VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 130

Manfeignsahrigen.
Ein Zufall? Gewiß! Kein belangvoller oder irgendwie für
unsere Literatur und ihre weitere Entwicktung wichtiger. Wir
feiern ja nicht Gerhart Hauptmann, der uns schen so Großes
geschenkt hat und von dem wir noch alles Erdentliche erwarten
wollen, weil zufällig auch Skowronnek in diesem Jahre fünfzig
seines Lebens hinter sich gebracht hat. Jeder Einzdne möge für
sich und von allen Seiten betrachtet sein, bedankt für das Ver¬
gangene, hoffend gemahnt für das Zukünftige. Hier sollen sie alle
beisammen stehen, die ein artiger Einfall der Naur in einem
Jahre zur Welt gebracht, sollen geordnet werden, wie sie nach
ihrer literarischen Herkunft und ihren Leistungen eia zusammen¬
gehören und wir wollen uns freuen, daß wir sie iuser nennen.
Nicht jedem als besondere Erscheinung und nich jedem ihrer
Werke gelten diese Zeilen — das mögen und zerden andere
besorgen — aber auch darüber, wie sich sogar in einem Zufall
etwas Gesetzmäßiges und Schicksalhaftes spiegelt, wie aus ge¬
trennten Keimen Bäume emporwachsen, deren Kezen sich über¬
decken und verknüpfen, wird einiges zu sagen in. Diel¬
haben ja dieselbe Zeit an sich verspürt, sind mt all den Dr“
eignissen, Leistungen und Erschütterungen dieser Zeit groß und
bejahrt geworden und haben irgendwie auf diese Jille von Fragen
geantwortet und sich damit abgefunden.
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Und dann ist wichtig — weil sie ja Dichter sind — daß sie
als Männer die große Revolution der deutschen Literatur um
1890 miterlebt haben und darin verstrickt waren.
Man hat nicht mit Unrecht gefragt, warum wir Jüngere =
und nur wir haben ja einen besonderen Grund, der Fünfzig¬
jährigen zu gedenken — diese schon so ernsthaft und würdevoll
feiern, eine Bilanz ihres Lebens ziehen, gewissermaßen einen
Rechnungsabschluß ihrer bisherigen Leistungen und Persönlichkeit.
Fünfzig Jahre seien ja nichts, das Leben gehe eben weiter und
wer mit achtzig sterben kann, braucht ja nicht mit fünfzig begraben
zu werden. Und dann hat man gesagt, daß die vorige Generation
ihre großen Männer erst mit siebzig feierte und daß diese es sich
auch dann noch verbeten hätten.
Ja, in diesen 25 Jahren, seit dem Heranwachsen der letzten
Generation, ist die Menschheit recht alt geworden. Nicht in ihren
Jahren, die lassen sich nachzählen, aber in ihrem Gefühl. Denn
wir haben seitdem unbegreiflich und traurig schnell leben gelernt.
Das haben der Rausch und das Fieber gemacht, in die uns die
Umwälzung der Technik hineingerissen. Das hat der ungeheuere
Verbrauch geistiger und seelischer Energien gemacht, der mit den
körperlichen gleichen Schritt halten wollte. Und das hat unseres
Lebens Bedingungen und seine Art menschlich, künstlerisch und
gesellschaftlich bis auf den Grund gewandelt. In 25 Jahren erlebt
heute einer, was sein glücklicherer Vorfahre kaum in hundert
konnte. Und heute erst ist das Goethe=Wort wahr, daß unsere
Zeit nichts reif werden läßt, daß man im nächsten Augenblicke
den vorhergehenden verspeist. Wer zumal im Wirbel der Großstadt
aufwächst und lebt, muß diese Erfahrung täglich machen. Die
Früheren hatten Zeit, ihre großen Männer siebzig Jahre alt
werden zu lassen und sie dann mit einer schönen Biedermeier¬
herzlichkeit zu feiern. Wir müssen uns damit beeilen, der anderen
wegen und um unseretwillen. Und vielleicht haben wir sogar
Furcht, daß einer mit fünfzig Jahren schon sein Bestes gegeben
haben könnte. Edle, die sich früh verzehrten, sind in diesem Alter
gestorben und wirklich begraben worden, so Gustav Mahler und
Josef Kainz.
Aber was wollen diese traurigen Erwägungen in diesem
Jahre der Freude, das uns beinahe ein Dutend unserer
Schafsenden auf der Mittagshöhe ihres Lebens finden läßt und
sie dort rüstig, schaffensfroh, zu Neuem gerüstet und auf siegreiches
Altes zurückblickend zeigt. Was wollen diese Mahnungen der
Vergänglichkeit bei diesen Männern, die ihre großen Erfolge
hatten, haben und haben werden, die Ruhm und Geld eingeheimst
haben und die trotz mancher Enttäuschungen und Bitternisse doch
den guten, erfreulichen Wandel einer Zeit miterlebten, die ihre
Künstler nicht mehr oder nicht mehr so wie ehedem darben läßt.
Und das wollen schließlich diese Sentimentalitäten gerade in
diesen fröhlichen Tagen, da wir den Dichter und Menschen