VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 138

5oth Birthdag box 39/1
(Geslienangnbo ehme Sewän.
Zusschnitt aus:
Wiener Mittags-Zeitung
IAMALLSTZ

(Schhte Feier des „Merker“.) Im
weiten schönen Raum des Beethoven=Saales hat die Redaktion
des Merker“ gestern Schnitzlers fünfzigsten Geburtstag ge¬
feiert. Mit einer Akademie, die ein wenig bunt im Zusammen¬
klang, aber von viel Herzlichkeit war, in die sich Veranstalter
mie Publikum teilten. Als Conferencier erschien Felix Salten.
Er gab in sicheren, ruhig überlegenen Worten eine Parallele
von einst und heut. Mit einem etwas ironischen Humor, einer
leichten Ranküne gegen das Publikum, wenigstens den Begriff
des Publikums, als natürlichen Gegner des Künstlers,
erzählt er „von der Kampfzeit „Jung=Wiens“, dem
langsamen—und hartnäckigen Prozeß, in dem
sich
Schnitzkers Dichtung zum Ruhm durchringen mußte, in
einer Zeit, da der Radikalismus der literarischen Jugend auf
selsenfeste Verbissenheit klischierter Kunstverkennung stieß,
Mm jeden Schritt Bodens fechten mußte. In einer amüsanten
und doch sehr taktvollen Analyse Schnitzlerscher Kunst ging er
ihrer zarten und gütigen Erotik, dem Typischen ihrer Ge¬
staltung, der feinen und tief tragischen Paradoxie ihrer motivi¬
sehen Verschränkungen, der vielfältigen Tiefgründigkeit ihrer
Psychologie, ihrer seelischen Erzieherleistung nach. Schnitzlers
Kunst, die Spiegelung des galanten Wien, habe Wiens und
der Wiener Liebesgefühl geadelt und ihr umspan¬
nender Kreis hat Alt und Jung genähert. Väter
und Söhne neigen sich heute vor Schnitzler. Um
ihn
gibt es keinen Generationenkampf. Frau Galafrés¬
Hubermann, Fräulein Marberg und Herr Korff,
ein schöner Dreiklang von soignierter Eleganz und klater
Ruhe der Diktion, lasen dann Novellen des Dichters, dig
Mystik der „Dreifachen Warnung“, die skurrile Tragikomit
des „Ehrentags“, den exzentrischen Humor einer tollen
Variétéerzählung. Akkorde von schwerer, doch klarer Wucht, an
hell geläutertem Schmerz, tiefer und weiter Symbolik. Imz
Saal war Jugend und wieder Jugend, und ihr Jubel grüßten
die Kunst des Fünfzigjährigen, gleich einer Schwester, einem
gleich jugendlichen Wunder.
Smmnenensmas
Aussehnitt aus: Neues Wiener Abendblatt
Wien
14. Mal. 1912
vom 2.
Seäter und Kunst.

X
0
Schnitzlerfeier.
Zum fünfzigsten Geburtstag Artux Scaill
veranstaltete der „Merker“ gestern im großen Beethdven¬
saal eine Feier, der ein so zahlreiches Publiium, ins¬
besondere von Frauen und Mädchen, beiwohnte und die
einen so schönen Verlauf nahm, daß man in der Tat ein
lebendiges Gefühl von der Popularität des Schöpfers von
Anatol und Christina Weiring, vom jungen Medardus
und „Georg Wergenthin erhielt. Dieser Dichter, mit seiner
spezifisch wienerischen Mischung von Heiterkeit und
Schwermut, von satirischem Witz und Weltschmerz, hat
sich wirklich die Herzen erobert; die Gestalten seiner
Phantasie sind Gemeingut des neuen Geschlechtes von
Wienern und Wienerinnen geworden; diese verstehen jedes
Wort seiner Dichtungen und kommen schon auf halbem
Wege demjenigen entgegen, der es interpretiert.
Das mußte auch Felix Salten fühlen, der die
durchflochtenen Conference über Artur Schnitzler er¬
öffnete. Salten war mit Schnitzler schon zu einer Zeit
freundschaftlich verbunden, wo die neue literarische
Generation einem großen Widerstande begegnete, noch mehr
beim großen Publikum als bei der literarischen Kritik.
Es sind kaum zwanzig Jahre her, daß die Anatolszenen
zuerst erschienen sind, die jetzt einzeln oder zusammen fast
keiner deutschen Bühne fehlen. Erst siebzehn Jahre sind
es her, daß die „Liebelei“ die einen neuen Mädchentypus#
in die deutsche Poesie brachte, „Das süße Mädel“, dessen
Variationen uns nun schon fast zum Ueberdruß
gegnen, zuerst gespielt wurde. Wie hat sich seitdem di
Zeit verändert! Man kommt, sagte Salten ungefähr
über die Verwunderung ob der Feindseligkeit der ältere
Generation gegen diese neue Poesie gar nicht heraus. Zwa
haben verständnisvolle Männer, wie Friedrich Uhl, auch
nicht so ganz ohne Vorbehalt der neuen, manche Schleie
der Konvention zerreißenden Erotik zugestimmt; aber Uh
sagte doch: „Ich kann mir nicht helsen. er schreibt prachts¬
voll!“ Das war zur selben Zeit, wo die höheren Töchter
noch für die „Aegyptische Königstochter“ schwärmten
und gute Männer, die berufsmäßig Wohltätigkeit zu übe
pflegten, „Hanneles Himmelfahrt“ von Georg Haupt
mann für ein — pornographisches Werk erklärten! Da
meinte Salten, war allerdings eine Verständigung der
Generationen kaum möglich und die neue Poesie mußt
sich ihr Publikum erst erziehen. Kunst und Moral werden
in jedem Zeitalter solche Kämpfe miteinander auszu¬
fechten haben, führte Salten weiter aus, und zeigte, wie
erziehend gerade auch diese dem älteren Geschlechte oft
so gefahrvoll erschienenen Liebesdichtungen Schnitzlers auf
das Gemüt wirken. Entscheidend für das ganze Seelen¬
leben sowohl des Mannes wie des Weibes ist es, in welcher
Weise sie zum erstenmal die Liebe kennen gelernt haben.
Der tiefe Humanismus, die Wärme und Güte Schnitzlers,
sein großes Mitleid mit den Schwachen, der Mut seiner
Kritik an den Starken und Mächtigen — sie sind die
Quellen seiner Dichtung. Dazu kommt noch ihre spezifisch
wienerische Note. Salten zog hier Vergleiche mit dem
Charalter der Londoner und Berliner Natur und Poesie,
wies auf die Schönheit und Bedeutung der „Patina“ an
der Kultur Wiens und wies auf Schnitzlers Verwandt¬
schaft mit dem Pariser Henri Murger hin. Nur in den
einen Punkte muß man die Darstellung Saltens ergänzen
da er behauptete, daß Schnitzler der allererste geweser
wäre, der die spezifisch wienerische Note in die Poesi¬
gebracht hätte. Er vergaß offenbar, daß Grillparzer
im „Armen Spielmann“, die noch heute nicht übertroffene
erste Wiener Novelle, geschrieben hat, und daß Adalber!
Stifter, Ferdinand v. Saar, Marie Ebner ihm hier
Gefolgschaft leisteten und neue Töne anschlugen: Im
übrigen hielt sich Salten bei aller Wärme für den ge¬
feierten Dichter mit gutem Geschmack von Ueberschwäng¬
lichkeiten fern und sprach auch von den äußerlich günstigen
Umständen, welche die Wirkung Schnitzlers ins Breite
förderten. Schon das aber, so schloß Salten, sei ein Vor¬
teil, daß sich heute die zwei literarischen Generationen nicht
mehr so unversöhnlich wie vor zwanzig Jahren gegenüber¬
stehen. Die weitere Entwicklung des nun erst auf die Höhe