ausgebildet, die halb epigonal und halb neu war. Vor allem
war sie Gesellschaftsliteratur, indem sie nicht irgendwelche gleich¬
gültige Probleme schilderte, sondern tatsächlich die österreichische
Wie
Nation schilderte. Es mag sein und ist wahrscheinlich, daß sie das
zurücks
nicht beabsichtigte, denn im Vordergrund dieser Schule stand das
schmack
Bemühen, das Denken der Menschen bloßzulegen, aber nicht, wie
man
Benjamin Constant und Stendhal, die großen Gründer und Vollender
brachen
des psychologischen Romans, es taten, indem sie titanische Welt¬
Luther
gebäude über diese Untersuchungen aufbauten, sondern die Wiener
lebende
Schule ging der Entblätterung der Seelenvorgänge mit fast medi¬
worauf
zinischer Neugier nach. Man legte mit Pinzetten die Seele ausein¬
selbst v
ander, ohne dabei dämonisch wie Dostojewski oder von dem unsterb¬
briet, n
lichen Feuer d'Annunzios zu sein. Man verfügte nämlich über soviel
Anmut, daß diese Spielart der Literatur halb medizinische Analyse
und halb Maupassant-wurde. Sie wurde die Literatur jener Typen,
muß in
die das Wien vor dem Weltkrieg darstellen, genau wie man bei
gewisse
Musset die seines Frankreichs sehen kann. Der Ton ist leicht lyrisch,
Der fra#
ja melancholisch bei aller Lebenslust. Bei Hugo von Hofmannsthal
verwund
erreicht er fast die prinzenhafte Grazie Alfred de Musses. Die Schule
und bei
ist recht ausgedehnt und ging von dem besten deutschen Kriminal¬
er sie st
schriftsteller Otto Soyka über Felix Salten, Paul Zifferer, Sil Vara
zug vor
bis zu Hermann Bahr, dessen Lustsipele ebenso wie die Schnitzlers in
Leide
der ganzen Welt gespielt wurden, obwohl ihre Anmut größer ist als
Eigenar
ihr Gehalt. Der typischste Vertreter ist der ehemalige Arzt
Kultur,
Arthur Schnitzler, der im Jahre 1922 ein Sechziger wurde. und
fluß.
dessen Novellen sowie sein dramatischer Zyklus „Anatol“ nach der
Ludwigs
Revolution schon wie Denkmäler einer verflossenen Periode wirken.
Reize, die
Man wird später, wenn die Hüllen der Zeit fallen, sagen: das ist
genen St
das Oesterreich jener Zeit, weniger vielleicht das Kolorit als: die
selbst ent
Herzen. Das ist die „Dunstschicht jener Leben, jenes Erlebens. In
Mahlzeit
diesem Sinne wird Schnitzler für Oesterreich repräsentativ.
Es schadet nichts, wenn, anknüpfend daran, das Urteil nach
tionne
dem Wert dieser Lebensepoche gefällt wird. Das ist nun einmal
diese Zeit, die er gibt. Er ist ihr Dichter, dessen Atem mit dem
ihren schwingt. Schnitzler wird Vertreter einer Zeitkultur. Die
Frage nach seinem Wert fällt nur mit dam den Zeit. Man ist im
preußischen Deutschlid leicht geneigt, diese Zeit einer sogenannten
„eisernen“ gegenüber zu unterschätzen. Man vergißt, daß hier eine
Tradition lebt, nach der wir stets noch streben müssen. Dies wird
wohl erst später aufgehen. Aber dennoch: diese Tatsache kann
nicht darüber täuschen, daß, was den Atem, die Kraft, die Größe
anlangt, diese österreichische Kunst uns oft schwach scheint. Daß
Knieen
wir spüren, viele dieser Gefühle kämen aus zweiter Hand, schon
Und auch
einmal gefuhlt und weitergegeben. Daß der Lebensrhythmus dieser
Gängen be
Arbeiten, dessen Zärtlichkeit und schöne Farbe uns bezaubert, nicht
hielt. Das
rasch und tief ins Herz stoße, daß er die schöne Oberfläche gebe
Huhn, das
mit dem schönen Herzen, daß wir beides aber oft zu unterscheiden
Hühnerbrü
nicht in der Lage seien. Dennoch aber: ein Werk.
ist, durfte
Ein Werk, das keines seiner Stücke vermissen kann, weil alle
und das 2
erst das Bestimmende ergeben. Ein Werk, das an keinem seiner
dienzien ei
Bücher gemessen werden kann, denn alle zusammen machen erst
sein innerstes Gefühl. Hier ist, wie nur noch Paris, die schöpfe¬
rische Stadt. Sie hat in alle Bücher etwas gegeben. Den Duft
hielt auch:
seigneur se
haben sie alle. Auch alle ein wenig die spielende Anmut, das
Spielerische und die verbundenen Augen und oft das maßlose Ent¬
nahrhaftes
setzen vor dem Tod. Demut und Ernst, Tragödie und Begeiste¬
Schüsseln r
rung, die klugen Männer und die kleinen Mädchen und viele spiele¬
zwei Entre
rische Frauen, das verteilt sich dann auf alle, ein wenig dort, das
man schon
andere da. Ihr schönster und echtester Ton ist das Leichte mit
gestellten z
Tragödie auf dem Grund, das Lachen mit Entsagen, die Zunge
König vora
dem Dasein hinausgestreckt und Tränen in der Brust. Manche
schäftigten.
dieser Arbeiten haben eine Form neues Rokoko, dessen Schicksals¬
Ludw
gehalt auch immanent ist der grazilsten Form. Greift Schnitzler
an das tragische Pathos allein, kann es sein, daß er sich schwer
vergreift. Die Oesterreicher überschreien sich da leicht. Er darf
und hatte
nicht heraus aus seinem Ring. Aber er hat zweifellos Liebe, Liebe ] andere stan