VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 184


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Thwader unmittelbar vor der Ausfahrt zur Maireise 1912. Phet. Artur Neuard, Kiel.
Augenblick des Nahens doch solch ein Grauen bringt, daß sie
Gewalt antut, daß er sie niemals konstruiert, um Menschen¬
entsetzt um des Nichtsterbenmüssens die Liebe verrät, wie sie
bildnisse zu zeigen, daß er vielmehr an allen Wegen lauschend,
eine Weile später um des Nichtsterbenmüssens dem Herzog auch
ein stiller Horcher ohne Literaturabsichten, steht, alle Spazier¬
wieder den Schleier heimholt, den sie, die Herzogsbraut, in
gänger sieht und ihre Gesichter erhascht, wie sie gerade an den
der Hochzeitsnacht noch besudeln wollte ... Und hinter den
Wegwendungen sich zeigten. Seine Novelletten erfinden nie
Basteien von Alt=Wien, im letzten Gefängnis, weiß und be¬
absonderliche Fälle, die überraschen sollen, auch die originell
greift es „Der junge Medardus“, daß auch das schwere Sterben
geschaffene Situation an sich ist gleichgültig. Selbst in seinen
noch eine Reinigung, eine späte, notwendige, alles verwischende
Kleinigkeiten, ganz abgesehen von der schlichten, effektfremden
Abwehr des Unerträglichen, des durch Schickung, Zufälle,
Komposition seiner Romane, besteht der Triumph des Seelischen
Wesensart Erdrückenden sein kann. Mystik und Auflösungs¬
über Technik und Handlung, seine immer tief ins Innerliche,
erscheinung, Tragik, Grauen, Sorgenlösertum und versöhnende
dem Kern aller menschlichen Regung zugewandte Art, die in
Symbolkraft: auch dem Tod hat Schnitzler hinter jegliche
seinen Dramen mitunter seine Schritte so lantlos zu machen,
Maske geblickt ...
die Technik fast zu hemmen, seine allzu nachdenkliche Dichter¬
Und man müßte freilich noch von vielerlei an Schnitzlers
schaft manchmal ins Ungewisse, ins Ungebändigte zu rücken
Erscheinung, an edlem, vielfältigem Können sprechen. Von
scheint ...
seiner Macht, verschollene Zeiten erwachen zu lassen, historische
Den Zwischenspielen blickt Arthur Schnitzler mit einer
Epochen mit blitzenden Wettern so jäh und grell zu überleuchten,
Melancholie des Lächelns, voll versöhnlichen Verstehens als ein
daß Menschen, Geschehnisse, romantische Fügung vor uns be¬
überlegener Betrachter, Ergründer und Verzeiher zu. Sein
zwingend lebendig werden, unangeweht von allem Historien¬
Lied gilt dem Leben, das auf all seine Helden, auf uns alle
staub ... Von seinem sprühenden, zündenden Witz, der statt
irgendwann wartet, ruft und ruft und an wunderlichen Trähten,
umständlicher Umschreibungen ein Charakterisierungsmittel voll
an Leidenschaften, Schwächen, Zufällen durch Wirrnisse und
knappster Treffsicherheit wird: Im „Grünen Kakadu“ taucht er
Dickicht führt ... Sein Lied gilt auch dem letzten aller Spiele,
die ganze Vorgewitterzeit der französischen Revolution in ein
des Lebens Widerspiel, dem Tod, dessen Allegorie er mehr als
blutendes, unheimliches, drohendes Flammenrot ... Von seiner
den einen Band „Sterben“ geweiht ... Vielleicht hat ihm,
Herrschaft über dämmerige, verhaltene, schwermütige Stim¬
der ja ein Arzt ist, die Wissenschaft die äußeren Varianten
mungen . .. über den Techniker der Massen müßte man
geschenkt: die verlöschende Seele, die Ausklangstragödie, noch
reden, wie er vielleicht am stärksten, am sichersten, am spielend¬
im Verflackern eng und bang dem Leben verflochten, den
sten heute unter allen deutschen Dichtern Gruppen bewegt ...
schweren, schweren Tod und doch seine Milde, offenbart nur
Im „Grünen Kakadn“ hat er solch ein grandios bewegtes
der Dichter. Er führt ins Krankenzimmer eines Verbitterten,
Tableau geschaffen, der nächtlich entfesselte Lärm im „Schleier
dem noch die Sterbestunde zu einer einzigen, genugtuenden und
der Veatrice“ hat solch große, farbig=malerische Bewegung, und
wahrhaft „lebendigen Stunde“ wird, da er, der immer Ge¬
in der neuen dramatischen Historiette „Der junge Medardus“
liebte, der immer Erfolgverlassene, dem ihn besuchenden Glücks¬
(Verlag S. Fischer, Berlin, wo alle Schnitzlerschen Dichtungen
kind, dem Hohlen und Glatten, der den Erfolg, den Tages¬
erschienen) zieht durch die Gruppen der von den Franzosen 1809
ruhm, den Reichtum leichter zwang, die schonungslose, lang
belagerten Stadt die ganze schonungslos belauschte Volksseeie
verhaltene Wahrheit ins Gesicht schleudern darf ... Im leeren
Wiens .. Fast immer und überall hat Schnitzler nur Wiener
Festsaal des Filippo Loschis, des Vologneser Dichters, worin
Menschen gezeichnet. Aber unschwer wäre an all den Wienern
der „Schleier der Beatrice“ als ein Zeuge der Untreue ver¬
und Wienerinnen die Entdeckung, wie stark ihr Wesen trotz aller
gessen ward, spielt die junge, schöne Beatrice Nordi vor dem
begehrten Poeten mit der Liebe, mit dem Sterben, das ihr im Heimatsweichheit, Heimatssonderart, trotz aller Kulturverfeine¬

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