2. Cuttings
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Die Dinge sollen den Weg zur Schönheit wandeln, also sich bewegen, nicht
verharren. Die Treue, die Rast sind die Feinde der Schönheit. Ruhe, Verharren
ist Untergang; Bewegung, Werden, Entwicklung ist alles! Das ist die Erhabenheit
der beweglichen Natur, daß sie nicht ruht, das sei die Erhabenheit der Menschen,
daß sie werden.
In allen diesen, nun sehr breit auseinandergelegten Ansichten, die dort ganz
leise, verstreut, nur selten ein wenig pathetisch gesagt werden, kann man den
stärksten Trieb zu einer künftigen Cultur finden. Dieser Sonderling Peter Alten¬
berg spürt das Wesen einer künftigen Erde in sich: die neuen Menschen, die neuen
Gesetze, die neue Schönheit, das neue Leben. Das ist die große Revolution in
diesem kleinen Buche.
Vielleicht bin ich Ihnen sehr überschwänglich vorgekommen, deshalb brauche
ich mich ja nicht zu entschuldigen, aber ich mußte den neuen Menschen gestalten,
den dieses Buch verheißt und da habe ich freilich vergessen, es bloß auf seine er¬
müdende und etwas monotone Kunst zu prüfen, was man bisher allzueinseitig
gethan hat. An der Kunst aber liegt dem Peter Altenberg gar nicht sehr viel,
das Leben und die Weise des Lebens ist ihm unendlich wichtiger; seine Ideen,
sein Erzieherwille, seine Prophetie. Vielleicht haben ihn die am meisten gekränkt,
die ihn bloß für einen Künstler nahmen. Das betrachtet er als ein zweifelhaftes
Glück, daß er seine strömenden Ideen gestalten kann, so daß man über der Zier
der Parabeln und über der Lust der Gegenstände seine ganzen Weisheiten vergißt.
Ich möchte aber auch das niemandem übelnehmen. Seine Manier hat für Nach¬
ahmer etwas sehr gefährliches und solchen, die vom Künstler absichtslose Kunstwerke
wollen, wird sie gar nicht genügen. Man darf aber vom Apfelbaume nicht ver¬
langen, daß er Kirschen trage.
Diesen Künstlermenschen Peter Altenberg wird nichts mehr ändern und be¬
stimmen. Er ist fertig, ohne Entwicklung. Diese wunderlichen Skizzen, die immer
kleine Theilchen der Welt zeigen, einer neuen Welt und zugleich das Leben eines
neuen Menschen, werden eine Bedeutung für die Zukunft haben.
Er sagt einmal von der Kunst der Japaner: „sie malen einen Blütenzweig
und es ist der ganze Frühling.“
In seinen Skizzen ist der seltsame Frühling einer neuen Erde.
Oder ist das vielleicht nur ein Traum und Irrthum?.
Weil dieses Buch solche Zweifel und Ungewißheit, weil es Liebe und Haß,
Uebersättigung und Begierde erzeugt hat, und weil es vielleicht einigen Menschen
etwas Tiefes sagte, gehört das Auftreten des sonderbaren Autors Peter Altenberg
zu den hervorragenden Ereignissen des Jahres 1896 in Wien.
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Die Dinge sollen den Weg zur Schönheit wandeln, also sich bewegen, nicht
verharren. Die Treue, die Rast sind die Feinde der Schönheit. Ruhe, Verharren
ist Untergang; Bewegung, Werden, Entwicklung ist alles! Das ist die Erhabenheit
der beweglichen Natur, daß sie nicht ruht, das sei die Erhabenheit der Menschen,
daß sie werden.
In allen diesen, nun sehr breit auseinandergelegten Ansichten, die dort ganz
leise, verstreut, nur selten ein wenig pathetisch gesagt werden, kann man den
stärksten Trieb zu einer künftigen Cultur finden. Dieser Sonderling Peter Alten¬
berg spürt das Wesen einer künftigen Erde in sich: die neuen Menschen, die neuen
Gesetze, die neue Schönheit, das neue Leben. Das ist die große Revolution in
diesem kleinen Buche.
Vielleicht bin ich Ihnen sehr überschwänglich vorgekommen, deshalb brauche
ich mich ja nicht zu entschuldigen, aber ich mußte den neuen Menschen gestalten,
den dieses Buch verheißt und da habe ich freilich vergessen, es bloß auf seine er¬
müdende und etwas monotone Kunst zu prüfen, was man bisher allzueinseitig
gethan hat. An der Kunst aber liegt dem Peter Altenberg gar nicht sehr viel,
das Leben und die Weise des Lebens ist ihm unendlich wichtiger; seine Ideen,
sein Erzieherwille, seine Prophetie. Vielleicht haben ihn die am meisten gekränkt,
die ihn bloß für einen Künstler nahmen. Das betrachtet er als ein zweifelhaftes
Glück, daß er seine strömenden Ideen gestalten kann, so daß man über der Zier
der Parabeln und über der Lust der Gegenstände seine ganzen Weisheiten vergißt.
Ich möchte aber auch das niemandem übelnehmen. Seine Manier hat für Nach¬
ahmer etwas sehr gefährliches und solchen, die vom Künstler absichtslose Kunstwerke
wollen, wird sie gar nicht genügen. Man darf aber vom Apfelbaume nicht ver¬
langen, daß er Kirschen trage.
Diesen Künstlermenschen Peter Altenberg wird nichts mehr ändern und be¬
stimmen. Er ist fertig, ohne Entwicklung. Diese wunderlichen Skizzen, die immer
kleine Theilchen der Welt zeigen, einer neuen Welt und zugleich das Leben eines
neuen Menschen, werden eine Bedeutung für die Zukunft haben.
Er sagt einmal von der Kunst der Japaner: „sie malen einen Blütenzweig
und es ist der ganze Frühling.“
In seinen Skizzen ist der seltsame Frühling einer neuen Erde.
Oder ist das vielleicht nur ein Traum und Irrthum?.
Weil dieses Buch solche Zweifel und Ungewißheit, weil es Liebe und Haß,
Uebersättigung und Begierde erzeugt hat, und weil es vielleicht einigen Menschen
etwas Tiefes sagte, gehört das Auftreten des sonderbaren Autors Peter Altenberg
zu den hervorragenden Ereignissen des Jahres 1896 in Wien.
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