VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 185


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1. 50th Birthdav
212 SSSSSSS Weltrundschau. S SSSBBS
rung und der durch sie bedingten, abgedämpfteren
Lebensäußerungen zum letzten Menschlichen, zum
Allgemein=Gültigen, zum weiten, klarschimmernden
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Spiegel der Irdischkeit gewendet ist. Seine Men¬


schen hat Arthur Schnitzler schon immer von der
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höchsten Zinne Wiens, von der höchsten Zinne wiene¬

rischer Kultur geschildert, zu der er mit dem
strahlenden Reichtum seiner Persönlichkeit geschritten
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.—
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kam. Nur daß sein Horizont dabei zugleich über
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S
hat seine Bedeutung rasch der
Europa hinging,

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Karl Fr. Nowal.
Größe genähert.
Kunst.


Die Futuristen in Berlin.
Ein Flugblatt! Ein revolutionäres Manifest! Die

Berliner Droschkenkutscher, Dienstmädchen, Bolle¬

jungen und dergleichen Volk, das sich auf die Zettel¬
verteiler zu stürzen pflegt, scheinen nicht recht zu
wissen, was sie von Sätzen wie diesen zu halten
haben: „Wir wollen“, heißt es da, „den Krieg
Der Boulevard. Gemälde von Severini.
preisen = diese einzige Hygiene der Welt —, den
Militarismus, den Patriotismus, die zerstörende

Geste der Anarchisten, die schönen Gedanken, die
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töten, und die Verachtung des Weibes. Wir wollen




die Museen, die Bibliotheken zerstören, den Moralis¬

mus bekämpfen, den Feminismus und alle opportu¬

nistischen und Nützlichkeit bezweckenden Feigheiten ...
Die aggressive Bewegung, die fiebrige Schlaflosig¬
keit, den gymnastischen Schritt, den gefahrvollen
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Sprung, die Ohrfeige und den Faustschlag wollen
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wir preisen.“ Schaurig, schaurig. Sind die Pariser
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Automobilapachen, russische Nihilisten, Bombenwer¬
AA
fer oder dergleichen Volk über die Berliner gekom¬


men? Plant der Nie Carter eine Invasion? Keine
Aufregung, lieben Freunde, es sind alles Knall¬
bonbons, und die fünf italienischen Maler —
„Futuristen“ nennen sie sich —, die mit so blut¬
triefenden Worten um sich werfen, sind ganz harm¬
lose Bürschchen. Sie räckeln sich wie die Caschaus¬
zigenner, die sie nach Berlin importiert haben, in
den westlichen Cafés herum, trinken statt Tyran¬
neublut ihre Schale Haut, tragen nicht einmal
staatsgefährlich lange Haare, und wenn sie etwas
vertilgen, dann sind's weder Minister, noch Ge¬
Die Bewegung des Mondes. Gemälde von Carra.
heimräte, noch andere friedliebende Bürger, son¬
dern Makkaroni, Salami oder Jialienischer Salat.
Sie wollen gern für verrückt oder pathologisch an¬
gesehen werden. Ach, es tut mir leid, ihnen diesen
Gefallen nicht antun zu können. Der Futurismus,
den sie auf ihren Bildern betätigen, ist eine gar
zu hausbackene Narretei. Eine Gleichzeitigkeit der
Seelenzustände soll dargestellt sein. Sie malen
das, was der Betrachter sieht, und gleichzeitig das,
an was er sich erinnert. Dieser Betrachter, der
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außerhalb des Bildes steht, soll nach dem Manifest
außerdem noch im Mittelpunkt des Bildes leben.
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Also ein logischer Cancan, der aus dem Menschen
einen Apparat machen möchte, der bei sich und
gleichzeitig außer sich wäre, der in einem Moment
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sowohl den Zuschauer wie den Akteur abgäbe.

„Unsere Körper“, so wird uns diese auf den Kopf
gestellte Erkenntnistheorie klarzumachen versucht,
B
„dringen ein in das Sofa, auf dem wir sitzen,
und das Sofa in uns. Der Autobus stürzt sich
)
auf die Häuser, an denen er vorübereilt, und die
Häuser auf den Autobus und verschmelzen mit
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ihm ... Nachdem wir zum Beispiel auf einem
Aus der Ausstellung der Futuristen in Berlin: Der Reiter. Glasbild von Wassili
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Bilde die rechte Schulter und das rechte Ohr eines
Kandinsky. Phet. Beedecker.
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