VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1933, undatiert, Seite 177

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2. Cuttings
(Nachdruck ohne Quellenangabe verboten.)
deutliche Ufer gebannt, hier ist der Kritiker und
Aesthet mit fast völliger Ueberwindung seiner Sub¬
iteraturgeschichte.
jektivität durch die Kraft seiner Persönlichkeit über
den Chronisten zum Erzieher seines Volkes hinaus¬
rgeschichtschreibung stellen sich zwei'
gewachsen.
ich hemmend und den Wert des
Es ist nicht gut, Fachwerke durch Vergleiche
in Frage stellend entgegen. Die
mit dem großen Werke Bartels' von vornherein
hat mit der Tradition zu kämpfen,
auf eine Kraftprobe zu stellen. Eine Literaturgeschichte
ergangenheit gerecht wird, und
aber, die gleichsam im Schatten dieses bedeutungs¬
mit klügstem kritischem Verständnis
vollen Werkes in die Oeffentlichkeit gelangte und
stlerischem Takt kaum in befriedigen¬
dennoch mit Ehren besteht, hat allen Anspruch, in den
nde Aufgabe, die fließenden Grenzen
Besitz der gebildeten Kreise zu gelangen. Mehr Anrecht
rt mit halbwegs markanten Pfählen
als die verschiedentlichen auf Goldschnitt und oft sehr
schon eine Flutwelle des nächsten
wertlosen bilder= und autographenreichen Firlefanz
kann. So sieht sich der Bienenfleiß
gestimmten Modeliteraturgeschichten. Ein solches Werk
rkes nicht durch das Ende gekrönt
die „Geschichte der deutschen Literatur" von
festgefügten, nur mehr wenig bild¬
Eduard Enge
des Alten zu den problematischen
Eine schöne, festgefügte, klare Arbeit eines fleißigen
n, an die nicht das geeichte Maß der
Forschers und oft feinsinnigen Kritikers. Manches
t werden kann, die vielmehr durch
Kapitel aus dem ältereren deutschen Schrifttum er¬
Geschmack, durch ein durchaus sub¬
hebt sich zwar nicht wesentlich über die in anderen
ksvermögen, vielleicht auch nur durch
Literaturgeschichten herkömmliche Form, doch findet
lwollen erhoben, erniedrigt oder auch
Eduard Engel oft einen so überzeugenden, fach¬
werden. So fällt denn auch der
männisch reifen und doch populären Ausdruck, daß
Blick vorzüglich in die der Gegen¬
auch diese Abschnitte angenehm über die Bedeutung
Kapitel einer Literaturgeschichte und
rein kompilatorischer Anhäufung hinausragen. Andere
der Kritik wird sich nicht leicht von
Kapitel wieder tragen unverkennbar eine ganz eigene
rsönlicher Momente befreien und zu
Marke, die vorteilhaft den Wert ihrer Materie nüan¬
rechtigkeit erheben können.
ciert. So sind die Goethe und Schiller
hat Adolf Bartels der deutschen
widmeten Abschnitte kleine Monographien von beson¬
butungsvolles Werk in seiner „Ge¬
derem Wert. Auch die Mitteilungen über die Ur¬
lchen Literatur“ geschenkt, das gerade
anfänge des deutschen Schrifttums und später die
hwierigen Aufgabe gerecht zu werden
nen Zeit den blauken Spiegel hin¬
„Geschichte der deutschen Literatur“ von Eduard
sich die Gegenwart unserer Literatur
Engel. Zwei Bände, 1906. Verlag von F. Tempsky
Verzerrungen in ihren natürlichen
in Wien und G. Freytag in Leipzig. Preis gebunden
ier sind die fließenden Grenzen in 15 K.

sen
Kapitel über die deutsche Romantik sind au
einen eigenen, persönlich frischen Ton gestimmt.
Und nun die neueste Zeit! All die Gedanken, die
über die Geschichtsschreibung der Gegenwartsströmungen
geäußert wurden, sind in der Engelschen Literatur¬
geschichte selbst keineswegs zerstreut. Es kommt keine
Gerechtigkeit auf. Manches und mancher kommt allzu¬
strenge weg (wie z. B. Arno Holz), andrerseits
wieder erscheint manches Formtalent, das sich über
rein technische Fertigkeit und eine blendende, rein
formale Begabung nicht erhebt, mit liebevoller Sorg¬
falt bedacht. Es kann von einer Literaturgeschichte
füglich nicht beansprucht werden, daß sie Talenten, die
erst vor wenigen Jahren mit Erfolg — sei es mit
scheinbar nachhaltendem oder rein äußerlichem — auf
den Plan getreten sind, gerecht werde. Wenn aber
Dichter, die nicht nur nichts geleistet haben und der
literarischen Oeffentlichkeit völlig unbekannt sind,
sondern auch das unscheinbarste künstlerische Wollen
oder Können vermissen lassen, um den Preis ehrlich
ringender, künstlerisch bedeutsamer Talente berücksichtigt
werden, so ist das eine Einseitigkeit, die in einem
Werke bei aller sonstigen Objektivität nicht gerne ge¬
sehen wird.
Es würde viel zu weit führen, auf diese durch
einen Kritiker dekretierte Monopolisierung von Talenten
näher einzugehen, und wir verweisen nur darauf, daß
die schmerzliche Tatsache, Deutschösterreich in
fast allen reichsdeutschen Werken aschenbrödel¬
haft behandelt zu sehen, gerade in der Verschweigung
oder Verkleinerung der jüngsten österreichischen Talente
merklich fühlbar ist. Weiß Engel wirklich nichts von
Arnold Hagenauer, von Franz Himmelbauer,
nichts von der lebensreifen Lyrik. Franz Karl Ginz¬
keys, kennt er nicht unsere Tiroler Sänger Artur
v. Wallpach und den so fruh verstorbenen Anton