VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1931–1933, Seite 35

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2. Cut ngs
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Österreichische Casino A. G.
Wien II, Schwarzenbergplatz 5a
„OBSERVER“
österr. behördlich konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien I, Wollzeile 11, Telephon R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Le Temps, Paris,
81.4.1936.
vom:
La Vie a Vienne
De notre correspondant
particulier
Vienne, avril 1936
L’influence de la culture française
En Autriche, — J'ai eu souvent déjà l’occasion
de le signaber à des titres divers —, l’influence de
la culture et de la langue françaises remonte à plu¬
sieurs siècles d’échanges culturels, tantôt pure
ment spontanés, tantôt systématiquement favorisés
ou méme provoqués par les dirigeants de l’un ou
de l’autre pays. IIs ont notamment coincidé avec
Ies moments d’alliance politique, mais ils ne ces¬
säient pour ainsi dire jamais de fonctionner, et le
caractère lorrain qu'avait pris au dix-huitièmo
siècle la dynastie régnante à Viefne à consolidé
là une influence traduite durablement entre autres
par la présence d’une foule de mots français ou
tirés du français dans l'allemand aristocratique ou
populaire parlé à Vienne. Si la guerre mondiale
avait greusé un premier fossé entre les deux cul¬
tures épanouies avec tant d’affinités sur le Danube
et sur la Seine, les contacts s’étaient rapidement
renoués entre Paris et Vienne, des la paix rendue
à l’Europe. Avant eu le privilège d’étre des l’ori¬
gine mélé à toutes les tentatives de ce domaine,
nous pourrions en énumérer, à raison de pages en¬
tières, les manifestations et étapes principales. Le
grand public a surtout connu celles qui relevaient
du théätre et du concert: tournées triomphales de
1’Opéra de Vienne à Paris et engagements récipro¬
ques de vedettes de chacun des deux pays sur les
scènes lyriques et méme parfois dramatiques de
l’autre, ou encore festivals de Salzbourg ou des
l’origine la cité de Mozart a soigneusement réservé
une place digne d’eux aux compositeurs et aux
artistes français. Si la musique s’exprime dans
une langue commune à tous les hommes ei si ses
harmonies permettent ainsi le contact direct de
ses chefs-d’ouvre avec un public étranger, la
littérature — théätre, roman ou poésie — aussi
bien que la pensée scientifique ou philosophique
ont besoin des intermédiaires qui d’une langue à
l'autre les rendent accessibles à la foule. A cet
égard, il a été beaucoup fait depuis vingt ans. Les
Hugo d’Hofmannsthal, les Arthur Schnitzler, les
Stefan Zweig, les Raoul Auernheimer, les Paul
Zifferer, ces célébrités autrichiennes sont désor¬
mais bien connues en France. D’aussi zélés traduc¬
teurs ont assuré une diffusion analogue à nos au¬
teurs, de Claudel à Pierre Benoft, de Farrère à
Maurois, de Giraudonx, Paul Morand ou Jules Ro¬
mains à Paul Géraldy, Claude Anet ou Maurice
Bedel.
MareaL DuNAN

„OBSERVER“
I. österr. behördl. konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus: Der Morgen, Wien
vom: 22 J0M 193
TieaterMusik Literatur
Hnammmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmnnnganmmmmmmmmmmmmmnikimmind'
Ludwig Ullmann:
Spielt österreichische Dramatiker!
wiß hat das seine Gründe. Wir haben in
Ja, aber welche?
Österreich etwa keinen Fodor. Auch keinen
Die Arrivierten unter ihnen bleiben
Bus=Fekete. Auch keinen Guitry, Verneut
nicht unaufgeführt. Das ist eine Tatsache,
oder Coward. So diskret fixe, zwischen Takt
die — trotz Einzelbeschwerden — ganz ein¬
und Banalität schlagfertig ausgleichende
fach aus den Spielplänen nachzuweisen ist.
Bijouterien des Theaters liegen unserem
So hat das Burgtheater in dieser Spielzeit
seelisch und technisch vielleicht zu gewissen¬
zu Wort kommen lassen: Schönherr, Max
haften Theaternaturell nicht. Selbst unser
Mell, Felix Braun, Josef Wenter. Die
Salon=Dramatiker war Arthur Schnitzler.
Hans=Nüchtern=Premiere steht bevor, im
Herbst zudem Novitäten Hermann Heinz
Die Theaterdirekloresuchenwieste
Ortners, Schreyvogels, Wenters usw.
sagen, vergebens, obwohl unermüdlich, nach
25
Die sogenannten Unterhaltungsdrama¬
diesen österreichischen Fodors (Bus=Feketes,
Stiker aber können dem Bedarf nach mög¬
Verneuils...). Wo suchen sie? Beim
lichst flacher Erfolgsware gar nicht rasch
Theaterverleger, denn mit wenig rühm¬
genug nachkommen.
lichen Ausnahmen haben sie kaum Zeit, sich
Fragen wir also lieber: Welche öster¬
anderen Manuskripten zu widmen, als
reichischen Dramatiker sind es, die nicht
jenen, deren umgehende Lektüre der Ver¬
oder doch nur allzu selten gespielt werden?
leger im täglichen Wechselverkehr von Vor¬
s Da steht nun freilich heute ein Name von
schlägen und Wünschen urgiert. Was legt
höchstem auch dramatischem Gewicht oben¬
aber der Theaterverleger diesen Direktoren
an: Richard Beer=Hofmann (mit seinem
vor? Dichter? Ja! Aber nur wenn sie auf
„Jungen David“). Aber es fehlt auch (mit
möglichst nachhaltige frühere Aufführungs¬
seinen eigenen Originalwerken) schon seit
erfolge hinweisen können.
Jahren Franz Theodor Csokor. Er ist —
Das ist der Tatbestand, der im stillen
zu problematisch, zu fana¬
angeblich
Kämmerlein (oder am Kasseehaustisch) von
tischen Stils und Gefühls. Was aber sonst
allen Instanzen zugegeben wird. Die
sollte ein Dichter sein? Csokors „Geballt¬
Wiener Privatbühnen haben in der letzten
heit“ hat nicht gestört, als er den, notabene
Zeit übrigens mit einzelnen Versuchen,
längst verstorbenen, Polendichter Krasinski
seriöse österreichische Dramatiker zu spielen,
bearbeitete. Denn die Ausländer dürfen...
nicht übermäßig viel Glück gehabt. Gespielt
sogar mystisch und verworren sein.
wird in Wahrheit, um es summarisch zu
Das ist nun eine weitere Wahrheit: Die
sagen, immer und überall nur was der
S Wiener Bühnen sind stark „verausländert“.
Markt begehrt und bezahlt. Auf ihm, dem
Ja die sogenannte Boulevard=Dramatik,
Theatermarkt, gibt es in der Regel keine,
ein Produkt gleichzeitig zynischer und sub¬
zumindest keine finanziellen Überwertun¬
missester Beflissenheit vor den Geschmacks¬
gen. Was oder wer nicht mehr „zieht“,
unarten des Publikums, tarnt sich nicht
fliegt hinaus, das gilt von Shakespeare bis
selten pariserisch oder budapesterisch, um
Bekeffy. Aber um auf diesen Markt heute
sozusagen mehr Kredit der Gerissenheit zu
überhaupt zu gelangen, muß man sich ge¬
genießen. Niemand, der ein richtiges
wissermaßen „ungeistig“ maskieren. Egon
Effektstück dieser Art schreibt, er mag noch
Friedell sagte einmal, ein gutes Stück sei
unbekannt sein, hat irgendwelche
bald geschrieben. Aber es dann anzubrin¬
Schwierigkeiten, entdeckt zu werden. Diese
gen, erfordere die Talente eines Diplo¬
Schwierigkeiten hat nur jener Unbekannte,
maten, eines Managers und eines Hypno¬
der sich vermißt, ein Theaterstück geistigen,
tiseurs... Natürlich nur, wenn es kein
dichterischen oder gar dialektischen Inhalts
Schund sei.
zu schreiben. Erst vor kurzem ist das ge¬
Denn der Markt ist — immer und über¬
schehen. Der Wiener Publizist Piero Ris¬
für das „Gängige“, wie es im
all
mondo dichtete — er dichtete wirklich, ohne
Metierjargon heißt. Die Aufgabe des Dra¬
Ansehen irgend einer Konjunktur oder
matikers aber ist, Schicksale so zu gestalten,

seinen „Grill¬
Ratsamkeit nämlich
daß sie das Weltbild seiner Seele und
parzer“. Aber er mußte von einer literari¬
seines Charakters ergeben. Das ist dann
schen Kampfbühne uraufgeführt werden.
meistens, wie die gute Frau von Pollak zu
Im Leipziger Buchhändlerbörsenblatt er¬
sagen pflegte, „kein Stück für eine Pre¬
klärte dieser Tage ein keineswegs revo¬
miere“ Es ist daher ziemlich gleichgültig,
lutionärer Fachmann, Werke wie „Tasso“.
wo und wann die irgendwo und irgend¬
oder „Iphigenie“ würden heute „selbst¬
wann geborenen „geborenen“ Dramatiker
verständlich“ keinen Verleger finden.
im Augenblick nicht gespielt werden. Sie
Werden aber auf den Wiener Bühnen
schreiben und bilden dennoch die eigent¬
mehr ausländische Dichter oder mehr aus¬
liche Geschichte, und die höhere Wahrheit,
ländische Theatermacher gespielt? Die
Frage ist natürlich rein rhetorisch... Ge= des Theaters.