VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 140

box 38/4
2. Cuttings
„Lokalen Teil“ ist der vom Leben geschüttelte Künstler, der betteln ##isländischen Heldenjungfrau „Astrid“
gehen muß, sich aufhängt oder sich der tapitalistischen Gesell=erwecken. Der Reiz lyrischer zarter Au
schaft als Lohnkuli in irgendeiner Gestalt verschreiben mußte, weil Stoffes, den „Gawän“ noch hatte, fe
er von Schönheit, Prinzipien und Idealen nicht satt wurde, eine! „Astrid“. So konnte auch Winte
stehende Figur. Auch der darbende Literat, für den die bürgerlich=und Mary Dietrichs groß ange
kapitalistische Presse den Klingelbeutel herumgehen läßt, sofern er süchtigen, um Liebe betrogenen Held
für ein mit kalten Hämmern müh
natürlich politisch unverdächtig ist. Der Fall hat jetzt wieder in
eines pathetischen Schwärmers erweck
Berlin stattgefunden. Ein Komitee „klingender“ Namen erließ
Zwischen dem pathetischen zeitfre
einen Aufruf für die begabte Dichterin Else Lasker¬
schüler, die sich in größter Not befindet. Zahlreiche „führende“
idealen Verseschmied einerseits und
Dramatiker, der Auge und Sinn hat
Zeitungen, die wegen ihres Börsenteils ausschließlich vom mam¬
nonistischen Bürgertum gelesen werden, haben jenen Appell an
waltigen Kampf= und Uebergangszeit,
die Wohltätigkeit zugunsten des darbenden Geistes verbreitet. Mit
antiemefrohen Mitte der P
ereignisse witzig glossiert, der es versteh
velchem Resultat? Das „Berliner Tageblatt“ quittiert über
11 Mark 5 Pfennig! Gespendet von zwei Leuten! Ist ein kläg¬
die Sensation der Menge bilden, der
licheres Fiasko denkbar! Der „Vorwärts“ hatte recht, als er das
machen. Ja ja, die Zeit ist da, die Zei
der die hohe Literatur ablösenden Pan
moralische Fazit zog: „In Berlin sitzen allein viel hundert Nabobs,
die ein Vermögen von Millionen kommandieren, Protzen, die sich
[spiel geboren hat, das dem gesproch
flüssigen Apparat von Wörtern, Ged
nicht eine Minute besinnen, Tausende hinauszuwerfen, wenn es
gilt, ihrer Großmannssucht zu schmeicheln oder ihrem Nervenkitzel
ober sicher den Hals abdrehen wird.
zu frönen! Für das darbende Kunstproletariat aber haben sie
reif, die dem „Film=Shakespeare“
— höchstenfalls einige Bettelgroschen, wie sie sie bei
„Knipsen=Ibsen“ gehören wird, wie
nichts übrig —
[Der Filmzauber ebenso aufricht
einem gewerbsmäßigen Schnorrer aus der sogenannten bessern Ge¬
sellschaft niemals zu verabreichen sich getrauen würden.“
Der Film schwingt traumphierend
immer und überall schreitet auch die
Die Berliner Theater, soweit sie der Pleitegeier noch
krale an der Spitze der Kulturentwicklu
nicht aufgefressen hat, arbeiten fleißig in leichter und ernster
Dramat
bereits recht fortgeschri
Literatur. Das Deutsche Theater hat wieder den neuen
zur Eroben
toppbesitzer schließen Ka
Arbeiten zweier Dramatiker von Rang zum Worte verhelfen, dem
Die ern
durch das stumme Lich
Schauspiel „Der Kampf ums Rosenrote“ von Ernst Hardt und
deren Geschäft nichts, sittliche Hebung
dem Drama „Astrid“ von Eduard Stucken. Hardt ist der
der edle Paul Lindau und Hern
größere Theaterpraktiker, Stucken der größere Dichter und Künstler.
Moralische, sind unter die Filmologe
Hardts Schauspiel ist im Motiv ziemlich reaktionär und abgetan.
gesehen, daß nur der der zeitgemäße
Die abgegriffensten Typen geben sich hier wie auf einer Masken¬
Kinobesitzer Arm in Arm sein Jahrhund
redoute ein Stelldichein und begrüßen sich gegenseitig als alte Be¬
Lange dauert's nicht mehr, dann gibt
kannte aus vergangenen Epochen der deutschen Gesellschafts= und
Aufklärungsliterätur. Da ist das süße Mädel Käthe, ein Opfer städten Reinhardtsche Licht
denen der rührige kleine Napoleon d
ihrer Triebe und ihrer anschmiegenden Gutherzigkeit; da ist der
Klassiker und Moderne und den Parz
nihilistisch sich gebärdende Theater=Sozialdemokrat; das verkannte
großmäulige Schauspielergenie; das „patriarchalische Mädchen“,Schattenspiel vorführt. Und die Th
König Film, sagen Pleite an.
das aus altmodischer kindlicher Pietät auf ihr weibliches Selbst¬
bestimmungsrecht freiwillig verzichtet. usw. Hardt, der press¬
im Schnitzler auch beeinnt
Aus dem deutschen Theaterleben.
zum 15rugen
gekrönte Dichter von „Tantris der Narr“, hat die kostümierten
Ideenträger technisch geschickt gruppiert, aber die Unklarheit der
Nachdruck verboten
will er auch in seinen Stücken die
CIX.
These ist größer als der sprachlich=poetische Stimmungsrausch, Liebelei und all die reizvollen Themen
Die industrialisierte und kommerzialisierte Gesellschaft
der dem Stück entströmt.
welt verlassen, mit denen er so oft uns
braucht, entidealisiert die sie ist, Theateragenturen und Polizei¬
sich dafür, wie man das in niederstei
Einer der zeitfremdesten Dramatiker ist Stucken. Er schweift
hunde für ihren Beirieb notwendiger, wie den Spender des
dem sogenannten Ernst des Lebens, d
in germanischen, isländischen und altenglischen Sagenkreisen umher
Schönen, den Verkünder des Ideals, den schaffenden Künstler.
und versucht vergebens, für König Artus seine Tafelrunde der Problemdichtung ergeben, wie sei
Literatenelend, Musikerelend hungernde Atelier=Bewohner, Künstler¬
elend wohin man sieht. In den Romanen und Novellen im („Gawän“) und für das blinde Wüter der männermordenden lgespielte, in Wien andauernd verr¬
A