VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 24

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1. 50th Birthdar
bse & Seidel
ür Zeitungsausschnitte.
43, Georgenkircbplatz 21!
meisten Zeitungen und ist das
ierteste Bureau Deutschlasds.)
Frankfürt a.
möbilschleiern nachtauft, den konnen wir funf Atte miteswbieder einmal ähnlich, Papa.“ Die Wiener
haben sich bis auf den heutigen Tag jenen mondänen
durch nicht ertragen). Aber immerhin: er bleibt Reprä¬
jungen Mann nicht aus dem Gedächtnis gewöhnt, der
senkant der Schnitzlerschen Welt, Bruder jenes Mädchens,
4. Malisia
ganze und halbe Tage lang wie andere mondäne junge
das über die Leiche des Vaters weg, gelockt von dem
Herren im Café Griensteidl saß, tief in die Stirn die
Ruf des Lebens“, in zwei offene Lentnantsarme springt,
Heinische Schnitzlerlocke, die beinahe so populär geworden
Bruders jenes Leutnants Gustl, dem das Duell von morgen
Arthur Schnitler, der 50er.
ist wie die rote Weste Gautiers. Noch durch ein anderes
heute den Angstschweiß aus den Poren treibt, und jenes
Werk neben der Liebelei ist er hier populär und berühmt,
Von Dr. Hans Wantoch.
armen Schwindsüchtigen, der im „Sterben“ hinsiecht, wäh¬
durch die Geschichte vom „Leutnant Gustl“, die ihm die
rend sein Mädel, diese ins Unendliche duldende Magda¬
Stüch Wien ist in die Werke dieses Wieners ver¬
Offizierscharge gekostet und für lange den Weg ins Hof¬
lena, neu dem Leben entgegenatmet. Immer wieder ist
n. der morgen seinen 50. Geburtstag feiert.
theater versperrt hat. Erst Max Burckhard legte ihn
es „Der Ruf des Lebens“, den Schnitzler dichten
sianische Zärtlichkeiten singen in seinem Blut, und
will, aber es wird gewöhnlich ein Sterben. Reden nicht frei, und „Der junge Medardus“: das war im vergangenen
kr Darstellung des modernen Lebens weicht er immer
auch die Menschen, denen das Leben am teuersten gilt, Jahre ein verblüffend grandioser Beweis von dem
im „Medardus“, im „Ruf des Lebens“ in jene still!
Können des längst totgesagten Burgtheaters. Aber immer
nenden Zeiten zurück, in denen sich der Begriffl sehr viel und häufig vom Tod? Es ist, als würde er sich
noch spielt das Deutsche Reich die Dichtungen Schnitzlers
eine Angst vom Leib damit schreiben. Und sehr mutig
ichisch und der Begriff wienerisch durch Schubert¬
sind auch seine Helden nicht, im „Freiwild“ nicht, wo
den Wienern zuvor. Man hat den „Ruf des Lebens“ in
und Grillparzer=Dichtungen am besten erfüllt hat,
der eine den anderen hinterrücks über den Haufen knallt,
Berlin drei Jahre früher sehen können als in seiner
en das harte, feste und kantige Dasein in Versonnen¬
im „Jungen Medardus“ nicht, wo der Held kein Täter
Heimat, und hat den „Einsamen Weg“ nur an jenen Gast¬
n Traum und Märchen vergleitet. Denn es sind
ist, sondern ein Dulder, und dann der Leutnant Gustl...
spielabenden genießen dürfen, an denen Sauer und Basser¬
Märchen gewesen, was Schnitzler geschrieben hat.
dort, wo er den Bibrationen der allergegenwärtigsten
mann, die Lehmann und Reicher auf der Szene des
Schnitzler ist in Wien geboren und aufgewachsen. Sohn
Theaters an der Wien standen. Und wenn die Zeitungs¬
nachgespürt hat, im „Zwischenspiel“ etwa, da drang
eines Arztes, Bruder eines Professors der Medizin und
meldungen recht behalten, dann wird am 15. Mai Arthur
tief und so innig ins heimliche Fühlen, daß es ihm
selber ein Arzt, der selber einmal von sich gesagt, er hätte
im und sacht ins Ungewisse, ins Unwahrscheinliche
Schnitzler, ein Stück verkörperten Wiens, auf dem letzten
ohne diese wissenschaftliche Kenntnis nie sein „Sterben“!
Närchenhafte verflimmerte. Ein Märchen vom Lieben
deutschen Provinztheater durch Aufführung eines seiner
und nie „Die letzten Masken“ dichten können. Wo die
som Sterben ist sein ganzes Werk. „Anatol“ war
Stücke gefeiert und geehrt sein.
Stadt ins Land verrinnt und die sanften Hügelketten des
rstes Buch, das Buch eines soignierten Flaneurs,
Kahlengebirges den Menschen in die Fenster schauen, dort
homme à semme, und „Sterben“, diese melancho¬
ist sein Heim, von dem ein bestrickendes Aroma Altwiener!
Nachdenklichkeit, sein zweites. Er hat wundervoll
Patriziertums, mit einem Schuß Makartbukett und Perser¬
Dinge über die Liebe gesagt und erstaunlich lässige,
teppich, ausgeht. Die ganze Längswand des Arbeits¬
ferend vornehme, gleichsam manicurte über den Tod,
zimmers dreifach hintereinandergereiht, nehmen die Bücher
r hat ganz früh schon, im „Anatol“ bereits, jene
und Folianten ein, unter denen historische Werke die
lierung gefunden, in der uns das Märchen zeitlich
Ueberzahl bilden; deren Geschichte ist nun die Lieblings¬
gerückt, moderner und — wenn man so sagen darf
lektüre und das intensivste Studium des Arztes von einst.]
blistischer erscheint: den Somnambulismus, die Tele¬
Da vergehen ihm täglich viele Stunden ernster Arbeit,
. die Suggestion, deren rätselhaftes Wesen die Ge¬
die den Wienern, die ihn immer noch als den Schöpfer
des Herrn von Sala auf seinem „Einsamen Weg“
des „süßen Mädels“, als den Schnitzler der Lie¬
und die ganz in samtene Dunkelheit gehüllten
belei, des Reigen, des Anatol sehen, höchst verwunderlich
Novellen.
wären: er aber sagt mit einer seltsam zusammengerafften
leicht ließe sich der Tonfall, der Rhythmus, die
Energie: „Man muß sich zur Arbeit manchmal zwingen,
ie, in der all das auf weiche, wienerische Art gesagt
jeden Tag sein Pensum; wenn man einmal eine Sache
vielleicht ließe sich auch die Dichtung Schnitzlers
hat, dann durch. Denn es ist wie bei dem Astronomen, der
em Wort erklären, das uns von Grillparzer her
zu lange durchs Fernrohr schaut: das Firmament beginnt
sig ist: Leben und Traum; denn ein unbän¬
plötzlich zu flimmern.“
Leben=Wollen ist in allen Gestalten Schnitzlers, eine
Und diese Arbeitsmethode als Wiener mag es auch sein,
gerische Daseinsfreude und ein kennerisches Genießen
die den Werken Schnitzlers jenes Mühelose und Leichte,
prins, wie es in den Rebengeländen rings um die
das Selbstverständliche und Zwingende gibt. Die Wiener
der Phäaken erblüht und daheim ist.
freilich sehen in ihm weniger den Nachspürer letzter seeli¬
im „Weiten Land“ ist wiederum — freilich in
scher Essenzen, als den lächelnden, tändelnden Anatol¬
maeistigsten, animalischen Formen — solch ein Stück
Flaneur, sie nehmen die Tragik seiner Werke nicht recht
zum Leben gestaltet in dem Fabrikanten Hofreiter
ernst wie sein kleiner Bub, dem er den Inhalt von „Der
er Euch nicht der minder liebenswürdige, weil
Schleier der Pierette“ erzählt hat und der, als er auf
Bruder Anatols zu sein; denn einen Flaneur mit
er 45 Jahren, einen Mann jenseits der Schaffens= die Frage nach dem Schluß die Antwort bekam, „Zum
der immer nur den Schürzenschleifen und Auto= Schluß sind alle tot“ — gesaat hat: „Das sieht Dir