box 39/1
1. 50th Birthdav
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungeausschnitte.
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21!
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierteste Bureau Deutschlasds.)
N
B
Zeitung
FrankTurt a.
Ort: —
mobitschleiern nachlauft, den könien Wir fünf Arte hin=[Wleber einmal äh
Datum: —
haben sich bis auf den
durch nicht ertragen). Aber immerhin: er bleibt Reprä¬
jungen Mann nicht aus
senkant der Schnitzlerschen Welt, Bruder jenes Mädchens,
14.Maliais
ganze und halbe Tage la
das über die Leiche des Vaters weg, gelockt von dem
Herren im Café Grienste
.Ruf des Lebens“, in zwei offene Leutnantsarme springt,
Heinische Schnitzlerlocke, di
Bruders jenes Leutnants Gustl, dem das Duell von morgen
Arthur Schnitler, der 50er.
ist wie die rote Weste Gau
heute den Angstschweiß aus den Poren treibt, und jenes
Werk neben der Liebelei ist
Von Dr. Hans Wantoch.
armen Schwindsüchtigen, der im „Sterben“ hinsiecht, wäh¬
durch die Geschichte vom
rend sein Mädel, diese ins Unendliche duldende Magda¬
Ein Stuch Wien ist in die Werke dieses Wieners ver¬
Offizierschurge gekostet un
lena, neu dem Leben entgegenatmet. Immer wieder ist
sponnen, der morgen seinen 50. Geburtstag feiert.
theater versperrt hat.
es „Der Ruf des Lebens“, den Schnitzler dichten
Theresianische Zärtlichkeiten singen in seinem Blut, und
will, aber es wird gewöhnlich ein Sterben. Reden nicht frei, und „Der junge Meda#
von der Darstellung des modernen Lebens weicht er immer
auch die Menschen, denen das Leben am teuersten gilt, Jahre ein verblüfsend
mehr im „Medardus“, im „Ruf des Lebens“ in jene still
Können des längst totgesag
verrinnenden Zeiten zurück, in denen sich der Begrifflsehr viel und häufig vom Tod? Es ist, als würde er sich
eine Angst vom Leib damit schreiben. Und sehr mutig
noch spielt das Deutsche
österreichisch und der Begriff wienerisch durch Schubert¬
sind auch seine Helden nicht, im „Freiwild“ nicht, wo
den Wienern zuvor. Man
Weisen und Grillparzer=Dichtungen am besten erfüllt hat,
der eine den anderen hinterrücks über den Haufen knallt,
in denen das harte, feste und kantige Dasein in Versonnen¬
Berlin drei Jahre frühe
im „Jungen Medardus“ nicht, wo der Held kein Täter
heit, in Traum und Märchen vergleitet. Denn es sind
Heimat, und hat den „Ein
ist, sondern ein Dulder, und dann der Leutnant Gustl...
immer Märchen gewesen, was Schnitzler geschrieben hat.
spielabenden genießen dürft
Auch dort, wo er den Bibrationen der allergegenwärtigsten
mann, die Lehmann
Schnitzler ist in Wien geboren und aufgewachsen, Sohn
Seele nachgespürt hat, im „Zwischenspiel“ etwa, da drang
Theaters an der Wien stat
eines Arztes, Bruder eines Professors der Medizin und
er so tief und so innig ins heimliche Fühlen, daß es ihm
meldungen recht behalten,
selber ein Arzt, der selber einmal von sich gesagt, er hätte
langsam und sacht ins Ungewisse, ins Unwahrscheinliche
Schnitzler, ein Stück verköt
ohne diese wissenschaftliche Kenntnis nie sein „Sterben“
und Märchenhafte verflimmerte. Ein Märchen vom Lieben
deutschen Provinztheater !
und nie „Die letzten Masken“ dichten können. Wo die
und vom Sterben ist sein ganzes Werk. „Anatol“ war
Stücke gefeiert und geehrt
Stadt ins Land verrinnt und die sanften Hügelketten des
sein erstes Buch, das Buch eines soignierten Flaneurs,
Kahlengebirges den Menschen in die Fenster schauen, dort
eines homme à semme, und „Sterben“ diese melancho¬
ist sein Heim, von dem ein bestrickendes Aroma Altwiener
lische Nachdenklichkeit, sein zweites. Er hat wundervoll
Patriziertums, mit einem Schuß Makartbukett und Perser¬
tiefe Dinge über die Liebe gesagt und erstäunlich läßtge, teppich, ausgeht. Die ganze Längswand des Arbeits¬
frappierend vornehme, gleichsam manicurte über den Tod,
zimmers dreifach hintereinandergereiht, nehmen die Bücher
und er hat ganz früh schon, im „Anatol“ bereits, jene
und Folianten ein, unter denen historische Werke die
Formulierung gefunden, in der uns das Märchen zeitlich
Ueberzahl bilden; deren Geschichte ist nun die Lieblings¬
näher gerückt, moderner und — wenn man so sagen darf
lektüre und das intensivste Studium des Arztes von einst.
—
realistischer erscheint: den Somnambulismus, die Tele¬
Da vergehen ihm täglich viele Stunden ernster Arbeit,
pathie, die Suggestion, deren rätselhaftes Wesen die Ge¬
die den Wienern, die ihn immer noch als den Schöpfer
liebte des Herrn von Sala auf seinem „Einsamen Weg“
des „füßen Mädels“, als den Schnitzler der Lie¬
erfüllt und die ganz in samtene Dunkelheit gehüllten
belei, des Reigen, des Anatol sehen, höchst verwunderlich
letzten Novellen.
wären: er aber sagt mit einer seltsam zusammengerafften
Vielleicht ließe sich der Tonfall, der Rhythmns, die
Energie: „Man muß sich zur Arbeit manchmal zwingen,
Melodie, in der all das auf weiche, wienerische Art gesagt
jeden Tag sein Pensum; wenn man einmal eine Sache
vielleicht ließe sich auch die Dichtung Schnitzlers
ist.
hat, dann durch. Denn es ist wie bei dem Astronomen, der#
mit dem Wort erklären, das uns von Grillparzer her
zu lange durchs Fernrohr schaut: das Firmament beginnt
geläufig ist: Leben und Traum; denn ein unbän¬
plötzlich zu flimmern.“
diges Leben=Wollen ist in allen Gestalten Schnitzlers, eine
Und diese Arbeitsmethode als Wiener mag es auch sein,
schwelgerische Daseinsfreude und ein kennerisches Genießen
die den Werken Schnitzlers jenes Mühelose und Leichte.
des Seins, wie es in den Rebengeländen rings um die
das Selbstverständliche und Zwingende gibt. Die Wiener
Stadt der Phäaken erblüht und daheim ist.
freilich sehen in ihm weniger den Nachspürer letzter seeli¬
Auch im „Weiten Land“ ist wiederum — freilich in
scher Essenzen, als den lächelnden, tändelnden Anatol¬
den ungeistigsten, animalischen Formen — solch ein Stück¬
Flaneur, sie nehmen die Tragik seiner Werke nicht recht
Wille zum Leben gestaltet,in dem Fabrikanten Hofreiter
ernst wie sein kleiner Bub, dem er den Inhalt von „Der
(dünkt er Euch nicht der minder liebenswürdige, weil
Schleier der Pierette“ erzählt hut und der, als er auf
ältere Bruder Anatols zu sein; denn einen Flaneur mit
die Frage nach dem Schluß die Antwort bekam, „Zum
40 oder 45 Jahren, einen Mann jenseits der Schaffens¬
mitte, der immer nur den Schürzenschleifen und Auto= Schluß sind alle tot“ — aesaat hat: „Das sieht Dir.
1. 50th Birthdav
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungeausschnitte.
Berlin NO. 43, Georgenkirchplatz 21!
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierteste Bureau Deutschlasds.)
N
B
Zeitung
FrankTurt a.
Ort: —
mobitschleiern nachlauft, den könien Wir fünf Arte hin=[Wleber einmal äh
Datum: —
haben sich bis auf den
durch nicht ertragen). Aber immerhin: er bleibt Reprä¬
jungen Mann nicht aus
senkant der Schnitzlerschen Welt, Bruder jenes Mädchens,
14.Maliais
ganze und halbe Tage la
das über die Leiche des Vaters weg, gelockt von dem
Herren im Café Grienste
.Ruf des Lebens“, in zwei offene Leutnantsarme springt,
Heinische Schnitzlerlocke, di
Bruders jenes Leutnants Gustl, dem das Duell von morgen
Arthur Schnitler, der 50er.
ist wie die rote Weste Gau
heute den Angstschweiß aus den Poren treibt, und jenes
Werk neben der Liebelei ist
Von Dr. Hans Wantoch.
armen Schwindsüchtigen, der im „Sterben“ hinsiecht, wäh¬
durch die Geschichte vom
rend sein Mädel, diese ins Unendliche duldende Magda¬
Ein Stuch Wien ist in die Werke dieses Wieners ver¬
Offizierschurge gekostet un
lena, neu dem Leben entgegenatmet. Immer wieder ist
sponnen, der morgen seinen 50. Geburtstag feiert.
theater versperrt hat.
es „Der Ruf des Lebens“, den Schnitzler dichten
Theresianische Zärtlichkeiten singen in seinem Blut, und
will, aber es wird gewöhnlich ein Sterben. Reden nicht frei, und „Der junge Meda#
von der Darstellung des modernen Lebens weicht er immer
auch die Menschen, denen das Leben am teuersten gilt, Jahre ein verblüfsend
mehr im „Medardus“, im „Ruf des Lebens“ in jene still
Können des längst totgesag
verrinnenden Zeiten zurück, in denen sich der Begrifflsehr viel und häufig vom Tod? Es ist, als würde er sich
eine Angst vom Leib damit schreiben. Und sehr mutig
noch spielt das Deutsche
österreichisch und der Begriff wienerisch durch Schubert¬
sind auch seine Helden nicht, im „Freiwild“ nicht, wo
den Wienern zuvor. Man
Weisen und Grillparzer=Dichtungen am besten erfüllt hat,
der eine den anderen hinterrücks über den Haufen knallt,
in denen das harte, feste und kantige Dasein in Versonnen¬
Berlin drei Jahre frühe
im „Jungen Medardus“ nicht, wo der Held kein Täter
heit, in Traum und Märchen vergleitet. Denn es sind
Heimat, und hat den „Ein
ist, sondern ein Dulder, und dann der Leutnant Gustl...
immer Märchen gewesen, was Schnitzler geschrieben hat.
spielabenden genießen dürft
Auch dort, wo er den Bibrationen der allergegenwärtigsten
mann, die Lehmann
Schnitzler ist in Wien geboren und aufgewachsen, Sohn
Seele nachgespürt hat, im „Zwischenspiel“ etwa, da drang
Theaters an der Wien stat
eines Arztes, Bruder eines Professors der Medizin und
er so tief und so innig ins heimliche Fühlen, daß es ihm
meldungen recht behalten,
selber ein Arzt, der selber einmal von sich gesagt, er hätte
langsam und sacht ins Ungewisse, ins Unwahrscheinliche
Schnitzler, ein Stück verköt
ohne diese wissenschaftliche Kenntnis nie sein „Sterben“
und Märchenhafte verflimmerte. Ein Märchen vom Lieben
deutschen Provinztheater !
und nie „Die letzten Masken“ dichten können. Wo die
und vom Sterben ist sein ganzes Werk. „Anatol“ war
Stücke gefeiert und geehrt
Stadt ins Land verrinnt und die sanften Hügelketten des
sein erstes Buch, das Buch eines soignierten Flaneurs,
Kahlengebirges den Menschen in die Fenster schauen, dort
eines homme à semme, und „Sterben“ diese melancho¬
ist sein Heim, von dem ein bestrickendes Aroma Altwiener
lische Nachdenklichkeit, sein zweites. Er hat wundervoll
Patriziertums, mit einem Schuß Makartbukett und Perser¬
tiefe Dinge über die Liebe gesagt und erstäunlich läßtge, teppich, ausgeht. Die ganze Längswand des Arbeits¬
frappierend vornehme, gleichsam manicurte über den Tod,
zimmers dreifach hintereinandergereiht, nehmen die Bücher
und er hat ganz früh schon, im „Anatol“ bereits, jene
und Folianten ein, unter denen historische Werke die
Formulierung gefunden, in der uns das Märchen zeitlich
Ueberzahl bilden; deren Geschichte ist nun die Lieblings¬
näher gerückt, moderner und — wenn man so sagen darf
lektüre und das intensivste Studium des Arztes von einst.
—
realistischer erscheint: den Somnambulismus, die Tele¬
Da vergehen ihm täglich viele Stunden ernster Arbeit,
pathie, die Suggestion, deren rätselhaftes Wesen die Ge¬
die den Wienern, die ihn immer noch als den Schöpfer
liebte des Herrn von Sala auf seinem „Einsamen Weg“
des „füßen Mädels“, als den Schnitzler der Lie¬
erfüllt und die ganz in samtene Dunkelheit gehüllten
belei, des Reigen, des Anatol sehen, höchst verwunderlich
letzten Novellen.
wären: er aber sagt mit einer seltsam zusammengerafften
Vielleicht ließe sich der Tonfall, der Rhythmns, die
Energie: „Man muß sich zur Arbeit manchmal zwingen,
Melodie, in der all das auf weiche, wienerische Art gesagt
jeden Tag sein Pensum; wenn man einmal eine Sache
vielleicht ließe sich auch die Dichtung Schnitzlers
ist.
hat, dann durch. Denn es ist wie bei dem Astronomen, der#
mit dem Wort erklären, das uns von Grillparzer her
zu lange durchs Fernrohr schaut: das Firmament beginnt
geläufig ist: Leben und Traum; denn ein unbän¬
plötzlich zu flimmern.“
diges Leben=Wollen ist in allen Gestalten Schnitzlers, eine
Und diese Arbeitsmethode als Wiener mag es auch sein,
schwelgerische Daseinsfreude und ein kennerisches Genießen
die den Werken Schnitzlers jenes Mühelose und Leichte.
des Seins, wie es in den Rebengeländen rings um die
das Selbstverständliche und Zwingende gibt. Die Wiener
Stadt der Phäaken erblüht und daheim ist.
freilich sehen in ihm weniger den Nachspürer letzter seeli¬
Auch im „Weiten Land“ ist wiederum — freilich in
scher Essenzen, als den lächelnden, tändelnden Anatol¬
den ungeistigsten, animalischen Formen — solch ein Stück¬
Flaneur, sie nehmen die Tragik seiner Werke nicht recht
Wille zum Leben gestaltet,in dem Fabrikanten Hofreiter
ernst wie sein kleiner Bub, dem er den Inhalt von „Der
(dünkt er Euch nicht der minder liebenswürdige, weil
Schleier der Pierette“ erzählt hut und der, als er auf
ältere Bruder Anatols zu sein; denn einen Flaneur mit
die Frage nach dem Schluß die Antwort bekam, „Zum
40 oder 45 Jahren, einen Mann jenseits der Schaffens¬
mitte, der immer nur den Schürzenschleifen und Auto= Schluß sind alle tot“ — aesaat hat: „Das sieht Dir.