box 38/1
2. Cuttings
SR 4
Tagesbericht.
177
Dichter Oesterreichs.
1
Das Feuilleton, das ich gestern unter diesem Titel
veröffentlichte und das sich mit drei neuen Dichtern
beschäftigte, hat zu Mißverständnissen Anlaß gegeben:
manche Leser, die nicht erkennen wollten, warum der
Rahmen bewußt so eng gezogen wurde, meinten, Mell,
Billinger und Ortner waren nun als die drei einzigen
österreichischen Dichter punziert, und alle andern, vor
allem die älteren Autoren, wären somit bedenkenlos
preisgegeben. Daß dies nicht der Fall sein sollte, geht
schon daraus hervor, daß Artur Schnitzler, also ein
Vertreter der älteren Generation, in den Kreis ein¬
bezogen wurde; aber freilich muß zugegeben werden,
daß auch er nicht ganz hineinpaßte, weil ich ja nur von
Dichtern sprach und sprechen wollte, die sich nicht nur
aus dem Volkstum — wie Schnitzler in „Liebelei" und
im Medardus“ und Schönherr in allen seinen
Werken —, sondern aus der literarischen
Tradition des Volkstums selbst, somit aus Volks¬
spielen, wie wir sie in Passionsstücken und
Weihnachtsstücken dankbar besitzen, erneuerten
und erneuern. Wer das Mißverständnis, von dem früher
gesprochen wurde, wirklich festhalten wollte, für den
könnte ja auch Saar kein österreichischer Dichter sein, und
wie sehr er es war, wissen wir alle.
Diese Zeilen werden geschrieben, weil das groteske
Mißverständnis aufgetaucht ist, ich hätte Karl Schön¬
herr irgendwie verkleinern wollen. Dagegen sprechen
natürlich schon die Kritiken, die ich in diesem Blatte
über Schonherr veröffentlicht habe. Aber darüber
hinaus: muß man wirklich erst sagen, daß man Schön¬
herr heute nicht überschätzen, sondern nur unterschätzen
könnte? Er kann aus der Entwicklung der öster¬
reichischen Dichtung gar nicht mehr weggedacht werden,
was er schrieb, ist fester Besitz des Volkes geworden.
Aber sein Oesterreichertum liegt auf einer andern
Ebene als das Oesterreichertum Mells, Billingers
und Ortners: es schöpft aus dem Volke, aber nicht aus
der naiven Volksdichtung selbst. Eine junge Generation
aber knüpft bewußt an diese urtümliche Volksdichtung
selbst an, und wenn man sich eine vielleicht nicht einmal
allzu kühne Hypothese erlauben darf, dann könnte man
sagen, daß etwa „Volk in Not“ in hundert Jahren
selbst ein Bestandteil der Volksdichtung geworden sein
könnte, aus dem dann die Billingers und Ortners einer
kommenden Zeit schöpfen könnten — man erinnert sich
vielleicht, daß ich dies als das Schönste pries, was man
heute Raimund nachsagen könnte.
ausend Jahren Bad
5.
4
(ENS
EM
EN
—
4
Salz
Kränchen Pastillen
degen Husten, Heiserkeit und Grippe
Auf jeden Fall: man sollte nicht versuchen, ein#
Lob so umzudeuten, als ob es auf Kosten eines andern##
gespendet wäre. Und so darf abschließend gesagtse
werden, daß man nur Mell und Schönherr neben¬
einander zu nennen brauchte, um zu fühlen und zusg
erkennen, von welchem neuen Oesterreichertum ich
sprach. Wer, bevor er das „Apostelspiel“ schrieb, zuerstst
an eine Neuformung des Halleiner Weihnachtsspieles e
Niederlagen: I. Tuchlaubenhof 7a; III. Hauptstraße.
von 11 90
IV. Margaretenstraße 20; VI. Amerlingstraße 8
Favoritenstraße 87; XVII. Ottakringerstraße 48;
Sche S JI. Wallensteinstraße 35.— Salzburg, Hagenauerpia
*
ging, mühte sich um ein fast programmatisches
literarisches Oesterreichertum. Schönherr ging den
umgekehrten Weg: er trug aus sich heraus sein
Werk in sein Volk. Was dieses Werk für Oesterreich
und für Deutschland bedeutet, wissen wir alle.
scheint aber nötig, dies hier heute nochmals mit allem
Erwin H. Rainalter
Nachdruck zu sagen.
nenn
2. Cuttings
SR 4
Tagesbericht.
177
Dichter Oesterreichs.
1
Das Feuilleton, das ich gestern unter diesem Titel
veröffentlichte und das sich mit drei neuen Dichtern
beschäftigte, hat zu Mißverständnissen Anlaß gegeben:
manche Leser, die nicht erkennen wollten, warum der
Rahmen bewußt so eng gezogen wurde, meinten, Mell,
Billinger und Ortner waren nun als die drei einzigen
österreichischen Dichter punziert, und alle andern, vor
allem die älteren Autoren, wären somit bedenkenlos
preisgegeben. Daß dies nicht der Fall sein sollte, geht
schon daraus hervor, daß Artur Schnitzler, also ein
Vertreter der älteren Generation, in den Kreis ein¬
bezogen wurde; aber freilich muß zugegeben werden,
daß auch er nicht ganz hineinpaßte, weil ich ja nur von
Dichtern sprach und sprechen wollte, die sich nicht nur
aus dem Volkstum — wie Schnitzler in „Liebelei" und
im Medardus“ und Schönherr in allen seinen
Werken —, sondern aus der literarischen
Tradition des Volkstums selbst, somit aus Volks¬
spielen, wie wir sie in Passionsstücken und
Weihnachtsstücken dankbar besitzen, erneuerten
und erneuern. Wer das Mißverständnis, von dem früher
gesprochen wurde, wirklich festhalten wollte, für den
könnte ja auch Saar kein österreichischer Dichter sein, und
wie sehr er es war, wissen wir alle.
Diese Zeilen werden geschrieben, weil das groteske
Mißverständnis aufgetaucht ist, ich hätte Karl Schön¬
herr irgendwie verkleinern wollen. Dagegen sprechen
natürlich schon die Kritiken, die ich in diesem Blatte
über Schonherr veröffentlicht habe. Aber darüber
hinaus: muß man wirklich erst sagen, daß man Schön¬
herr heute nicht überschätzen, sondern nur unterschätzen
könnte? Er kann aus der Entwicklung der öster¬
reichischen Dichtung gar nicht mehr weggedacht werden,
was er schrieb, ist fester Besitz des Volkes geworden.
Aber sein Oesterreichertum liegt auf einer andern
Ebene als das Oesterreichertum Mells, Billingers
und Ortners: es schöpft aus dem Volke, aber nicht aus
der naiven Volksdichtung selbst. Eine junge Generation
aber knüpft bewußt an diese urtümliche Volksdichtung
selbst an, und wenn man sich eine vielleicht nicht einmal
allzu kühne Hypothese erlauben darf, dann könnte man
sagen, daß etwa „Volk in Not“ in hundert Jahren
selbst ein Bestandteil der Volksdichtung geworden sein
könnte, aus dem dann die Billingers und Ortners einer
kommenden Zeit schöpfen könnten — man erinnert sich
vielleicht, daß ich dies als das Schönste pries, was man
heute Raimund nachsagen könnte.
ausend Jahren Bad
5.
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(ENS
EM
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Salz
Kränchen Pastillen
degen Husten, Heiserkeit und Grippe
Auf jeden Fall: man sollte nicht versuchen, ein#
Lob so umzudeuten, als ob es auf Kosten eines andern##
gespendet wäre. Und so darf abschließend gesagtse
werden, daß man nur Mell und Schönherr neben¬
einander zu nennen brauchte, um zu fühlen und zusg
erkennen, von welchem neuen Oesterreichertum ich
sprach. Wer, bevor er das „Apostelspiel“ schrieb, zuerstst
an eine Neuformung des Halleiner Weihnachtsspieles e
Niederlagen: I. Tuchlaubenhof 7a; III. Hauptstraße.
von 11 90
IV. Margaretenstraße 20; VI. Amerlingstraße 8
Favoritenstraße 87; XVII. Ottakringerstraße 48;
Sche S JI. Wallensteinstraße 35.— Salzburg, Hagenauerpia
*
ging, mühte sich um ein fast programmatisches
literarisches Oesterreichertum. Schönherr ging den
umgekehrten Weg: er trug aus sich heraus sein
Werk in sein Volk. Was dieses Werk für Oesterreich
und für Deutschland bedeutet, wissen wir alle.
scheint aber nötig, dies hier heute nochmals mit allem
Erwin H. Rainalter
Nachdruck zu sagen.
nenn