VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 92

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SethBirthday
Klose & Sei
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Zeitung: Frankfurter Zeitung
Ort:
Frankfurt a. M.
Datum:

—& [Wiener Brief.] Man schreibt uns vom 17. os. aus
Wien: Presse und Bühne haben Arthur Schnitzlers
50. Geburtstag nicht vorübergehen lassen, öhne den unange¬
ochtensten der Jung=Wiener Antoren festlich zu grüßen; er
elbst ist dem Tage geschmackvoll ausgewichen. In der Tat,
Jahre sind kein Alter, das schon zur abschließenden Rück¬
has Inlaß gäbe, noch weniger aber eines, dessen man sich
esondirs zu freuen hätte; man kommt in die „besten Jahre“,
ie nichtmehr die guten sind. Die Feuilletonisten haben denn
uuch nur die Gelegenheit benützt, ihr eigenes Urteil über
Schnitzler, wie man sagt, zu revidieren, was noch nicht gleich¬
bedeutend zu sein braucht mit korxigieren. Da ist denn
höchstens ein kleiner Irrtum berichtigt worden. Bei seinem
ersten Auftreten wurde Angtol nicht von der ästhetischen,
wohl aber von der moralischen Seite angefochten; man fand
seinen Lebenswandel, wie seine süßen Mädel vom Stand¬
punkt der bürgerlich guten Sitte aus anstößig. Unterdes hat
man allgemein eingesehen, daß der Dichter nicht für die
moralische Lebensführung seiner Gestalten verantwortlich ist,
so wenig wie der Naturforscher für den Charakter der Bestien,
die er schildert. Daß Schnitzler selbst ein sehr ernster, gar
nicht leichtsinniger, auch nicht mit dem Einschlag Wienerischer
Melancholie frivoler Mensch ist, weiß man seitdem allgemein.
Ein einziger Einwand gegen seine dichterische Welt ist
seiner
hat mit
er
aber unwiderlegt geblieben:
immerhin schmeichelhaften Schilderung einer ganz wert¬
das
losen, nichtigen Schicht unserer Großstadtjugend
öffentliche Interesse zugewandt in einer Zeit, da die Elite der
wirklichen Zeitgenossen von sozialem Fanatismus erglühte und
sich in Reih und Glied zu stellen suchte gegen die unge¬
brochenen Gewalten des alten und neuen Feudalismus, der
militaristisch=industriellen, wie der geistlich=kirchlichen Autori¬
tätsherrschaft. Was scherte die Welt die kleinen erotischen
Leiden der Wiener Cottagejünglinge und unverstandener Cot¬
agedamen? Schnitzler denkt übrigens kaum anders über den
Wert dieser Gesellschaft; nur ist er als Dichter objektiver und
duldsamer. Aber ich wünschte nun endlich — und das ist mein
Geburtstagswunsch für ihn —, daß er außer dem Lustspiel,
das zu schreiben er wie wenige berufen ist, uns auch den
Wiener Roman schenke, der noch immer nicht geschrieben
ist; nicht den Wienerischen, sondern den Wiener Roman, wie
Balzac uns den Pariser gegeben hat. Den Roman unserer
streberischen Politiker, unserer aalglatten Bureaukraten, un¬
serer exklusiven Aristokratie bis hinauf zu den höchsten Spitzen,
unserer Advokaten, Aerzte, Künstler, Literaten und aller dazu
gehörigen Damen. Die Typen dafür sind mit Händen zu grei¬
fen und auch diesen Basilisken kann man nur töten, wenn
man ihn in einen Spiegel schauen läßt. Der „Weg ins
Freie“ war schon ein Anfang, und Schnitzler ist
jetzt auf der Höhe seiner künstlerischen Kraft.1
3. siote aus Mistelbach
Zu unseren Bildern.
Arthur-Schnitzler.
der bekannte österreichische (Dichter vollendete
am 15. Mai sein 50 Lebensjahr. Schnitzler
ist ein geborener Wiener, der Sohn eines
berühmten Arztes. Er selbst studierte eben¬
falls Medizin und swar einige Jahre lang
praktischer Arzt. Aber schon im Jahre 1893
Szenen des „Anatol“=Zyklus bekannt. Es
folgte seine Erzählung „Sterben“ das Drama
„Liebelei“, das über alle deutschen Bühnen
gegangen ist, und eine Anzahl anderer er¬
zählender undd ramatischer Werke. Besonderes
Aufsehen erregte die Novelle „Leutnant
Gustl“, die dem Dichter sein Portepee als
Militärarzt der Reserve fostete. Seine neueren
Werke, so die Schauspiele „Der Ruf des
Lebens“ „Das weite Land, „Der junge
Medardus“, der Roman „Der Weg ins
Freie", sind Repertoirstücke des Hofburg¬
theaters in Wien.



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Artur Schnitzler,
berühmter österreichischer Dichter.
Zur Vollendung seines 50. Lebens¬
jahres.

(Guellenangabe chee Gewans.
Neue Freie Presse, Wien
Ausschnitt aus:
3
1.9311
Aus Berlin wird uns gemeldet: Anure Aulie
[Wers 50. Geburkstag wurde am 15.d., wie berents berichtet,
von zwei Berliner Theatern gefeiert. Im Neuen Volkstheater
wurden „Liebelei" und der Einakter „Literatur", im Char¬
lottenburger Schiller=Theater die drei Einakter „Paracelsus“
„Die Gefährtin" und „Der grüne Kakadu“ aufgeführt. In
beiden Theatern hatte sich ein zahlreiches Publikum ver¬
sammelt, das seinen Sympathien für den Wiener Dichter zuub

seine Werke durch lebhaften Beifall Ausdruck gab..
Ten Rase Wuut uiac..