VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 64

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5oth Birthdar



NNr. 442
Eane 7 (20) Mai
(ontag

1912.


der St. Petersburger Zeitung
Meeeren

Lieder antströmend dem Schönsten einer bestimmten
hetzte, unfreie Menschen uns die Augen ##
eln Arthur Schnitzler
immer seltener werdenden Wiener Art wurden mit
haben, oder die verästelten, irren Stimmen #
in die Erinnerung gerufen, leise aber eindrücklich,
Zum Fünfzigsten.
dischen Rasse im Kampfe mit der Atmosphät
indes ich an die Menschen denke, die an Ihrer Hand
4
serer Heimat — natürlich nicht der geographisch
%
Von W. Fred.
durch Oesterreich den Weg ihres Lebens gingen, bis
tönen ließen, — immer haben Sie mehr get#
Dies wird ein Liebesbrief eines Mannes an
sie vor mir standen und nicht mehr verschwanden:
begriffen, gezeigt; in ihren Herzen und He
einen Mann, eines Kritikers an einen Dichter, ent¬
sinnliche Mädchen, der ein wenig grau gewordene,
Seelen und Seelchen haben Sie die großen
schuldigt, wenn solches notwendig ist, durch den An¬
aber so liebe Anatol, der verlassene Herr von Sala,
kleinen Naturen zu erfassen vermocht. Da
laß. Es fällt mir nicht ein, lieber Arthur Schnitz¬
der um Beatrices Traum Eifersüchtige, Marionetten
dann Ihre Gewalt: aus einem warmen, oft
ler, mich an Ihre Biographie zu versuchen, die Kurve
oder groteske Helden, die sich in irgend ein krauses
nie eitlen Verstehen aller Menschlichkeit sind
Ihrer künstlerischen Entwicklung zu zeichnen. Eher
Spiel oder unabwendbare Tragik verirrt haben,
reinen, von Schlacken freien Dichtungen entst
möchte ich schon Ihre Menschlichkeit in einem Spie¬
ihrer Jugendlichkeit oder Nachdenklichkeit, ihrem
gel erscheinen lassen, wenn nicht zum guten Ende je¬
Uebermut oder den Gesetzen ihres Blutes halb er¬
des solche quecksilberunterlegte Glas ein mechani¬
lebten, halb erträumten Abentuern gehorchend.
Es ist gewiß nicht wahr, was die Leute #
sches Instrument wäre, mehr oder weniger richtig,
Und ich weiß nichts, was so harmonisch wäre wie
über Arthur Schnitzler sagen und schreiben,
stets aber gleichgültig die Konturen gebend
Sie, der Dichter, und Ihr Schaffen. Nichts, was so
nämlich ein Schüler oder Kollege jener franze
und allzu oft getrübt, gestört, beschlagen durch den
zueinander stimmen wollte als Ihre Gestalten und
Literaten ist, deren Horizont nur die Refle
inneren Atem dessen, der den Spiegel hinhält, um
Ihre Zeit, deren Leid und deren Seligkeit, deren
Erotik auf die elegante Gesellschaft einschließt
ein Bild einzufangen. Nein, ich habe jetzt seit man¬
Spiel und deren Ernst, alles eben, was diese Frauen
daß der Kreis seiner Stoffe und seiner D
cher Woche immer und immer wieder daran gedacht,
und Männer, alle die Menschen Ihrer Werke auf
sphäre von jeher und auf immerdar eng sei
Ihr Geheiß leben mußten.
daß Sie jetzt fünfzig Jahre werden, und ich er¬
grenzt zwischen der Süßenmädelromantik un
innerte mich all der Freude, die Sie mir geschenkt
Wo ist der Dichter der neuen Generation, der seine
Lawn=eTunis=Philosophie Wiener Menschen.
und all der Wege zum warmen Verstehen der Men¬
Welt so verstanden und so zart und innig und zugleich
das eine ist gewiß, daß Schnitzler nicht zu de
schen und Menschlichkeiten, die mir mit Hilfe Ihres
leicht gefühlt hätte, wo der andere Künstler, der so
turen gehört, die sich Gestaltung von Persone
Wesens, Ihrer Werke*) eröffnet worden sind, und
Geschehnissen abzwingen, die ihnen innerlich
entfernt von Leichtsinn in jeder Beziehung wäre?
da hatte ich ganz zärtliche Gefühle für Sie und Ihr
Was die Schicksale anbelangt, die Sie Ihren Men¬
sind, nicht zu jenen mühsamen Poeten, die ##
Schaffen — ich schreibe dieses „und" (unkritische)
schen zugeteilt, und was die Künstlerschaft betrifft,
waltig nach Problemen suchen, von denen sie
nur mit dem stärksten Widerstreben auf; denn bei
mit der Sie alles durchleuchteten. Denn Sie haben
nicht berührt wurden. Entwicklung? Gewi
Ihnen, wenn bei irgend einem ist Mensch und Werk
und das gibt all Ihrem Schaffen seinen Rang und
ist diesem Dichter geschehen oder vielmehr,
doch eins, ein Verwobenes, innig Gebundenes, den
mit dem ganzen Einsatz seiner Künstlerschaft
seine nachhaltige Wirkung — kein Werk aus der
gleichen Quellen Entsprungenes und das gleiche
Hand gelassen, für das Sie nicht Ihr Möglichstes
sich vollbracht. Das „Märchen“ sein erstes
schöne Amt Vollziehendes. Keinerlei wehmütiger
„Sterben“ seine erste, wundervoll rührende N
getan hätten. In jedem Roman und in jeder Szene
Nebenton ist den Gedanken an Ihre früheren
haben Sie — heute will ich es so sagen dürfen —
und „Der junge Medardus“ sein Letztes, das
Bücher, die ich, ein Gymnasiast, las oder gar an Ihre
bis auf den letzten Rest Ihre edel sich zurückhal¬
des Wiener Knaben, der am Willen zur Helbe
letzten beigemischt, auch kein Bedauern, daß Sie
rein untergeht, sind die Ecksteine. Und wal
tende und wiederum nobel sich verschenkende Mensch¬
lichkeit versenkt, damit Ihre Natur dann in uns
schen den ersten und den letzten Werken an
nun „schon“ fünfzig sind. Ihre Kraft, der Schlag
auferstehe, keinen Schrei haben Sie vage im un¬
Ihres Blutes und die Schrift, der Rhythmus jeder
rem oder Kleinerem, Geglücktem oder Blasser
ist, sind nach dem Goethewort Lebensspul
einzelnen Ihrer Arbeiten ist ebenso reif, so voll wie
klaren Ungestüm verhallen lassen, und wenn eine
das eben nur bei den Antworten sein kann, die ein
Komödie, ein Prosastück von Ihnen ein Spiel der
für jenen also, dem nicht das Werk, sonder
Menschen, die da einander begegneten, gab, ein
Mann in diesen Jahren dichtend auf die Fragen
Wirken, nicht das Ziel, sondern die prachtvoll
Spiel mit der Kunst haben Sie nie vor uns, mit
wegung eines Strebenden die Hauptsache ist, mi
unserer Zeit und unserer Seelen gibt, und dabei
so heiter, jung und voller Versprechungen, — wie
Teureres als zufällig geglückte oder auch kle
uns getrieben. Ihr Werk zeigt ja nicht nur ein
kühles Verstehen der Dinge und Personen, sondern
sonnene, wirksame Theaterstücke, Romane,
das wohl gerade bei Ihnen sein muß, der Sie so oft
ratur“. Höchste Kunst — manche nennen's di
jenes Fühlen mit ihnen, das wiederum als Lächeln
Gefühle und Ahnungen, des Aelterwerdens und
oder Erschütterung tiefes Fühlen zu erwecken ver¬
Sterbens, die Beziehungen zur eigenen und frem¬
sches Genie — ist eben zum Letzten entwickelte
mag. Nein, weder in Ihren Dramen wird gewertet,
lent. Darum ist es nicht Armut, sondern Z
den Jugend zum Stoff Ihrer Dichtungen nehmen
geurteilt oder gar von den Menschen und ihren Er¬
schöner und ernster poctischer Arbeit, daß jen
mußten, weil Sie zum guten und schönen Ende
tive, die Schnitzler zum Formen der ersten
lebnissen geschwätzt. Selbst wenn Sie nur Sil¬
den Tod als eine Lebenserscheinung sehen und ge¬
drängten, auch die vollen Töne seiner letzten
houetten schneiden, Schatten wie den des Medardus
wiß nicht als die ärgste, weil Ihre Empfindung
bekannten Werke ergeben.
Klähr oder der wirren Figuren des grotesken „Ka¬
solchem Geschehen gegenüber und der Ausdruck, den
kadu“ an die Wand zu werfen schienen — Sie haben
Sie ihr finden, nie Sentimentalität war, sowie der
Man mag sie alle, die frühen und die späte
alle die Leute und ihre Bewegungen zueinander,
poetische Reflex des Lebens heiter getönt ist und
in Poesic und die in Prosa, Spiele des Leben
nicht satirisch oder gar höhnisch.
voneinander, durcheinander nicht nur gekannt, Ihr
ernstem Hintergrund nennen. Wenn er das
Herz hat sie umfaßt, Ihr Lebensgefühl sie umspült;
liebte Mädchen und den leichtsinnigen jungen
Es sind ja auch nicht nur gedruckte Bücher, ge¬
und ohne je die Geste des Belehrenden und Rich¬
in dem oder jenem Stück die Stunde fühlen
spielte Theaterstücke, die mir Ihre Werke bedeuten,
wo das Unabänderliche eben unabänderlich
tenden zu haben, ließen Sie uns in den Wegen
wenn ich dem und jenem nachdenke, was Sie mir
Ihrer Geschöpfe den Weg Ihrer eigenen Seele
kein liebes, kein süßes, auch kein noch so
gegeben haben, vom „Anatol“ und der „Liebelei“
Wort und keine anmutige Gebärde den Schlag
sehen. Und wir spürten all Ihre Wünsche, Hofs¬
bis zum „Weiten Land“, sondern wache Worte, durch
abwehren kann — das ist ein Thema Schni
nungen und auch Forderungen an jene, die mit
den Lauf der Tage und Jahrzehnte ungeschwächte
Und ein anderes, fast das andere: wenn jene
Ihnen kämpfen und denen Sie Sieg und Erfüllung
wünschen. Was soll man Harmonje nennen, wenn
schen die Einsamkeit zu spüren bekommen, d
Alles von Arthur Schnitzler ist bei S. Fischer
nicht diese Einheit und Innigkeit? Ob Sie nun
viel küßten und deshalb Menschen nicht festh
in Berlin erschienen, wo jetzt auch eine Gesamt¬
können, die allen Reichtum mit allen Sinnen
fürs „Freiwild“, den armen „Leutnant Gustl“, ge¬
ausgabe seiner Werke herauskommen soll.
——
1

Diese schönen begier und verschlingt es. (Kac 2 Flücklich