VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 139

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räßliche zu begreife
Ste lernt es
Sen nentalität haben alle. Anatol gehört der ver¬
ht ein, daß des Ende des einen Ver¬
m##nden Bürgerklasse an, dem Stande, in den
ihn nur der Anfang des neuen ist und
S##mitzlers Dichtungen zumeist spielen. Man geberdet
nicht mehr war als viele andere vor
sich hier oft international, raucht ägyptische Cigaretten,
streuung. Datötet sie der Schmere oder
nagt englische Kravatten und schwärmt von Paris.
htsinnig. Nach einer kurzen Halbira¬“
Aber diese Buntheit ist nur äußerlich. Im Grunde
der so ein lieber Kerkund das Schifer¬
sind die Leute Wiener, wenn auch der Dialekt der
on Neuem. Ba# ### der Wman des
Vororte hier nur schüchtern durch die Portieren
für das Schnitzler den Namen „Das
dringt, wenn auch die derbe Lustigkeit der unteren
esunden jat.
Schichten sich hier nur in einer, durch überfeine
##e#t ist das Vorstadtmädel vielleich“
#ultur stilisierten Art giebt. Aus dieser Gesellschaft
icht ganz so. Aber immer findet me
#umt Anatol und ihr steht er auch gegenüber. Der
und Züge, die auch die von Schnitzter
Lebemann verletzt ihre Moral, ihre Banalität sein
Künstlertum.
r hat. Er hat gleichsam das Besondere
ädchen benützt, um eine einzige Figur
Das waren lange Zeit die für Schnitzler charak¬
ten.
teristischen Personen. Schon glaubte man Schnitzler
rt wurde diese Gestalt zum ersten
zu kennen, wenn man den „Anatol“ gelesen hatte.
ktol“. Es ist dies eine Reihe drama¬
Man fand, daß dieses eine Thema in den übrigen
welche anmutig und geistvoll die
Werken nur variiert ei. Die Dramen: „Märchen",
es jungen Lebemannes mit seiner
„Liebelei", „Freiwild“, „Das Vermächtnis“, „Die
deln. Sie findet sich aber auch später
Gefährtin“ und die Novellenbücher: „Sterben“, „Die
in Dramen wie in Novellen. Aber
Frau des Weisen“, alles was Schnitzler schrieb, wurde
uns als ein anderes Wesen entgegen,
auf seinen Gehalt an Anatol geprüft und man freute
,daß sie einmal Ballerine, das zweite
sich stets über das günstige Resultat der Untersuchung.
erin und dann wieder Probiermam¬
Da mit einem Male kam eine überraschung.
wie wenn Schnitzler in dem Vor¬
Mit den Einaktern Die Gefährtin“ und „Paracelsus“
as entdeckt hätte, was er in jeder
wurde am selben Abend im Burgtheater die Groteske
stalt wiederfindet und ihm anheimelnd
„Der grüne Kakadu“ aufgeführt. Sie ist die be¬
entgegenleuchtet. Dieses Etwas ist
deutendste Schöpfung Schnitzlers, ist im Vergleich
Element und was er uns giebt, ist
zu den anderen Dichtungen wie ein Koloß, ein
dieses Elements in seiner Seele.
Felsblock in einer anmutigen Au. Man liebelt hier
ener Mädels ist bei der Gestaltung
nicht, man liebt, haßt und mordet. Keine müden und
eibes also Voraussetzung, der Kern,
halben Regungen. Kunst, Scheinkunst, Rachsucht,
Einzelheiten gruppiert, die in der Ge¬
Liebesraserei, mit Füßen getretene, angespieene
arakter bedeuten.
Autorität, Freiheit, Freiheitswahnsinn, Naivetät,
er hat Schnitzler eine Frau geschildert,
plumpe Spekulation, Dekadenz, Brandstiftung, —
Inn Lebensinhalt oder deren Ein¬
ein Chaos von Affekten, Episoden und Kontrasten,
benslauf eines Mannes bestimmend
die mit der raffiniertesten Technik gegeneinander
sie nur eine „Episode“ und das ist
ausgespielt werden. Auf diesem tosenden Meer
iger, als die Frau in der modernen
schwimmt die unendlich einfache Handlung. Der
st von außergewöhnlicher Macht ist.
Schauspieler Henri entdeckt, daß ihm seine Geliebte
dberg, wie bei Ibsen und d'Annunzio.
mit dem Herzog von Cadignan untreu ist und tötet
kann und Sudermann liegt in ihrer
diesen. Das geschieht in einem kellerartigen Lokal,
wesentlichste Motiv des Dramas.
dem „grünen Kakadu“ in dem das mondaine Paris
Ludwigs XVI. dem Laster der Straße Rendezvous giebt.
„süßen Mädel“ ähnliche Gestalten
mag man vielleicht an Goethes
Von außen dringt der schmetternde Freiheitsjubel
der Marseillaise in den Keller, man hört die Schritte
der Banden, die gegen die Bastille ziehen und unten
Infachheit ist das süße Mädel eigent¬
wird die Blüte der französischen Aristokratie unter
et, einen Konflikt herbeizuführen.
dem wiehernden Freudengejohle des Pöbels gemordet,
emeisten männlichen Charaktere
während die adeligen Damen dem seltenen Schau¬
esten Sinne dramatisch. Und wie
spiel, einen wirklichen Herzog töten zu sehen, Bei¬
im süßen Mädel, so ist für seine
fall spenden.
n im Anatol ein Schlüssel zu finden.
ist hier besonders markant und
Das wienerische Mädel ist hier nicht zu finden.
gt. Anatol ist halb Roué und halb
Mit großem psychologischem Können sind alle Cha¬
risch veranlagter Genußmensch, ein
raktere, der Zeit und dem Orte entsprechend, gezeichnet.
er poetischer Müßiggänger. Ein
Das ist das Paris der Revolution, das sind die
derfließen ist in ihm von Lebens¬
Letzten des altfranzösischen Adels, das ist der Mob,
keit, von Blasiertheit und Liebes¬
der im Freiheitstaumel Säulen und Kunstwerke
rt abgetönt, von Affekten bewegt,
zerstörte, Könige schlachtete und sich endlich von
haften aussehen und von trüben
Robespierre und Bonaparte knechten ließ. Nur der
edämpft.
Mit diesem Anatol
müde, lebenssatte junge Herzog, mit seinen Träumen
chen Charaktere der übrigen St## von einem erhabenen Dirnentum, seinem Gei und —
seinem Sinn für Schönheit mag ein wenig
sein sollen." Die Schlichtheit dieser, beinahe wie
die Erinnerung an Anatol wecken. Eine innige
eine Bitte aussehenden Forderung hat etwas aus¬
Harmonie besteht zwischen der Empfindung und dem
nehmend Mildes. — Wir sollen gut sein und ver¬
Geist, von welchem die Sprache des Stückes erfüllt
zeihen! So klingt es, wie eine wundersam sanfte
wird. Jeder Teil des Dialoges ist interessant, oft
Musik, in allen seinen Werken wieder; und dieses
wie ein gutes Apereu, oft wie eine große Wahrheit,
zarte Erklingen ist ein großer Teil des lyrischen
neue Ideen offenbarend.
Gehaltes seiner Dichtungen. Bei manchen, wie bei
Und sonderbar: Das Gedankliche des Gespräches
den Novellen: „Die Frau des Weisen“ und „Abschied“.
wird überhaupt bei Schnitzler nie aufdringlich,
und bei dem Einacter: „Die Gefährtin“ könnte man
nimmt nie Tendenz an. Ich nehme nur „Freiwild“
von einer Poesie der Vergebung sprechen. —
aus, das nicht als Drama, sondern als eine gute
Zwölf Jahre sind es ungefähr, daß Arthur
und interessante Polemik wider das Duell angesehen
Schnitzler in die Oeffentlichkeit trat. Er ist heute
werden sollte. Und doch durchzieht beinahe unmerk¬
einer der angesehensten Dichter Oesterreichs und
lich eine stille Forderung alle Dichtungen. In den
sein hervorragendster lebender Dramatiker. Auch
letzten Worten des gewaltsam und unkünstlerisch
für Deutschland ist ein neues Werk von ihm ein
verlängerten dritten Aktes von „Das Vermächtnis“
Ereignis geworden.
wird sie ausgesprochen: „— und hätten einfach gut