5othBirthdag box 39/1
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsäusechnitte.
Berlin NO. 43, Seorgenkirchplatz 21:
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierteste Burcau Deutschlands.)
Zeitung:
Ort: —
Datum:
Theater und Kunst.
Schnitzlerfeler.
Zum fünfzigsten Geburtstag Artur Schnitzlers
veranstaltete det „Merker“ gestern im großen Beethoven¬
saal eine Fiet, der ein so zahlreiches Publikum, ins¬
besondere #on Frauen und Mädchen, beitoohnte und die
einen so schönen Verlauf nahm, daß man in der Tat ein
lebendiges Wefühl von der Popularität des Schöpfers von
Anatol und Christina Weiring, vom jungen Medardus
und Georg Wergenthin erhielt. Dieser Dichter, mit seiner
spezifisch wienerischen Mischung von Heiterkeit und
Schwermut, von satirischem Witz und Weltschmerz, hat
sich wirklich die Herzen erobert; die Gestalten seiner
Phantasie sind Gemeingut des neuen Geschlechtes von
Wienern und Wienerinnen geworden; diese verstehen jedes
Wort seiner Dichtungen und kommen schon auf halbem
Wege demjenigen entgegen, der es interpretiert.
Das mußte auch Felix Salten fühlen, der die
Feier mit einer von allerlei munteren Seitenhieben pikant
durchflochtenen Conference über Artur Schnitzler er¬
öffnete. Salten war mit Schnitzler schon zu einer Zeit
freundschaftlich verbunden, wo die neue literarische
Generation einem großen Widerstande begegnete, noch mehr
beim großen Publikum als bei der literarischen Kritik.
Es sind kaum zwanzig Jahre her, daß die Anatolszenen:
zuerst erschienen sind, die jetzt einzeln oder zusammen fast
keiner deutschen Bühne fehlen. Erst siebzehn Jahre sind
es her, daß die „Liebelei“ die einen neuen Mädchentypus
in die deutsche Poesie brachte, „Das süße Mädel“, dessen
Variationen uns nun schon fast zum Ueberdruß be¬
gegnen, zuerst gespielt wurde. Wie hat sich seitdem die
Zeit verändert! Man kommt, sagte Salten ungefähr,
über die Verwunderung ob der Feindseligkeit der älteren
Generation gegen diese neue Poesie gar nicht heraus. Zwar
haben verständnisvolle Männer, wie Friedrich Uhl, auch
nicht so ganz ohne Vorbehalt der neuen, manche Schleier“
der Konvention zerreißenden Erotik zugestimmt; aber Uhl #
sagte doch: „Ich kann mir nicht helfen. er schreibt pracht¬
voll!“ Das war zur selben Zeit, wo die höheren Töchter
noch für die „Aegyptische Königstochter“ schwärmten,
und gute Männer, die berufsmäßig Wohltätigkeit zu üben
pflegten, „Hanneles Himmelfahrt“ von Georg Haupt¬
mann für ein — pornographisches Werk erklärten! Da,
meinte Salten, war allerdings eine Verständigung der
Generationen kaum möglich und die neue Poesie mußte
sich ihr Publikum erst erziehen. Kunst und Moral werden
in jedem Zeitalter solche Kämpfe miteinander auszu¬
fechten haben, führte Salten weiter aus, und zeigte, wie
erziehend gerade auch diese dem älteren Geschlechte oft
so gefahrvoll erschienenen Liebesdichtungen Schnitzlers auf
das Gemüt wirken. Entscheidend für das ganze Seelen¬
leben sowohl des Mannes wie des Weibes ist es, in welcher
Weise sie zum erstenmal die Liebe kennen gelernt haben.
Der tiefe Humanismus, die Wärme und Güte Schnitzlers,
sein großes Mitleid mit den Schwachen, der Mut seiner
Kritik an den Starken und Mächtigen — sie sind die
Quellen seiner Dichtung. Dazu kommt noch ihre spezifisch
wienerische Note. Salten zog hier Vergleiche mit dem
Charakter der Londoner und Berliner Natur und Poesie,
wies auf die Schönheit und Bedeutung der „Patina“ an
der Kultur Wiens und wies auf Schnitzlers Verwandt¬
Gast mit de# Manser Gen#i Aura#r hin Pur in hein
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungsäusechnitte.
Berlin NO. 43, Seorgenkirchplatz 21:
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierteste Burcau Deutschlands.)
Zeitung:
Ort: —
Datum:
Theater und Kunst.
Schnitzlerfeler.
Zum fünfzigsten Geburtstag Artur Schnitzlers
veranstaltete det „Merker“ gestern im großen Beethoven¬
saal eine Fiet, der ein so zahlreiches Publikum, ins¬
besondere #on Frauen und Mädchen, beitoohnte und die
einen so schönen Verlauf nahm, daß man in der Tat ein
lebendiges Wefühl von der Popularität des Schöpfers von
Anatol und Christina Weiring, vom jungen Medardus
und Georg Wergenthin erhielt. Dieser Dichter, mit seiner
spezifisch wienerischen Mischung von Heiterkeit und
Schwermut, von satirischem Witz und Weltschmerz, hat
sich wirklich die Herzen erobert; die Gestalten seiner
Phantasie sind Gemeingut des neuen Geschlechtes von
Wienern und Wienerinnen geworden; diese verstehen jedes
Wort seiner Dichtungen und kommen schon auf halbem
Wege demjenigen entgegen, der es interpretiert.
Das mußte auch Felix Salten fühlen, der die
Feier mit einer von allerlei munteren Seitenhieben pikant
durchflochtenen Conference über Artur Schnitzler er¬
öffnete. Salten war mit Schnitzler schon zu einer Zeit
freundschaftlich verbunden, wo die neue literarische
Generation einem großen Widerstande begegnete, noch mehr
beim großen Publikum als bei der literarischen Kritik.
Es sind kaum zwanzig Jahre her, daß die Anatolszenen:
zuerst erschienen sind, die jetzt einzeln oder zusammen fast
keiner deutschen Bühne fehlen. Erst siebzehn Jahre sind
es her, daß die „Liebelei“ die einen neuen Mädchentypus
in die deutsche Poesie brachte, „Das süße Mädel“, dessen
Variationen uns nun schon fast zum Ueberdruß be¬
gegnen, zuerst gespielt wurde. Wie hat sich seitdem die
Zeit verändert! Man kommt, sagte Salten ungefähr,
über die Verwunderung ob der Feindseligkeit der älteren
Generation gegen diese neue Poesie gar nicht heraus. Zwar
haben verständnisvolle Männer, wie Friedrich Uhl, auch
nicht so ganz ohne Vorbehalt der neuen, manche Schleier“
der Konvention zerreißenden Erotik zugestimmt; aber Uhl #
sagte doch: „Ich kann mir nicht helfen. er schreibt pracht¬
voll!“ Das war zur selben Zeit, wo die höheren Töchter
noch für die „Aegyptische Königstochter“ schwärmten,
und gute Männer, die berufsmäßig Wohltätigkeit zu üben
pflegten, „Hanneles Himmelfahrt“ von Georg Haupt¬
mann für ein — pornographisches Werk erklärten! Da,
meinte Salten, war allerdings eine Verständigung der
Generationen kaum möglich und die neue Poesie mußte
sich ihr Publikum erst erziehen. Kunst und Moral werden
in jedem Zeitalter solche Kämpfe miteinander auszu¬
fechten haben, führte Salten weiter aus, und zeigte, wie
erziehend gerade auch diese dem älteren Geschlechte oft
so gefahrvoll erschienenen Liebesdichtungen Schnitzlers auf
das Gemüt wirken. Entscheidend für das ganze Seelen¬
leben sowohl des Mannes wie des Weibes ist es, in welcher
Weise sie zum erstenmal die Liebe kennen gelernt haben.
Der tiefe Humanismus, die Wärme und Güte Schnitzlers,
sein großes Mitleid mit den Schwachen, der Mut seiner
Kritik an den Starken und Mächtigen — sie sind die
Quellen seiner Dichtung. Dazu kommt noch ihre spezifisch
wienerische Note. Salten zog hier Vergleiche mit dem
Charakter der Londoner und Berliner Natur und Poesie,
wies auf die Schönheit und Bedeutung der „Patina“ an
der Kultur Wiens und wies auf Schnitzlers Verwandt¬
Gast mit de# Manser Gen#i Aura#r hin Pur in hein