VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 33

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1. 50thBirthdar
Klose & Seidel
für Zeitungeausechnitte.
D. 43, Georgenkirchplatz 211
ie meisten Zeitungen und ist das
nisierteste Bureau Deutschlands.)
Er
Weimnar
K
viele „Größern“ vor ihm vergeblich gesucht haben.
Arthur Schnitzler.
Freilich Schnitzler, der selber Arzt wurde, hat sich
bis zum dreißigsten Lebensjahre Zeit gelassen, ehe
urtstag des „Jung=Wiener“ Dichters.
er ein Werk erscheinen ließ: da veröffentlichte er die
her, der ewig junge, nach wieder fünf¬
„Anatol“=Einakter — diese Bilder eines heute auch
die Blätter des deutschen Zeitungs¬
schon nicht mehr lebenden, seltsamen Wiener Jung¬
sägt, ob ihm dann wohl auch Gedenk¬
gesellencharakters, und dann die „Liebelei“.
en hundertjährigen Geburtstag
Und in diesem Geure brachte er dann eine Reihe
des „Anatol“ und des Wiener „süßen
von Einaktern, Schauspielen, Novellen und Roma¬
egenflattern werden? Wer mag die
nen. Es führt an dieser Stelle zu weit, die auf¬
sorten? Der Ruhmestempel der deut¬
steigende, sich vertiefende Entwicklungslinie im
rleidet an bedenklicher überfüllung.
weiteren Schaffen dieses liebenswürdigsten aller
die vor einem Menschenalter noch auf
Wiener Poeten zu zeigen, der gleichzeitig sich immer
mes Höhen Wandelnden und Gefeier¬
eine vornehm kühle, über seinen Gestalten stehende
Schweigen, in die Nacht der Vergessen¬
„Ironie“ bewahrt hat. Welch ein Höhenwandel vom
sinken sind, nachdem Spielhagen wie
„Anatol“ bis zur „Komtesse Mizi“ und der Tragi¬
rs, Wolff und Dahn u. a. der Gegen¬
komödie „Das weite Land“. Und mag seine drama¬
hehr zu künden haben, darf man an¬
tische Historie „Der junge Medardus“ etwas allzu
auch unsere Nachwelt nicht weniger
reich erscheinen unter der Menge der Charaktere,
n wird. Und das Wort von dem, „der
jenes Wien zur Zeit als Napoleon I. in Schönbrunn
iner Zeit genug getan“ usw. gilt auch
weilte, ist meisterhaft wiedergegeben, und ebenso
recht. Wir wissen nicht, wer diese
tiefsinnig der „schwächliche“, echt wienerische „Atten¬
wvissen aber leider, daß ein Hölder¬
täter“ Medardus. Und dann die drei Einakter „Der
d Novalis erst lange, lange nach ihrem
grüne Kakadu“: welche Tiefe der poetischen Idec bei
te Verständnis gefunden haben ...
höchster Realität des grausam harten Lebens.
Gegenwartspoeten kann man — welch
Aber wozu hier seine Werke anführen? Die
uch! — kein Ewigkeitswert=Urteil aus¬
besten seiner Komödien und Schauspiele sind über
iß sich mit dem Beifall begnügen, den
die Bühnen von ganz Deutschland gegangen; erst
itgenossen gespendet haben. Von die¬
jüngst konnte man sich an unserem Hoftheater über
us kann auch der Wiener Poet Artur
seine „Liebelei“ wieder erfreuen. Fleißig ist Schnitz¬
auf den 15. Mai mit stolzer, stiller
ler gewesen: Die Frucht der nun zwanzig Jahre
berechtigtem Stolze hinblicken: an ernst¬
seines dichterischen Schaffens besteht in 22 mehr und
und strengem Trachten nach dem
minder starken Bänden (sämtlich bei Fischer, Berlin,
er es niemals fehlen lassen, und die
veröffentlicht). Soeben beginnt bereits von seinen
rfolges hat ihn nicht im Stich gelassen:
„Gesammelten“ Werken die erste Reihe zu erschei¬
Dramatiker und Novellist Schnitzler ist
nen: Die erzählenden Schriften in drei Bänden.
echt wienerischen Gepräges eine der be¬
Wenn Alfred Musset einst im Hinblick auf Lord
scheinungen auch in Reichsdentschland
Vyron das Wort prägte: „Das Glas, aus dem ich
ohn eines seinerzeit gefeierten Wiener
trinke ist klein, doch ist es das meinige — so gilt das
der Großvater mütterlicher Seite war
in gewissem Sinne auch von der abgeklärten Kunst
karzt, lernte er namentlich die Theaier¬
Schnitzlers, die niemals predigt, sondern nur zeigt.
ig kennen und jene anderen „Wiener
Ein sonst nicht übler Geschichtschreiber der modernen
n wir in seinen novellistischen Schöp¬
deutschen Literatur hat bei aller Anerkennung der
reicher Fülle begegnen; sie sind stets
„Ziselierkunst“ Schnitzlers behauptet, daß „aus dieser
iedergegeben. Und dann mit welcher
seinen hochgesteigerten Kultur keine große Natur
arstellungsgabe! Schnitzler, wie
spreche“ — nun, das Endurteil über den Wert
Passermann, besitzt jenen vielgesuchten
soll Einsachheit und Größe, nach dem so; der Schnitzlerschen Muse spricht wobl erst die Zu¬
kunft aus. Jedenfalls gehört Schnitzler mit in die
erste Reihe der wirklich bedeutenden lebenden deut¬
schen Poeten. Und noch Höheres und Tieferes steht
von ihm zu erwarten. Einst besaß die persönliche Er¬
scheinung des Poeten sogar, namentlich in Wien,
eine gewisse Popularität: „Die etwas stilisierte Ele¬
ganz der Toilette, die breite schwarze Plastronkra¬
watte, von der sich der blonde Vollbart abheot, und
vor allem die bis zum linken Auge reichende blonde
Nun,
Locke, die berühmte „Schnitzler=Locke“.
heut, bei dem Fünszigjährigen, fragt man
nach diesen Außerlichkeiten nicht mehr, ist vielmehr
erfreut, daß er uns zu seinem Geburtstage soeben?
mit einem neuen Prosawerke beschenkt hat: „Mas¬
ken und Novellen“ (Berlin, S. Fischer). Aus¬
diesen sechs höchst eigenartigen und tiefsinnigen Ge¬¬
schichten voll prachtvollster „Simplizität“ des Stiles,
echt episch, ragen besonders wegen ihres symbolischen
Gehaltes die erste und die letzte hervor: Die „Hir¬
tenflöte“ und „Die dreifache Warnung“. Namentlich
den hochromantischen Lebenslauf der Dionysia, den
Inhalt der ersten Geschichte, vergißt man so leicht
nicht wieder: sie ist eine Perle der neusten Erzähr
lungskunst. Da bekommt man das Gefühl, daß auch
die Deutschen nicht mehr anfangen zu erzählen
sondern bereits erzählen können, wie nur die
besten Meister der Epik bei den Franzosen und
Russen.