Richtungen fortgesetzt hat, wovon seine beiden Bücher „Lust
und Leid im Witz“ (Internationaler Psychoanalytischer
Verlag, Wien, 1929) und das im Jahre 1933 unter dem
Titel „Nachdenkliche Heiterkeit“ (ebenda) ver¬
öffentlichte Zeugnis ablegen. In dem ersten Werke versucht
Reik, durch Analyse des einzelnen Witzes und des Witzes
als seelischen Phänomens überhaupt darzulegen, aus welcher
Quelle die unbewußte Lust an ihm herrührt und wieviel
unbewußtes Leid er verheimlicht und gleichzeitig zum Aus¬
druck bringt. Es handelt sich bei der Psychologie des Witzes
eben nicht nur um ästhetische Probleme; seine analytische
Untersuchung ergibt über den besonderen Anlaß hinaus einen
wichtigen Beitrag zur Erforschung des unbewußten Seelen¬
lebens. Auch in dem neuen Buche Reiks, das eine Reihe
kleinerer Arbeiten in „gelockerter Sonatenform“ zusammen¬
fügt, leitet die Analyse der verschiedenartigsten Beispiele aus
dem Reiche des Komischen unmittelbar zur Erkenntnis der
sehr ernsthaften seelischen Hintergründe über, aus denen diese
Heiterkeit erwächst; wir sehen Triebregungen und Arbeits¬
weisen des Unbewußten auch hier als die eigentlich wirksamen
Mächte am Werk. Die Spannweite des Bogens reicht „vom
Witz, der verhöhnt, bis zum Humor, der versöhnt“; sie um¬
faßt auch die beiden verwandten Begriffe der Ironie und
des Sarkasmus. Interessant ist die von Reik aufgezeigte
Verbindung zwischen gewissen Ausdrucksformen des Witzes
und der unbewußten Bedeutung zwangsneurotischer Sym¬
ptome. Die Darstellung durch das Gegenteil und die Ueber¬
treibung, der latente Hohn, der sich zur Aeußerung zumeist
der Anspielung bedient, endlich die aggressiven Triebimpulse,
sind Züge, die beispielsweise den Zwangsgedanken und der
dem Witz denachbarten Ironie gemeinsam sind. Eine noch
schärfere Ausdrucksart als die Ironie ist der Sarkasmus
(das Wort leitet sich von dem griechischen sarkazo —
„ich zerfleische“ her). Reik bezeichnet ihn als den typischen
Ausdruck des Wortkannibalismus und erinnert bei dieser
Gelegenheit an die sarkastischen Reden Shylocks, der ein
volles Pfund Fleisch aus seines Schuldners Leib zu schneiden
begehrt. Von dem analytischen Autor darüber belehrt, welchen
Einfluß ehemalige, tiefverdrängte Regungen und Denk¬
weisen auf das Zustandekommen der komischen Lust haben,
werden wir auch nicht erstannt sein, zu hören, daß das
Kindische, welches der Erwachsene in scherzhaften oder
scherzhaft sein sollenden Gebilden künstlich produziert, eine
Erweckung jenes Kindlichen bedeutet, das auf dem
Grunde unseres Wesens bloß schläft („Das Kindliche und
das Kindische in der Komik“
Die Untersuchung des Witzes durch Freud hat nicht
nur ergeben, daß wir eigentlich nicht wissen, worüber wir
lachen, sondern auch, daß wir nicht wissen, wodurch wir
andere zum Lachen bringen. In einem Aufsatz „Der Witz,
im Versprechen“ beschäftigt sich nun Reik mit einem bis¬
weilen zu beobachlenden Sonderfall: wir wissen nicht einmal,
daß wir andere lachen machen. Ein Beispiel für ein solches
witziges Versprechen bot sich ihm während der psycho¬
analytischen Kur, als eine Patientin, die in Gesellschaft
die jetzige Frau eines von ihr einst und unbewußt
wohl noch immer geliebten Mannes getroffen hatte,
ihren Eindruck in nachstehenden Worten zusammenfaßte:
„Sie ist so häßlich, daß einem das Herz im
Leibe lacht.“ Eigentlich hatte sie sagen wollen: „daß
einem das Herz im Leib erstarrt.“ Reik analysiert den
latenten Sinn dieses Versprechens und erörtert anschließend,
was die beiden psychischen Mechanismen des Versprechens
und der Witzbildung trennt und verbindet. In dem folgenden
Abschnitt untersucht unser Autor in aufschlußreicher Weise
das Lachen, dessen man sich nach Anhörung eines schlechten
Witzes schämt, ferner den Glauben an die „Allmacht der
Gedanken“ im Witz und die Psychologie wider Willen, die
sich in dem gelegentlichen witzigen Ausspruch eines sonst
psychologisch verständnislosen Menschen verrät. Zwei Studien
über „Ueberraschung und Auslassung“ und über die für den
jüdischen Witz überhaupt charakteristische besondere Art
von Intimität („Die Intimität im Judenwitz“) beschließen
diese Aufsatzfolge. Die erstgenannte Arbeit greift einleitend
auf eine von Reik schon früher entwickelte These zurück, daß
der Witz anfangs eine alte unbewußte Angst in ihrem Aus¬
druck als Schrecken künstlich wiederbringt, um sie durch Er¬
kenntnis ihrer Ueberflüssigkeit zu bewältigen und in Lust
zu verwandeln. Hier liegt auch der psychothera¬
peutische Wert des Witzes, der einen der
aualytischen Methode verwandten Erfolg erzielt und sich der
en
sterben, die Brennpunkte all unseres Denkens und Tuns
sind. Eine Abhandlung über „Humor und Gnade“ bildet
gleichsam den Schlußakkord des musikalisch komponierten
Werkes. Frends Humoruntersuchung wird darin nach einer
bestimmten Seite fortgeführt. Die humoristische Einstellung,
die mit einem Lächeln das Schicksal zu besiegen vermag, ist
gewissermaßen Sache der Gnade. Reik meint, man könnte
den Humor als einen Gnadenakt des Ueber=Ichs, des ver¬
innerlichten Abkömmlings der Elterninstanz, auffassen.
Für den analytisch Unerfahrenen bildet das Buch sicher¬
lich keine leichte Lektüre, aber der stoffliche Reiz der dem
Verfasser verschwenderisch zur Verfügung stehenden Beispiele
aus dem Umkreis des Komischen wird auch jenen fesseln, der
den scharfstunigen Gedankengängen Reiks nicht zu folgen
[imstande oder gewillt ist.