VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1931–1933, Seite 44

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2. Cuttings
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schaftlichen Vorurteilen den Weg ins Freis des Genießens zu freuen und sie formten
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eLeser als fand. Im Medardus lebt das alte Wien und unvergängliche Sätze über die Liebe als
21. 10. S##unde
es schadet der französischen Familie nicht,eine tiefe Sache des Herzens. Frauen experi¬
Mllitnnntungestenesenngseegenntunnningnnte
daß sie im Grunde eine Wiener Familie ist,mentierten mit ihren Männern, weil sie
Autoren
diese Art geistigen Zeitvertreibs goutierten
die im Cottage ihr Schlössel hat. Durch
und Männer stellten ihre Frauen zur Dis¬
alle seine Menschengesichter blickte dieses
Kategorie, die Kassenschlösser, können ge¬
Preisausschreiben
küssion, kosteten die Bitternisse rings um
wienerische Antlitz, dieses Traumwandle¬
öffnet werden.
dem sinnlichen Betrieb und tauchten mit
rische im Begehren und Verzichten, dieses
Die Tosischen Schlösser und besonders
der „STUNDE¬
weisen Sprüchen aus dem Seelendunkel
Abschiedswillkommene, das mit dem Tod
glie älteren, öffnet Bierhaus fast mühelos.
wieder an diie Oberfläche.
innige Beziehungen hatte. Die Todesbereit¬
Eine kleine „Injektion“ mit einem Gemisch
Es war schon schön in der Schnitzler¬
schaft seiner Figuren ergab sich wie ein
hus Petroleum, Benzin und Ol mit einer
Lesen Sie in der
Gegend. Sie lag in der untergehenden Sonne
Spritze eingeträufelt, macht das Schlot
Abenteuer, das sie mit dem Jenseits vor¬
morgigen =Stunde¬
geschmeidig und die beiden Teile des Wun¬
Ges alten Östereich. In ihr tönte Wien in
haben, in schönen hauchzarten Worten
siner ganz besonderen Musik, die nicht mehr
Herschlüssels besorgen dann das übrige.
zogen sie dahin und verschwanden auf
en Wettbewerb:
wiederkommt. Denn Schnitzler hat eine
Schwieriger sind schon die Doppelbart- und
Nimmerwiedersehen. Viele seiner Gestalten
Zylinderschlösser zu öffnen. Will so ein
Schule begründet, er hat Menschen um sich
schickte Schnitzler in ein gobles Sterben,
Schloß nicht gleich parieren, dann wird
#u#chen eine
gehabt, die seine Luft atmeten, aber keiner
meist am Abgrund einer Leidenschaft, nach
eine Spezialausführung des Schlüssels ein¬
hat es zu seinem Geist, seiner Leichtigkeit,
vergeblichen Erkenntnissen schritten seine
seiner zeichnerischen Vollendung gebracht. lfgeführt und auf einer Kittmasse zeiehnen
srotischen Abenteurer dem Jenseits zu. Mit

Film-Idee
Ein paar versuchten seine Stirnlocke zu fsich die Bilder des Schloßinnern ab, die nun
klingendem Wortspiel. Er hat für sie Pisto¬
ieicht nach einem bestimmten System am
kopieren, andere trugen seinen Bart. Aber
len bereit gehabt. Teiche, Spitalsbetten,
Sperrapparat eingestellt werden können. Die
keiner hatte die visionäre Helligkeit, die
Veronal und stille Weiber.
300.000 verschiedenen Variationen, die es
zur Erschaffung der Welt des Dichters not
Sie waren alle geborane Wiener Leiden¬
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in der Form der Schlüssel gibt, sind dann
tut. Und es war eine Welt, wenn sie auch
schaftler, der Herr von Sala, der Herr von
für den „Aufsperrer“ uninteressant.
zarte blumenbewachsene Staketten umzäung
Hofreiter, der Georg Wergenthin und sie
Bierhaus weiß interessante Geschichten
ten und nirgends ein unendliches Meer war
trieben ihre Aventuren zwischen den Villen
zu erzählen, wie er erst vor kurzer Zeit
oder die heroische Natur Beethovens. Ger
und. Gärten des Cottage und der Hietzinger
Thur Schnitzlen
eine große Panzerkasse, deren Schlüssel
Ländschaft, sie standen mit Anmut des Er-rade darum ist es schön in der Schnitzler
verschwunden waren, bezwungen hat. Be¬
Siegfried Geyer.
lebens in ihrer Welt, sie verstanden es, sich Gegend gewesen.
an ihn erinnern, nicht
richtet von Amtshandlungen, bei denen er

il es an diesem Herbst¬
an 668
von Exekutionsbeamten zu Hilfe gerufen
daß er hinübergegan¬
wurde, um die Wohnungen von Schuldnern,
eg, den er seine Men¬
Trude Triumph, Sola Fry, Josefina Christal die sich durch die Flucht der Amtshand¬
ließ, aus den Dämme¬
lung entziehen wollten, aufzuschließen und
n das große Dunkel.
Heila Harwaj, Erna Baldini, Lill Core, Marietta Schön, Erna Erneili
über Aktionen zur Rettung von Manschen,
die in Vergiftungsgefahr waren. Keines der
gt außerhalb ihrer
Schlösser hat seinen Sperrapparaten, seinen
C
Hebeln und Nadeln — wie er behauptst —
im
Von 9 Uhr abends
jemals getrotzt. Freilich kennt auch er die
Stadttheatergebäude, VIII. Daungasse 1
bis 4 Uhr früh!
Grenzen seines Könnens und weiß genan
iene wenigen Schloßkonstruktionen, deren
Bekämpfung er noch manche schlaflose
Nacht wird opfern müssen, wenn sie sich
nicht schließlich als stärker erweisen sollten.
Die unbekannte Universität
Ubrigens hat er auch selbst ein ganz ein¬
faches Schloß konstruiert, das bei der Probe
Mayer und Fuchs heißen zumeist die großen (hatte, gibt übrigens ihrer Vermutung Aus¬
allen Aufsperrversuchen widerstanden hat.
Unbekannten, auf die sich Rechtsbrecher in
druck, daß der Herr Dei##or ihren benomme¬
Allerdings fehlt ihm das Geld, um die Er¬
nen Zustand nicht ausscnließlich zu medizi¬
Ihrer Verantwortung berufen; man sucht nach
findung praktisch zu verwerten.
nischen Zwecken herbeigeführt hätte. Beweise
den Entlastungszeugen und muß schließlich
Der Einbruch im Bankhaus Gebrüder
feststellen, daß ein Mayer und ein Fuchs in konnte sie nicht liefern, so daß die Staats¬
Kanitz hat das Interesse der Öffentlichkeit
anwaltschaft diesbezüglich das gegen Peßler
Wien unauffindbar sind. Die Akten des an¬
wieder auf den „Wunderschlüssel“ gelenkt.
Vielleicht wird sich aber das „Wunder“
desgerichtes über die „groden Unbekannten“ leingeleitete Strafverfahren einstellen mußte.
viel einfacher aufklären und irgend ein
Eines Tages kam man darauf, daß Dr. Pe߬
haben nun eine Bereicherung um eine sehr
Schränker wird sich nach guter alter Art
lers Doktordiplom gefälscht sein müsse, denn
geheimnisvolle Institution bekommen: um die
mit Seife und Kitt vorher einen Abdruck
weder an der Wiener, noch an einer anderen
unbekannte Universität, die man nirgends
der Schlüssel beschafft haben.
deutschen Universität hat man einen Herrn
findet
Vor dem Schöffensenat Dr. Seiter stehtIvo Peßler zum Doktor der Medizin promo¬
UND UETZT — EINE NEUE

viert. Peßler, zum Nachweis seines akademi¬
heute unter Anklage des Betruges und
schsn Titels aufgefordert, erklärte, er sei
der Kurpfuscherei: Herr Ivo Peßle:
en, ihrer Forderungen
Gedect
an einer Universität, die er nicht nennen
abs Linz, 49 Jahre alt, Doktor der Universi¬
Schnitzler zählt zu den
tät X. Die Anklage vertritt Staatsanwalt Dr.
en von gestern. Seine
will,
TASCHE
geliebt und geschrie¬
Sabaditsch, der Angeklagte wird von
zum Doktor promoviert worden; das Diplom
DIREKT VOM ERZEUGER
en. Aus einer anderen
Dr. Clementine Bloch verteidigt.
wollte er nicht vorweisen. Bei der Anmeldung
chmal in diese heutige
seiner Praxis hatte er Abschriften dieses an¬
Peßler übte die ärztliche Praxis in seiner
Kiepura II. an der
n wenig fremd umher,
geblichen Diploms der Universität X vor¬
Wiener Wohnung aus und war auch Hospitant
Wiener Staatsoper
verwunderten Augen,
gewiesen und die nunmehr gegen ihn erhobene
im Sophienspital und im Wilbelminenspital
Abendstunden, ihrer
Anklage besagt: Peßler hat der niederöster¬
sowie in Vertretung erkrankter Arzte in Kor¬
ihrer Art, Frauen zu
reichischen Arztekammer sowie der Bezirks¬
neuburg und in Sohönau an der Triestin tätig.
fen, ihres Eine-Liebe¬
hauptmannschaft Baden zweifellos ein ge¬
nden, sind vorbei
Seine Spezialität waren Narkotisierungen.
Das waren Lieblings¬
Eine Frau, die er in der Narkose behandelt fälschtes Dokument vorgewiesen.

lers, der bis in seine
ergangenheitsmenschen