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2. Cuttings
DER BAZAR
achte. Der Grundzug seines Wesens bleibt, zu lassen, daß ich naturgeheime Zusammenhänge erkenntnisgemäß den reinen Dichtungen. Es wird schwer sein, in meinen Dich¬
rschung des Einzelmenschen, sondern die Ent= weiß. Ich stellte mich als Dichter absichtlich intuitiv, nie lehr¬
tungen etwas von Anatomie, Physiologie, Psychologie zu ent¬
keltzusammenhänge, ein Beginnen, das ihn
decken, und doch werden meine Poesien meine ganze Weltan¬
chwermütigen Geständnis treibt: „Wie kann
schauung und mein Weltwissen im Kern enthalten, aber umge¬
ndurcheinanderstürzenden Welt gehen, vor¬
bildet zu fliehenden Wolken, zum fließenden Strom.“
drückt mich, ich bin unendlich klein neben
Hans Much, der Leiter des Hamburger Forschungsinstituts
Ist ein Ich überhaupt? Was bleibt mir
für Tuberkulose und Direktor des Eppendorfer Krankenhauses,
hz zu unterwersen? In dieser Allnatur kann
ist als Novellist und Lyriker, aber auch als Philosoph und Kunst¬
hen. Aber ich könnte — in ihr schwimmen.
kenner erfolgreich hervorgetreten. Seine Weltanschauung, die
leise mich hingebend, mich ihr anschmiegen.
ebenso den Arzt wie den Dichter ehrt, entzündet sich in dem
un! Es wäre vergebens. Ich wehre mich
Gedicht „Gottheit“ zu dem schönen Bekenntnis:
flasse mich überwältigen!“
Du großes Du in Sternenweiten,
s Arzt und Dichter war der leider allzufrüh
In schauernden Unendlichkeiten,
dwig Schleich, der Freund und Vertraute
Im Namenlosen ohne Heim,
seinem eigenen Geständnis in seinen Jugend¬
Du wandelst in der Weltenwelle,
ankte er lange zwischen wissenschaftlicher
erufsneigung, bis er sich schließlich auf Ver¬
In Tigerkraft und in der Zelle
Faters, der selbst Arzt war, dem ärztlichen
Und in dem kleinsten Samenkeim:
ndte. Nur ein Dichter und Arzt konnte die
Ich habe dich mit hellem Wissen
reiben, die er seinen Betrachtungen „Vom
Gefordert und an mich gerissen,
anken“ voranstellt:
Doch ach, du bist ein flüchtiger Gast:
den feinsten Nervensaiten
Stets da — und doch so schwer zu fassen,
t ein Spielmann sein Gedicht.
Stets nah — und doch so leicht zu lassen.
fühlst du die Finger gleiten,
Du willst nur Wohnung im Palast.
den Spielmann siehst du nicht ...
Wissen kann immer nur für Zeiten
nserinnerungen „Besonnte Vergangenheit“.
Den Körper zum Palast bereiten.
seiner dichterischen Sendung: „Ich habe
Ich weiß, du forderst mehr für dich.
Periode meines Lebens der Feder Ruhe ge¬
Doch mag auch oft mein Fuß noch gleiten,
Leben hindurch, von Kindheit an, rannen
Ich muß dir doch entgegenschreiten:
u poetischen Bildern zusammen. Im Spiel
Denn Ich bin Du und Du bist Ich.
sich namentlich in meiner Jugend mir Bal¬
der Wellen und Wälder klangen Begebnisse,
Was den Arzt zur dichterischen Gestaltung verlockt, ist wohl
Pelicder dr ien. Anen
Enschaftlichen Erkenntnisse setzten sich zu ge¬
in den meisten Fällen das Wissen uim Menschenleid, das in
kistallen in dem Grund der Seele ab oder
haft ein. Was Strindberg mir einmal sagte: „Ein Dichter muß
schöpferisch veranlagten Naturen den Rahmen der Wissenschaft
Ereignissen mit einem Kerngehalt von neuem
vieles, vielleicht alles wissen. Wehe, wenn man merkt, was alles
sprengt, um auf dem freieren Gebiete der Kunst innerlich Ge¬
vermied ich, in meinen Versen durchschauen
er weiß!“ — danach habe auch ich stets poetisch gearbeitet bei
schautes mit äußerlich Erlebtem zu einer Einheit zu verschmelzen.
sugendliebe grosser ICänner von on gaeum Stahnus
man Freude und Schmerz so nahe beieinan¬
ter eines Londoner Bankiers, die, als die beiden einander kennen= außer zu der jungen Ricke Holst=Tressell in Vergen, der er sein
der ersten Liebe großer Männer nachspürt
lernten, 19 Jahre zählte. Vier Jahre dauerten die Beziehungen.
ganzes, von literarischen Sorgen wildbewegtes Herz offenbarte.
daß eigentlich selten ein Mädchen an das
Im Mai 1833, gerade, als Dickens Name in der Offentlichkeit
Alle seine Gedanken und Pläne teilte er seiner Jugendliebe mit.
glaubt, um sich ihm für Lebenszeit zu ver¬
bekannt zu werden begann, sagte sich Maria, die ja ein wenig
Jeder Tag brachte Ricke lange poetische Ergüsse Ibsens, stets
älter war und den poesievollen Jüngling stets von oben herab
von einem Blumenstrauß begleitet. Oft mußte der Spender
te sich als junger Mensch in ein Mädchen,
behandeln zu müssen glaubte, von Dickens los und vermählte
hungern und auf sein Essen verzichten, um die Blumen kaufen
seiner Größe zu überzeugen suchte. Als
sich mit einem Mister Winter. Dickens aber, der in seinem Ro¬
zu können. Ibsens Briefe an Ricke endeten immer mit den
ie Rede mit einer Verdonnerung aller bis¬
man „David Copperfield“ in der Gestalt der Dora Spenlow und
Worten: „Meine einzige Ricke! Ich glaube an die Liebe, ich
Opernkomponisten begann, aber nicht mit
in „Klein Dorrit“ in der Figur der Flora Fincking ein Idealbild
glaube an das Weib!“ — Unter Rickes Einfluß entstand Ibsens
das in ihm ruhende Talent schloß, sondern
seiner geliebten Maria entwarf, konnte jene erste Liebe niemals
erstes größeres Drama „Die Herrin von Ostrot“. — Später
llen Sie meine Frau werden?“ antwortete
vergessen. Einmal schrieb er der Angebeteten: „Was auch an
wandte sich Ibsen von seiner Jugendliebe ab.
urz und verächtlich: „Nein!“ Wagner, erst
Phantasie, Romantik, Willenskraft, Leidenschaft und Ehrfurcht
Tragisch, wie sein ganzes Leben, war auch Heinrich von
ald wieder und rief: „Einst wird der Tag
in mir sein mag, ich bin nie von Dir getrennt und werde mich auch
Kleists Jugendliebe. Wilhelmine von Zenge hieß das Mädchen,
eIhre Antwort bereuen werden“, und ver¬
nie von Dir trennen“. Mißverständnisse führten zur Trennung.
dem der preußische Dichter seine frühesten Seelenkämpfe zutrug,
in paar Tage später sandte e an die Ge¬
In seinem Abschiedsbriefe gestand Dickens freimütig: „Ich habe
das er in langen Vorträgen zu sich heranzubilden suchte und
Brief, in dem er seine künstlerischen Pläne
keine Hoffnung zu äußern, ich bin so lange gewöhnt, Jammer
das er zu seinem idealen Publikum zu erziehen wünschte. Ein
und nochmals um Gegenliebe bat. Allein
und Elend in mir zu verarbeiten, daß es nicht darauf ankommt,
schüchterner und doch empfindlich selbstbewußter Liebhaber, so
e das Mädchen mit einem schroffen: „Nein!“
was andere denken oder was aus mir sein wird. Ich habe von
trat Kleist auf, völlige Hingabe an seine mit ungestümem Herzen
er für den jungen Forget, der gleichzeitig
Dit mehr ertragen, als irgendein lebendes Geschöpf je von einer
angestrebten Pläne und Ideen fordernd. „Edler und besser
A. M Me Veteve„
B
2. Cuttings
DER BAZAR
achte. Der Grundzug seines Wesens bleibt, zu lassen, daß ich naturgeheime Zusammenhänge erkenntnisgemäß den reinen Dichtungen. Es wird schwer sein, in meinen Dich¬
rschung des Einzelmenschen, sondern die Ent= weiß. Ich stellte mich als Dichter absichtlich intuitiv, nie lehr¬
tungen etwas von Anatomie, Physiologie, Psychologie zu ent¬
keltzusammenhänge, ein Beginnen, das ihn
decken, und doch werden meine Poesien meine ganze Weltan¬
chwermütigen Geständnis treibt: „Wie kann
schauung und mein Weltwissen im Kern enthalten, aber umge¬
ndurcheinanderstürzenden Welt gehen, vor¬
bildet zu fliehenden Wolken, zum fließenden Strom.“
drückt mich, ich bin unendlich klein neben
Hans Much, der Leiter des Hamburger Forschungsinstituts
Ist ein Ich überhaupt? Was bleibt mir
für Tuberkulose und Direktor des Eppendorfer Krankenhauses,
hz zu unterwersen? In dieser Allnatur kann
ist als Novellist und Lyriker, aber auch als Philosoph und Kunst¬
hen. Aber ich könnte — in ihr schwimmen.
kenner erfolgreich hervorgetreten. Seine Weltanschauung, die
leise mich hingebend, mich ihr anschmiegen.
ebenso den Arzt wie den Dichter ehrt, entzündet sich in dem
un! Es wäre vergebens. Ich wehre mich
Gedicht „Gottheit“ zu dem schönen Bekenntnis:
flasse mich überwältigen!“
Du großes Du in Sternenweiten,
s Arzt und Dichter war der leider allzufrüh
In schauernden Unendlichkeiten,
dwig Schleich, der Freund und Vertraute
Im Namenlosen ohne Heim,
seinem eigenen Geständnis in seinen Jugend¬
Du wandelst in der Weltenwelle,
ankte er lange zwischen wissenschaftlicher
erufsneigung, bis er sich schließlich auf Ver¬
In Tigerkraft und in der Zelle
Faters, der selbst Arzt war, dem ärztlichen
Und in dem kleinsten Samenkeim:
ndte. Nur ein Dichter und Arzt konnte die
Ich habe dich mit hellem Wissen
reiben, die er seinen Betrachtungen „Vom
Gefordert und an mich gerissen,
anken“ voranstellt:
Doch ach, du bist ein flüchtiger Gast:
den feinsten Nervensaiten
Stets da — und doch so schwer zu fassen,
t ein Spielmann sein Gedicht.
Stets nah — und doch so leicht zu lassen.
fühlst du die Finger gleiten,
Du willst nur Wohnung im Palast.
den Spielmann siehst du nicht ...
Wissen kann immer nur für Zeiten
nserinnerungen „Besonnte Vergangenheit“.
Den Körper zum Palast bereiten.
seiner dichterischen Sendung: „Ich habe
Ich weiß, du forderst mehr für dich.
Periode meines Lebens der Feder Ruhe ge¬
Doch mag auch oft mein Fuß noch gleiten,
Leben hindurch, von Kindheit an, rannen
Ich muß dir doch entgegenschreiten:
u poetischen Bildern zusammen. Im Spiel
Denn Ich bin Du und Du bist Ich.
sich namentlich in meiner Jugend mir Bal¬
der Wellen und Wälder klangen Begebnisse,
Was den Arzt zur dichterischen Gestaltung verlockt, ist wohl
Pelicder dr ien. Anen
Enschaftlichen Erkenntnisse setzten sich zu ge¬
in den meisten Fällen das Wissen uim Menschenleid, das in
kistallen in dem Grund der Seele ab oder
haft ein. Was Strindberg mir einmal sagte: „Ein Dichter muß
schöpferisch veranlagten Naturen den Rahmen der Wissenschaft
Ereignissen mit einem Kerngehalt von neuem
vieles, vielleicht alles wissen. Wehe, wenn man merkt, was alles
sprengt, um auf dem freieren Gebiete der Kunst innerlich Ge¬
vermied ich, in meinen Versen durchschauen
er weiß!“ — danach habe auch ich stets poetisch gearbeitet bei
schautes mit äußerlich Erlebtem zu einer Einheit zu verschmelzen.
sugendliebe grosser ICänner von on gaeum Stahnus
man Freude und Schmerz so nahe beieinan¬
ter eines Londoner Bankiers, die, als die beiden einander kennen= außer zu der jungen Ricke Holst=Tressell in Vergen, der er sein
der ersten Liebe großer Männer nachspürt
lernten, 19 Jahre zählte. Vier Jahre dauerten die Beziehungen.
ganzes, von literarischen Sorgen wildbewegtes Herz offenbarte.
daß eigentlich selten ein Mädchen an das
Im Mai 1833, gerade, als Dickens Name in der Offentlichkeit
Alle seine Gedanken und Pläne teilte er seiner Jugendliebe mit.
glaubt, um sich ihm für Lebenszeit zu ver¬
bekannt zu werden begann, sagte sich Maria, die ja ein wenig
Jeder Tag brachte Ricke lange poetische Ergüsse Ibsens, stets
älter war und den poesievollen Jüngling stets von oben herab
von einem Blumenstrauß begleitet. Oft mußte der Spender
te sich als junger Mensch in ein Mädchen,
behandeln zu müssen glaubte, von Dickens los und vermählte
hungern und auf sein Essen verzichten, um die Blumen kaufen
seiner Größe zu überzeugen suchte. Als
sich mit einem Mister Winter. Dickens aber, der in seinem Ro¬
zu können. Ibsens Briefe an Ricke endeten immer mit den
ie Rede mit einer Verdonnerung aller bis¬
man „David Copperfield“ in der Gestalt der Dora Spenlow und
Worten: „Meine einzige Ricke! Ich glaube an die Liebe, ich
Opernkomponisten begann, aber nicht mit
in „Klein Dorrit“ in der Figur der Flora Fincking ein Idealbild
glaube an das Weib!“ — Unter Rickes Einfluß entstand Ibsens
das in ihm ruhende Talent schloß, sondern
seiner geliebten Maria entwarf, konnte jene erste Liebe niemals
erstes größeres Drama „Die Herrin von Ostrot“. — Später
llen Sie meine Frau werden?“ antwortete
vergessen. Einmal schrieb er der Angebeteten: „Was auch an
wandte sich Ibsen von seiner Jugendliebe ab.
urz und verächtlich: „Nein!“ Wagner, erst
Phantasie, Romantik, Willenskraft, Leidenschaft und Ehrfurcht
Tragisch, wie sein ganzes Leben, war auch Heinrich von
ald wieder und rief: „Einst wird der Tag
in mir sein mag, ich bin nie von Dir getrennt und werde mich auch
Kleists Jugendliebe. Wilhelmine von Zenge hieß das Mädchen,
eIhre Antwort bereuen werden“, und ver¬
nie von Dir trennen“. Mißverständnisse führten zur Trennung.
dem der preußische Dichter seine frühesten Seelenkämpfe zutrug,
in paar Tage später sandte e an die Ge¬
In seinem Abschiedsbriefe gestand Dickens freimütig: „Ich habe
das er in langen Vorträgen zu sich heranzubilden suchte und
Brief, in dem er seine künstlerischen Pläne
keine Hoffnung zu äußern, ich bin so lange gewöhnt, Jammer
das er zu seinem idealen Publikum zu erziehen wünschte. Ein
und nochmals um Gegenliebe bat. Allein
und Elend in mir zu verarbeiten, daß es nicht darauf ankommt,
schüchterner und doch empfindlich selbstbewußter Liebhaber, so
e das Mädchen mit einem schroffen: „Nein!“
was andere denken oder was aus mir sein wird. Ich habe von
trat Kleist auf, völlige Hingabe an seine mit ungestümem Herzen
er für den jungen Forget, der gleichzeitig
Dit mehr ertragen, als irgendein lebendes Geschöpf je von einer
angestrebten Pläne und Ideen fordernd. „Edler und besser
A. M Me Veteve„
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