Cutti
5 —
box 38/3
Ausschnitt aus:
3. Z. am Abend, Wien
6. unia. 1936
vom:
bis 1910 macht; er ist ein Seher, Künder des
Vergehens und des Kommenden. Während
Protest gegen ein Schul¬
Kralik sich allmählich in den engeren Kreis
buch
seiner Verehrer zurückzieht, bleibt Bahr fast
bis ans Ende seines Lebens immer auf der
Die Kralik=Geseltschaft hat an den ma߬
Reise, ein ewiger Sucher, alles Prüfender und
gebenden Stellen Protest gegen die Kritil.
und alles Verstehender, ohne sich selbst zu ver¬
erhoben, die in dem Buch „Heimaterde
lieren. Eine Erscheinung wie Hermann Bahr
gibt es kaum alle Jahrhunderte einmal.
wunderhold“ an Hermann Bahr und
Diese Kritik ist in dem von Dr. Kurt
Richard v. Kralik geübt wurde. Dieses
Buch ist als
Vancsa verfaßten Kapitel „Österreichs
Dichtung“ enthalten, das auch sonst so man¬
Prämienbuch für Schüler
ches knappe, aber sehr entschiedene Urteil
gedacht und im Auftrag des Staatlichen
enthält. So heißt es kurz nach der Kritik
Heimatdienstes in Niederösterreich vom
über Bahr und Kralik:
Landesschulinspektor Hofrat Alois Zaun¬
„Fin de sieele, Dekadenz — so hat man
bauer in Verbindung mit einem Redaktions¬
diese Zeit gern bezeichnet, in der viel fremder
und zersetzender Geist unverdiente Achtung
ausschuß im Vorjahr herausgegeben worden.
gefunden hat. Einer aus dieser Atmosphäre sei
Der Absatz des Buches, an dem die
genannt, ein typischer Vertreter dieser Geistig¬
Kralik=Gesellschaft Anstoß nimmt und dem
keit, mehr als ein Könner und, eine einzige
sie „fragwürdige subjektive Ansichten“ vor¬
Entgleisung ausgenommen, von ehrenhafter
Gesinnung: Artur Schnitzler (1862 bis
wirft, lautet:
1931), der Dichter der „Liebelei". Ihm geistig
An dem Beginn der „Moderne“ stehen zwei
verwandt, aber als Dichter ungleich höher¬
markante Persönlichkeiten: Hermann Bahr
stehend und als Mensch von aristokratischer
1863 bis 1934) und Richard v. Kralik (1852
Haltung: Richard Beer=Hofmann (ge¬
bis 1934). Keine Dichter, nur der eine (Bahr)
boren 1866), gepflegter Lyriker und Drama¬
gelegentlich ein geschickter Bühnenstückschreiber,
tiker mit einer geradezu undramatischen Ge¬
der andere ein guter Nachempfinder und Be¬
bärde.“
arbeiter. Beide von unerhörter geistiger
Im übrigen kann dieses Buch auf eine
Agilität, höchstem kritischen Verantwortungs¬
gefühl, starker, organisatorischer Kraft. Kralik
ganze Reihe ausgezeichneter Mitarbeiter hin¬
hat mehr Phantasie, die oft ins Phantastische
weisen. So schrieb darin über „Österreichs
Bahr ist ungleich weitblickender
entgleist —
staatliche Geschichte" Bundeskulturrat Pro¬
und hat vor allem eines, was ihn geradezu
fessor Baron Zeßner=Spitzenberg, über
zum literarischen Gewissen der Zeit von 1890
„Maria Theresia und ihre Zeit"= Professor
Kretschmayr, über den „Ausbruch des Welt¬
krieges“ Gesandter Dr. v. Wiesner, über
„Kunst im Hause“ Professor Dr. Weißen¬
hofer und über „Die Wirtschaft unserer
Zeit“ Bundeskanzler a. D. Streeruwitz.
5 —
box 38/3
Ausschnitt aus:
3. Z. am Abend, Wien
6. unia. 1936
vom:
bis 1910 macht; er ist ein Seher, Künder des
Vergehens und des Kommenden. Während
Protest gegen ein Schul¬
Kralik sich allmählich in den engeren Kreis
buch
seiner Verehrer zurückzieht, bleibt Bahr fast
bis ans Ende seines Lebens immer auf der
Die Kralik=Geseltschaft hat an den ma߬
Reise, ein ewiger Sucher, alles Prüfender und
gebenden Stellen Protest gegen die Kritil.
und alles Verstehender, ohne sich selbst zu ver¬
erhoben, die in dem Buch „Heimaterde
lieren. Eine Erscheinung wie Hermann Bahr
gibt es kaum alle Jahrhunderte einmal.
wunderhold“ an Hermann Bahr und
Diese Kritik ist in dem von Dr. Kurt
Richard v. Kralik geübt wurde. Dieses
Buch ist als
Vancsa verfaßten Kapitel „Österreichs
Dichtung“ enthalten, das auch sonst so man¬
Prämienbuch für Schüler
ches knappe, aber sehr entschiedene Urteil
gedacht und im Auftrag des Staatlichen
enthält. So heißt es kurz nach der Kritik
Heimatdienstes in Niederösterreich vom
über Bahr und Kralik:
Landesschulinspektor Hofrat Alois Zaun¬
„Fin de sieele, Dekadenz — so hat man
bauer in Verbindung mit einem Redaktions¬
diese Zeit gern bezeichnet, in der viel fremder
und zersetzender Geist unverdiente Achtung
ausschuß im Vorjahr herausgegeben worden.
gefunden hat. Einer aus dieser Atmosphäre sei
Der Absatz des Buches, an dem die
genannt, ein typischer Vertreter dieser Geistig¬
Kralik=Gesellschaft Anstoß nimmt und dem
keit, mehr als ein Könner und, eine einzige
sie „fragwürdige subjektive Ansichten“ vor¬
Entgleisung ausgenommen, von ehrenhafter
Gesinnung: Artur Schnitzler (1862 bis
wirft, lautet:
1931), der Dichter der „Liebelei". Ihm geistig
An dem Beginn der „Moderne“ stehen zwei
verwandt, aber als Dichter ungleich höher¬
markante Persönlichkeiten: Hermann Bahr
stehend und als Mensch von aristokratischer
1863 bis 1934) und Richard v. Kralik (1852
Haltung: Richard Beer=Hofmann (ge¬
bis 1934). Keine Dichter, nur der eine (Bahr)
boren 1866), gepflegter Lyriker und Drama¬
gelegentlich ein geschickter Bühnenstückschreiber,
tiker mit einer geradezu undramatischen Ge¬
der andere ein guter Nachempfinder und Be¬
bärde.“
arbeiter. Beide von unerhörter geistiger
Im übrigen kann dieses Buch auf eine
Agilität, höchstem kritischen Verantwortungs¬
gefühl, starker, organisatorischer Kraft. Kralik
ganze Reihe ausgezeichneter Mitarbeiter hin¬
hat mehr Phantasie, die oft ins Phantastische
weisen. So schrieb darin über „Österreichs
Bahr ist ungleich weitblickender
entgleist —
staatliche Geschichte" Bundeskulturrat Pro¬
und hat vor allem eines, was ihn geradezu
fessor Baron Zeßner=Spitzenberg, über
zum literarischen Gewissen der Zeit von 1890
„Maria Theresia und ihre Zeit"= Professor
Kretschmayr, über den „Ausbruch des Welt¬
krieges“ Gesandter Dr. v. Wiesner, über
„Kunst im Hause“ Professor Dr. Weißen¬
hofer und über „Die Wirtschaft unserer
Zeit“ Bundeskanzler a. D. Streeruwitz.