2. Cuttings
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Deutsche Dramatiker der Gegenwart
VI.
Rarl Schönberr.
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Don Paul Wilhelm.
s ist vielleicht kein Zufall, daß das erfolgreichste dramatische Calent, das Oesterreich
k gegenwärtig besitzt, wieder im Volkstümlichen wurzelt. Lange genug hat unsere Kunst
sich am Duft, am Zauber der Blüte berauscht. Es ist an der Zeit, daß sie wieder
daran denkt, neue Kraft in die Tiefe der Wurzeln zu senken. Verfeinerung, Kultur
des Ausdrucks, Formkunst und in letzter Linie der aus diesen emporblühende Stil sind Endglieder
einer Rette von Entwickelungserscheinungen und stehen in ihrer höchsten Entfaltung zumeist an
der Grenze des Abstieges, des Niederganges. Eine neue Kunstära wird immer vom Elementaren
aus eingeleitet. Der jungdeutsche Naturalismus war die Urkraft, die dem schwächlichen Epigonentum
neue Blutwärme zuführte, um dann in dem neuen pspchologisch beseelten Stil der sensiblen Neu¬
romantiker eine, freilich nur schwächliche, überzarte Blüte zu zeitigen.
Karl Schönherr scheint der Ausgangspunkt einer neuen österreichischen Dramatik zu sein.
Einer Kunst, die sich auf ihre inneren Aufgaben besinnt und darauf verzichtet, sich als Selbst¬
zweck zu fühlen. Das ästhetische und das ethische Moment sind immer die beiden Pole alles
Künstlerischen gewesen. Der Ethiker wird sich zum Begriff der Menge, zum Allgemeinen, Gemein¬
samen, zum Tiefmenschlichen in dem Maße hingezogen fühlen, als der Aesthet, den stets das
Persönliche, Individuelle, Subjektive reizt, sich von ihm abgestoßen fühlen wird. Je nachdem
nun die eine oder andere Empfindung überwiegt, wird die Kunst mehr das aristokratische oder
das demokratische Prinzip verkörpern. Nur in den ganz großen Erscheinungen wird eine restlose
Verschmelzung beider Begriffe zutage treten. Dielleicht beruht sogar der Begriff des ganz Großen
einzig und allein auf der Fähigkeit dieser Verschmelzung zu einem völlig Ganzen, wie es sich
am bedeutendsten in der Erscheinung Shakespeares zeigt.
In Gerhart Hauptmann haben beide Prinzipien nach Geltung gerungen. Die bürger¬
liche Cragödie, das volkstümliche Empfinden standen hart neben dem Streben nach Stil und erhöhtem
künstlerischen Ausdruck. Aber es war ein Wechselspiel, ein Nebeneinander in der Stoffwahl, das
nur in einem Werke des Dichters eine völlig reine Lösung fand, in „Hannele“, während zwei
seiner poetisch feinsten und innigsten Werke, „Dippa tanzt" und „Griselda“ an der Unaus¬
geglichenheit der Stilelemente leiden. Arthur Schnitzler hat gleichfalls beide Noten anzu¬
schlagen versucht, die Verbindung zum Kunstwerk großen Stils ist aber auch dieser feinen und
tiefen Begabung bisher nicht gelungen. Trotz „Liebelei“ und „Vermächtnis“ neigt die Begabung
Schnitzlers mehr nach der künstlerischen Subtilität hin, nach der pspchologischen Kleinarbeit, die
dem Geradlinigen, Elementaren aus dem Wege geht und ihr Schönstes und Bestes nicht in der
Einfachheit, sondern in der Komplikation sucht und findet.
Die beiden letzten Dezennien in Oesterreich sind dadurch bemerkenswert, daß ein reiches
Aufblühen vielfältiger literarischer Kräfte sich bemerkbar machte, daß ein Reichtum starker und
inniger Calente, namentlich nach der formellen Richtung hin, sich erfreulich kundgab, und daß es
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Deutsche Dramatiker der Gegenwart
VI.
Rarl Schönberr.
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Don Paul Wilhelm.
s ist vielleicht kein Zufall, daß das erfolgreichste dramatische Calent, das Oesterreich
k gegenwärtig besitzt, wieder im Volkstümlichen wurzelt. Lange genug hat unsere Kunst
sich am Duft, am Zauber der Blüte berauscht. Es ist an der Zeit, daß sie wieder
daran denkt, neue Kraft in die Tiefe der Wurzeln zu senken. Verfeinerung, Kultur
des Ausdrucks, Formkunst und in letzter Linie der aus diesen emporblühende Stil sind Endglieder
einer Rette von Entwickelungserscheinungen und stehen in ihrer höchsten Entfaltung zumeist an
der Grenze des Abstieges, des Niederganges. Eine neue Kunstära wird immer vom Elementaren
aus eingeleitet. Der jungdeutsche Naturalismus war die Urkraft, die dem schwächlichen Epigonentum
neue Blutwärme zuführte, um dann in dem neuen pspchologisch beseelten Stil der sensiblen Neu¬
romantiker eine, freilich nur schwächliche, überzarte Blüte zu zeitigen.
Karl Schönherr scheint der Ausgangspunkt einer neuen österreichischen Dramatik zu sein.
Einer Kunst, die sich auf ihre inneren Aufgaben besinnt und darauf verzichtet, sich als Selbst¬
zweck zu fühlen. Das ästhetische und das ethische Moment sind immer die beiden Pole alles
Künstlerischen gewesen. Der Ethiker wird sich zum Begriff der Menge, zum Allgemeinen, Gemein¬
samen, zum Tiefmenschlichen in dem Maße hingezogen fühlen, als der Aesthet, den stets das
Persönliche, Individuelle, Subjektive reizt, sich von ihm abgestoßen fühlen wird. Je nachdem
nun die eine oder andere Empfindung überwiegt, wird die Kunst mehr das aristokratische oder
das demokratische Prinzip verkörpern. Nur in den ganz großen Erscheinungen wird eine restlose
Verschmelzung beider Begriffe zutage treten. Dielleicht beruht sogar der Begriff des ganz Großen
einzig und allein auf der Fähigkeit dieser Verschmelzung zu einem völlig Ganzen, wie es sich
am bedeutendsten in der Erscheinung Shakespeares zeigt.
In Gerhart Hauptmann haben beide Prinzipien nach Geltung gerungen. Die bürger¬
liche Cragödie, das volkstümliche Empfinden standen hart neben dem Streben nach Stil und erhöhtem
künstlerischen Ausdruck. Aber es war ein Wechselspiel, ein Nebeneinander in der Stoffwahl, das
nur in einem Werke des Dichters eine völlig reine Lösung fand, in „Hannele“, während zwei
seiner poetisch feinsten und innigsten Werke, „Dippa tanzt" und „Griselda“ an der Unaus¬
geglichenheit der Stilelemente leiden. Arthur Schnitzler hat gleichfalls beide Noten anzu¬
schlagen versucht, die Verbindung zum Kunstwerk großen Stils ist aber auch dieser feinen und
tiefen Begabung bisher nicht gelungen. Trotz „Liebelei“ und „Vermächtnis“ neigt die Begabung
Schnitzlers mehr nach der künstlerischen Subtilität hin, nach der pspchologischen Kleinarbeit, die
dem Geradlinigen, Elementaren aus dem Wege geht und ihr Schönstes und Bestes nicht in der
Einfachheit, sondern in der Komplikation sucht und findet.
Die beiden letzten Dezennien in Oesterreich sind dadurch bemerkenswert, daß ein reiches
Aufblühen vielfältiger literarischer Kräfte sich bemerkbar machte, daß ein Reichtum starker und
inniger Calente, namentlich nach der formellen Richtung hin, sich erfreulich kundgab, und daß es
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