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2. Cuttings
(Nachdruck ohne Quellenangabe verboten.)
deutliche Ufer gebannt, hier ist der Kritiker und
Aesthet mit fast völliger Ueberwindung seiner Sub¬
Literaturgeschichte.
jektivität durch die Kraft seiner Persönlichkeit über
den Chronisten zum Erzieher seines Volkes hinaus¬
Der Literaturgeschichtschreibung stellen sich zwei'
gewachsen.
Faktoren wesentlich hemmend und den Wert des
Es ist nicht gut, Fachwerke durch Vergleiche
Werkes a priori in Frage stellend entgegen. Die
mit dem großen Werke Bartels' von vornherein
Literaturgeschichte hat mit der Tradition zu kämpfen,
auf eine Kraftprobe zu stellen. Eine Literaturgeschichte
soweit sie der Vergangenheit gerecht wird, und
aber, die gleichsam im Schatten dieses bedeutungs¬
sie hat die auch mit klügstem kritischem Verständnis
vollen Werkes in die Oeffentlichkeit gelangte und
und feinstem künstlerischem Takt kaum in befriedigen¬
dennoch mit Ehren besteht, hat allen Anspruch, in den
der Weise zu lösende Aufgabe, die fließenden Grenzen
Besitz der gebildeten Kreise zu gelangen. Mehr Anrecht
der Gegenwart mit halbwegs markanten Pfählen
als die verschiedentlichen auf Goldschnitt und oft sehr
abzustecken, die schon eine Flutwelle des nächsten
wertlosen bilder= und autographenreichen Firlefanz
Jahres wegspülen kann. So sieht sich der Bienenfleiß
gestimmten Modeliteraturgeschichten. Ein solches Werk
eines solchen Werkes nicht durch das Ende gekrönt
st die „Geschichte der deutschen Literatur" von
und irrt von der festgefügten, nur mehr wenig bilb¬
Eduard Engel.“
samen Größe des Alten zu den problematischen
Eine schöne, festgefügte, klare Arbeit eines fleißigen
Gegenwartswerten, an die nicht das geeichte Maß der
Forschers und oft feinsinnigen Kritikers. Manches
Objektivität gelegt werden kann, die vielmehr durch
Kapitel aus dem ältereren deutschen Schrifttum er¬
höchst persönlichen Geschmack, durch ein durchaus sub¬
hebt sich zwar nicht wesentlich über die in anderen
jektives Ueberblicksvermögen, vielleicht auch nur durch
Literaturgeschichten herkömmliche Form, doch findet
persönliches Wohlwollen erhoben, erniedrigt oder auch
Eduard Engel oft einen so überzeugenden, fach¬
verschwiegen werden. So fällt denn auch der
männisch reifen und doch populären Ausdruck, daß
kritisch prüfende Blick vorzüglich in die der Gegen¬
auch diese Abschnitte angenehm über die Bedeutung
wart gewidmeten Kapitel einer Literaturgeschichte und
rein kompilatorischer Anhäufung hinausragen. Andere
auch diese Kritik der Kritik wird sich nicht leicht von
Kapitel wieder tragen unverkennbar eine ganz eigene
den Schlacken persönlicher Momente befreien und zu
Marke, die vorteilhaft den Wert ihrer Materie nüan¬
vollkommener Gerechtigkeit erheben können.
ciert. So sind die Goethe und Schiller ge¬
Vor kurzem hat Adolf Bartels der deutschen
widmeten Abschnitte kleine Monographien von beson¬
Nation ein bedeutungsvolles Werk in seiner „Ge¬
derem Wert. Auch die Mitteilungen über die Ur¬
schichte der deutschen Literatur“ geschenkt, das gerade
anfänge des deutschen Schrifttums und später die
dieser überaus schwierigen Aufgabe gerecht zu werden
sucht, der eigenen Zeit den blauken Spiegel hin¬
* „Geschichte der deutschen Literatur" von Eduard
zuhalten, in dem sich die Gegenwart unserer Literatur
Engel. Zwei Bände, 1906. Verlag von F. Tempsky
und Kultur ohne Verzerrungen in ihren natürlichen
in Wien und G. Freytag in Leipzig. Preis gebunden
Linien sieht. Hier sind die fließenden Grenzen in 15 K.
Kapitel über die deutsche Romantik
einen eigenen, persönlich frischen Ton gestimm
Und nun die neueste Zeit! All die Geda
über die Geschichtsschreibung der Gegenwartsstr
geäußert wurden, sind in der Engelschen?
geschichte selbst keineswegs zerstreut. Es kon
Gerechtigkeit auf. Manches und mancher kom
strenge weg (wie z. B. Arno Holz), al
wieder erscheint manches Formtalent, das
rein technische Fertigkeit und eine blenden
formale Begabung nicht erhebt, mit liebevol
falt bedacht. Es kann von einer Literatum
füglich nicht beansprucht werden, daß sie Tale
erst vor wenigen Jahren mit Erfolg
scheinbar nachhaltendem oder rein äußerlichen
den Plan getreten sind, gerecht werde. We
Dichter, die nicht nur nichts geleistet haben
literarischen Oeffentlichkeit völlig unbekar
sondern auch das unscheinbarste künstlerisch
oder Können vermissen lassen, um den Prei
ringender, künstlerisch bedeutsamer Talente beri
werden, so ist das eine Einseitigkeit, die
Werke bei aller sonstigen Objektivität nicht
sehen wird.
Es würde viel zu weit führen, auf die
einen Kritiker dekretierte Monopolisierung von
näher einzugehen, und wir verweisen nur dar
die schmerzliche Tatsache, Deutschösterr
fast allen reichsdeutschen Werken aschenb
haft behandelt zu sehen, gerade in der Versch
oder Verkleinerung der jüngsten österreichischen
merklich fühlbar ist. Weiß Engel wirklich ni
Arnold Hagenauer, von Franz Himmel
nichts von der lebensreifen Lyrik. Franz Karl
keys, kennt er nicht unsere Tiroler Sänge
v. Wallpach und den so früh verstorbenen
2. Cuttings
(Nachdruck ohne Quellenangabe verboten.)
deutliche Ufer gebannt, hier ist der Kritiker und
Aesthet mit fast völliger Ueberwindung seiner Sub¬
Literaturgeschichte.
jektivität durch die Kraft seiner Persönlichkeit über
den Chronisten zum Erzieher seines Volkes hinaus¬
Der Literaturgeschichtschreibung stellen sich zwei'
gewachsen.
Faktoren wesentlich hemmend und den Wert des
Es ist nicht gut, Fachwerke durch Vergleiche
Werkes a priori in Frage stellend entgegen. Die
mit dem großen Werke Bartels' von vornherein
Literaturgeschichte hat mit der Tradition zu kämpfen,
auf eine Kraftprobe zu stellen. Eine Literaturgeschichte
soweit sie der Vergangenheit gerecht wird, und
aber, die gleichsam im Schatten dieses bedeutungs¬
sie hat die auch mit klügstem kritischem Verständnis
vollen Werkes in die Oeffentlichkeit gelangte und
und feinstem künstlerischem Takt kaum in befriedigen¬
dennoch mit Ehren besteht, hat allen Anspruch, in den
der Weise zu lösende Aufgabe, die fließenden Grenzen
Besitz der gebildeten Kreise zu gelangen. Mehr Anrecht
der Gegenwart mit halbwegs markanten Pfählen
als die verschiedentlichen auf Goldschnitt und oft sehr
abzustecken, die schon eine Flutwelle des nächsten
wertlosen bilder= und autographenreichen Firlefanz
Jahres wegspülen kann. So sieht sich der Bienenfleiß
gestimmten Modeliteraturgeschichten. Ein solches Werk
eines solchen Werkes nicht durch das Ende gekrönt
st die „Geschichte der deutschen Literatur" von
und irrt von der festgefügten, nur mehr wenig bilb¬
Eduard Engel.“
samen Größe des Alten zu den problematischen
Eine schöne, festgefügte, klare Arbeit eines fleißigen
Gegenwartswerten, an die nicht das geeichte Maß der
Forschers und oft feinsinnigen Kritikers. Manches
Objektivität gelegt werden kann, die vielmehr durch
Kapitel aus dem ältereren deutschen Schrifttum er¬
höchst persönlichen Geschmack, durch ein durchaus sub¬
hebt sich zwar nicht wesentlich über die in anderen
jektives Ueberblicksvermögen, vielleicht auch nur durch
Literaturgeschichten herkömmliche Form, doch findet
persönliches Wohlwollen erhoben, erniedrigt oder auch
Eduard Engel oft einen so überzeugenden, fach¬
verschwiegen werden. So fällt denn auch der
männisch reifen und doch populären Ausdruck, daß
kritisch prüfende Blick vorzüglich in die der Gegen¬
auch diese Abschnitte angenehm über die Bedeutung
wart gewidmeten Kapitel einer Literaturgeschichte und
rein kompilatorischer Anhäufung hinausragen. Andere
auch diese Kritik der Kritik wird sich nicht leicht von
Kapitel wieder tragen unverkennbar eine ganz eigene
den Schlacken persönlicher Momente befreien und zu
Marke, die vorteilhaft den Wert ihrer Materie nüan¬
vollkommener Gerechtigkeit erheben können.
ciert. So sind die Goethe und Schiller ge¬
Vor kurzem hat Adolf Bartels der deutschen
widmeten Abschnitte kleine Monographien von beson¬
Nation ein bedeutungsvolles Werk in seiner „Ge¬
derem Wert. Auch die Mitteilungen über die Ur¬
schichte der deutschen Literatur“ geschenkt, das gerade
anfänge des deutschen Schrifttums und später die
dieser überaus schwierigen Aufgabe gerecht zu werden
sucht, der eigenen Zeit den blauken Spiegel hin¬
* „Geschichte der deutschen Literatur" von Eduard
zuhalten, in dem sich die Gegenwart unserer Literatur
Engel. Zwei Bände, 1906. Verlag von F. Tempsky
und Kultur ohne Verzerrungen in ihren natürlichen
in Wien und G. Freytag in Leipzig. Preis gebunden
Linien sieht. Hier sind die fließenden Grenzen in 15 K.
Kapitel über die deutsche Romantik
einen eigenen, persönlich frischen Ton gestimm
Und nun die neueste Zeit! All die Geda
über die Geschichtsschreibung der Gegenwartsstr
geäußert wurden, sind in der Engelschen?
geschichte selbst keineswegs zerstreut. Es kon
Gerechtigkeit auf. Manches und mancher kom
strenge weg (wie z. B. Arno Holz), al
wieder erscheint manches Formtalent, das
rein technische Fertigkeit und eine blenden
formale Begabung nicht erhebt, mit liebevol
falt bedacht. Es kann von einer Literatum
füglich nicht beansprucht werden, daß sie Tale
erst vor wenigen Jahren mit Erfolg
scheinbar nachhaltendem oder rein äußerlichen
den Plan getreten sind, gerecht werde. We
Dichter, die nicht nur nichts geleistet haben
literarischen Oeffentlichkeit völlig unbekar
sondern auch das unscheinbarste künstlerisch
oder Können vermissen lassen, um den Prei
ringender, künstlerisch bedeutsamer Talente beri
werden, so ist das eine Einseitigkeit, die
Werke bei aller sonstigen Objektivität nicht
sehen wird.
Es würde viel zu weit führen, auf die
einen Kritiker dekretierte Monopolisierung von
näher einzugehen, und wir verweisen nur dar
die schmerzliche Tatsache, Deutschösterr
fast allen reichsdeutschen Werken aschenb
haft behandelt zu sehen, gerade in der Versch
oder Verkleinerung der jüngsten österreichischen
merklich fühlbar ist. Weiß Engel wirklich ni
Arnold Hagenauer, von Franz Himmel
nichts von der lebensreifen Lyrik. Franz Karl
keys, kennt er nicht unsere Tiroler Sänge
v. Wallpach und den so früh verstorbenen