VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 21

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König¬
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Datum: —

Artur Schnitzler.
Zur 15. Mai 1912, seinem 50. Geburtstage.
Daß Artur Schnitzler in diesen Tagen 50 Jahre alt wird,
mag auch für jenen Teil des lieben deutschen Publikums ein Me¬
mento sein, der Ammer erst eines gewissen außeren Anlasses bedarf,
um sein Interesse für einen Dichter mobil zu machen. Wir
andern, die wit wissen, was große Geister für das Werden der
Seele sind, überschauen in solchen Stunden die Gaben, die uns
ihre Huld geschenkt und unser ganzes Herz wird Freude und wird
Dank. Artur Schnitzler gehört zu jenen Starken, die uns nicht
wieder freigeben, wenn wir einmal auf ihren Weg geraten sind,
zu jenen Seltenen, deren Wert in uns nachzittrt, noch lange, nach¬
dem wir ihre Bücher fortgelegt haben.
Ein schmerzliches Ringen zwischen Dur und Moll — ein
Glück, das uns zerstört und eine Hölle, die uns selig spricht — ein
starkes Lachen über Zeit und Raum, dazu ein Weinen, das von
schönen, weichen Lippen strömt: so etwas habe ich noch immer
empfunden, wenn ich ein Buch von Artur Schnitzler las. Ein
Mann von dichterisch und menschlich gleich feiner Kultur, hat
Schnitzler von den Franzosen, wie von Ibsen, Strindberg und
Shaw gelernt, ohne ins Fahrwasser der Genannten zu geraten.
Er hat sich emporgerungen und ist ein Freier geworden auf eigener
Höhe. So lernte er die Wege der Menschen im Dunkel verfolgen
und wehmütig lächeln, wenn er die bittersüße Frucht vom Baume
der Erkenntnis brach. Denn alles Leben ist Betrug und Selbst¬
betrug. Das ist der Wechselstrom von Mensch zu Mensch, trotz
aller Wahrheit, aller Ehrlichkeit. Wir schaukeln ewig zwischen
Wirklichkeit und Schein.
Schnitzlers Ruhm begann mit der Veröffentlichung der
Anatolszenen, die uns schon durch ihren Namen auf die Spur
französischen Einflusses setzen. Aber in den sanguinischen Grund¬
ton der Abenteuer, die Schnitzler den aus Leichtsinn und Melancho¬
lie gemischten Genießer Anatol erleben läßt, klingt herb ein Weh,
das nicht vehallen will. Aehnlich geht es uns mit der Novelle vom
„Leutnant Gustel“, der meisterhaften psychologischen Analyse
„Frau Berta Garlans“, dem Novellenzyklus „Dämmer¬
seelen“ und dem dramatischen „Zwischenspiel“ in dem
Schnitzler die Eheirrung des Kapellmeisters „Amadeus
Adams“ und seiner abenteuergierigen Frau Cäcilie an uns vor¬
überziehen läßt. In der „Liebelei“ haben die letzten Spuren
des Theatralischen einer schlichten zwingenden Tragik Platz ge¬
macht, und man muß in der modernen Literatur schau sehr lang#
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suchen, um Schnitzlers Christine eine gleich liebenswerte Gestalt an versteckten Trieben de
die Seite stellen zu können. Trotz der Sentimentalität die sie zu¬
wenn sich die Arme i
letzt umgibt. Und wem hätte nicht die Bettlergeschichte „Vom
*) Sämtliche Werh
blinden Geronimo und seinem Bruder“ oder die Er¬
zählung „Andreas Thameyers letzter Brief“ ans Herz

gegriffen? Wen zöge nicht der, echteste Großstadtatmosphäre aus¬
stromende Roman „Der einsame Weg“ in seinen Bann, wer
bliebe hart bei der Schilderung des langsamen Unterganges des
Schwindsüchtigen in der Novelle „Sterben“, die vielleicht das
stärkste seiner Prosawerke ist?
Als Schnitzlers männliche Leidenschaften die Oberhand ge¬
wonnen hatten, brach seine Liebe für das Historische stark hervor,
und es entstanden jene Dramen von der Art des „Grünen Ka¬
kadu“ wo das Spielen zwischen Schein und Wirklichkeit ebenso
deutlich wird, wie im „Paracelsus“ das Ineinander von Wirklich¬
keit und Traum. Im „Schleier der Beatrice“ zeichnet der Dichter
den Heißhunger nach Glück und die Enttäuschung, die dem lebens¬
durstigen Filippo schließlich die Waffe in die Hand drückt, die ihn
von aller Erdenqual befreit. So wird das Weib der Feind, der die
Sehnsucht nach Glück bestraft, der Feind, der letzten Endes Sieger
bleibt. In neuerer Zeit ist Schnitzler zum historischen Drama zu¬
rückgekehrt, indem er im „Jungen Medardus“ das Wien vor 1809
zum Schauplatz leidenschaftlicher Kämpfe machte. Auch hier ist das
Weib der rollende Ball, den die Männer zu werfen glauben, und
der sie immer wieder selber trifft. Der Roman „Der Wegins
Freie“ endlich ist eine, Verstehen und Liebe heischende Geschichte
der gegenwärtigen jüdischen Strömungen und wie alle Bücher
Schnitzlers von dem Pulsschlag starken inneren Erlebens durch¬
glüht und geadelt.
So ist Artur Schnitzler weit über jene Erstlingswerke der
Liebespsychologie hinausgewachsan, die seine starke Position in der
zeitgenössischen Literatur begründeten, und es liegt eine schwere
Ungerechtigkeit darin, ihn immer nur als den Dichter des „Süßen
Mädels“ abzutun. Der Tod der Menschen, die er als Arzt hat
ringen und sterben sehen, ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen,
und der Gedanke an das Nachher faßt ihn mit Schauern an, weil
weder der Glaube, noch die Wissenschaft hier Antwort geben, die
ihn trösten kann. „Warum reden sie vom Sterben?“ heißt es im
„Einsamen Weg“ und die Antwort lautet: „Gibt es einen anstän¬
digen Menschen, der in irgend einer guten Stunde an etwas ande¬
res denkt?“
Wer so vom immer gegenwärtigen Todesgedanken be¬
gleitet wird, für den gibt es kein lässiges Erfassen der Lebensidee
der hält mit allem, was er denkt und dichtet, wie Ibsen Gerichts
süber sein eigenes Selbst. Der sucht mit allen Fühlern nach de
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