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Dr. Blochs Wochenschrift
wäre. Die Juden wollen in voller Gleichheit mit den
schlagfertig zu erhalten und mit den hiezu erforderlichen
anderen Bürgern dieses Staates bei den Wahlen in die
Mitteln nicht zu kargen. (Lebhafter, anhaltender Beifall.)
öffentlichen Vertretungskörper mitwirken und sich nicht
Im Namen der Revisoren erstattet Herr Josef
in eine eigene Kurie hineinpferchen lassen, welche ihnen
Fuchs den Kassabericht.
einen unsichtbaren gelben Fleck anheften würde. Es sei
Der Präsident eröffnet die Diskussion und erteilt
aber auch nicht möglich, in der Bukowina eine jüdische
zunächst Herrn Lucian Brunner das Wort. Herr
Kurie zu errichten und in Wien, Böhmen, Mähren und
Brunner gibt dem Befremden darüber Ausdruck, daß
den Alpenländern eine solche zu vermeiden. Daß aber die
die „Oesterreichisch=Israelitische Union“ sich in der letzten
jüdische Kurie für die innerösterreichischen Länder ein Ding
Zeit auffallend von allgemeinen politischen Angelegen¬
der Unmöglichkeit sei und die Juden in eine ganz unhalt¬
heiten zurückgezogen habe. Sie habe jetzt unmittelbar vor
bare — sowohl politisch als wirtschaftlich und sozial —
den Gemeinderatswahlen keine Versammlung abgehalten
Lage brächte, bedarf keiner besonderen Begründung, nach¬
und sie kümmere sich anscheinend auch nicht um die Kultus¬
dem Herr Brunner eine eigene jüdische Wahlkurie selbst
wahlen. Redner führt einzelne politische Momente, insbe¬
für unpraktisch erklärt habe. (Lebhafter Beifall.)
sondere die Stellungnahme zu dem Verlangen der Buko¬
Es sprechen hierauf die Herren Beer und Rotten¬
winaer Judenschaft um Gewährung eines jüd. Katasters
berg, worauf die Debatte geschlossen wird. Die Ver¬
an, bei denen der Vorstand der „Union“ selbständig vorge¬
sammlung erteilt zum Schlusse dem Vorstande das Abso¬
gangen sei, ohne die Meinung der Mitgliederversamm¬
lutorium und spricht den Revisoren den Dank aus. In
lung eingeholt zu haben. Ein jüdischer Kataster in der
den Vorstand werden per acclamationem einstimmig die
er selbst
Bukowina mag praktisch sein oder nicht
Herren Dr. Jakob Ornstein, Gemeinderat Stadtbau¬
so müsse doch
halte einen solchen für nicht praktisch
meister Edmund Melcher und Isidor Samuely wie¬
den Mitgliedern Gelegenheit geboten werden, zu einer
der= und Herr Dr. Arthur Mahler neugewählt. Zu
solch wichtigen Angelegenheit Stellung zu nehmen. Redner
Revisoren wurden die Herren Ig. Simon und Kultus¬
spricht den Wunsch nach einer regeren politischen Tätigkeit
vorsteher S. Brod bestellt.
und nach häufigerer Abhaltung von Versammlungen aus.
Nach Schluß der Generalversammlung hielt Herr Dr.
Präsident Dr. Samuely erwidert dem Vorredner,
J. S. Bloch einen überaus interessanten, mit geoßem
daß die Zeiten auch für die Judenschaft andere geworden
Beifalle aufgenommenen Vortrag unter dem Titel:
seien und daß sich namentlich in Wien mehrere einander
„Reiseeindrücke aus Amerika“, welcher in der „Oester¬
sehr heftig bekämpfende Parteien unter den Juden gebilde!
reichischen Wochenschrift“ bereits publiziert wurde.
hätten. Gerade in jüngster Zeit sei es anläßlich eines
0 00- GIN
Vortrages rein wissenschaftlicher Natur zu lärmenden
Szenen sogar auf offener Straße gekommen, und die dies¬
bezügliche Versammlung sei in sehr bedauerlicher Weise
Arthur Schnitzler.
gestört worden. Sofort wurden diese Szenen von den
(Geboren am 15. Mai 1862.)
antisemitischen Gegnern ausgenützt und in der christlich¬
Fünfzig Jahre! Fast wehmütig will es uns berühren,
sozialen Wahlagitation spiele nun die Verleumdung, daß
daß der jugendliche Dichter der Wiener Jugend, dessen ersten
bei jener Versammlung die christliche Bevölkerung be¬
Mißerfolg wir miterlebt und dessen ersten Triumph wir mit¬
schimpft worden sei, eine große Rolle. Gerade im Hinblick
gefeiert, nun die Höhe des Lebens überschreitet, um einen
auf die bevorstehenden Gemeinderatswahlen und zur Ver¬
hoffentlich langen und glücklichen Weg ins Alter zu gehen,
meidung weiterer derartiger Angriffspunkte sei es ge¬
der ihm zugleich immer mehr ein Weg ins Große, Weite
boten gewesen, spezifisch jüdische Versammlungen und
und Freie sein möge.
insbesondere eine jüdische Wählerversammlung zu ver¬
Als vor einigen zwanzig Jahren Christine die Bretter
meiden. Mit der fortwährenden akademischen Versiche¬
des Burgtheaters betrat und der Erfolg der „Liebelei“ in
rung, daß man auch die gegenteilige Meinung achte, sei
wenigen Tagen in ganz Deutschland nachklang, da war es
nicht gedient. Diese Toleranz müsse auch praktisch be¬
zum erstenmal seit Dezennien, daß wieder ein Angehöriger
tätigt werden, und man dürfe nicht wieder zu solchen
der jüdischen Rasse von sich hätte sagen dürfen: „Ich bin ein
Zuständen gelangen, wie vor Jahren, als in einer Ver¬
deutscher Dichter, bekannt im deutschen Land, nennt man die
sammlung der „Union“ einem um das Judentum ver¬
besten Namen, wird auch der meine genannt“. Freilich, ver¬
dienten Manne ein Bierkrügel an den Kopf geworfen
giftet waren diese Lieder damals noch nicht, und dies ist
wurde. (Lebhafte Zustimmung.)
aus dem Milieu leicht erklärlich, aus dem Schnitzler hervor¬
ging. Wenn deutsche Literarhistoriker immer wieder hervor¬
zu den Ausführungen des Herrn Brunner Stellung zu
heben, daß aus jeder Zeile der vom Indentum abgefallene
nehmen, weil gerade er als langjähriger Vorsitzender
Heine und Börne, die im Ghetto verbrachte Jugend durch¬
der Versammlungen und als Vizepräsident ein Verant¬
schimmert, wenn das Germanentum diese zwei großen Geister
wortlichkeitsgefühl gegenüber den von Herrn Brunner
als Fremdlinge empfindet und sich mit Leben und Tod
behaupteten angeblichen Versäumnissen des Vereines in
gegen sie wehrt, so ist dies nicht mit Schnitzler der Fall,
sich trage. Herr Brunner habe behauptet, es sei gleich¬
der so unerschütterlich treu zum Judentum hält und gehalten
gültig, ob die von den Jüdisch=Nationalen verlangte
hat, selbst als die Versuchung zum Uebertritt in der Gestalt
jüdische Kurie in Mähren und in der Bukowina praktisch
einer tiefen und tragischen Leidenschaft an den Dichter herau¬
sei oder nicht, man müsse unter allen Umständen für die
trat. Blieb uns von ihm nichts als seine Werke, so könnte
selbe eintreten. In solcher Weise dürfe man doch nicht
die feinste Spürnase eines Literarhistorikers aus der natio¬
Politik machen. Wenn man eine Sache für praktisch
nalistischen Schererschule auch aus keiner Zeile herausfühlen,
undurchführbar erkenne, dann müsse man dieser Er¬
daß hier nicht ein Vollblutwiener geschrieben, und hievon
kenntnis auch offen und männlich Ausdruck geben und sich
nehmen wir selbst das Werk, und das erst recht nicht aus,
nicht von irgend einer Volksströmung daran hindern
das als sein einziges das jüdische Problem behandelt und
lassen. Der Vorstand der „Union“ habe dies getan in
Juden auf die Szene bringt. Der Dichter, dessen Werke auf
dem Bewußtsein, daß seine Anschauungen von der un¬
zwei Hemisphären gespielt werden, und der nicht etwa sym¬
geheuren Mehrheit der Mitglieder geteilt werde. Die
bolisch, sondern in Wirklichkeit von russischen Schauspielern
österreichische Judenschaft wolle tatsächlich eine jüdische
auf russischen Bühnen auf den Händen im Triumph herum¬
Kurie nicht, weil eine solche gegenüber der gesetzlichen
getragen wurde, wäre kein Vollblutösterreicher, wenn er nicht
Emanzipation einen Rückschritt bedeuten würde, weil sie
nirgends so wenig anerkannt wäre, als in Wien, namentlich
eine Negierung der verfassungsmäßigen Gleichberechtigung
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wäre. Die Juden wollen in voller Gleichheit mit den
schlagfertig zu erhalten und mit den hiezu erforderlichen
anderen Bürgern dieses Staates bei den Wahlen in die
Mitteln nicht zu kargen. (Lebhafter, anhaltender Beifall.)
öffentlichen Vertretungskörper mitwirken und sich nicht
Im Namen der Revisoren erstattet Herr Josef
in eine eigene Kurie hineinpferchen lassen, welche ihnen
Fuchs den Kassabericht.
einen unsichtbaren gelben Fleck anheften würde. Es sei
Der Präsident eröffnet die Diskussion und erteilt
aber auch nicht möglich, in der Bukowina eine jüdische
zunächst Herrn Lucian Brunner das Wort. Herr
Kurie zu errichten und in Wien, Böhmen, Mähren und
Brunner gibt dem Befremden darüber Ausdruck, daß
den Alpenländern eine solche zu vermeiden. Daß aber die
die „Oesterreichisch=Israelitische Union“ sich in der letzten
jüdische Kurie für die innerösterreichischen Länder ein Ding
Zeit auffallend von allgemeinen politischen Angelegen¬
der Unmöglichkeit sei und die Juden in eine ganz unhalt¬
heiten zurückgezogen habe. Sie habe jetzt unmittelbar vor
bare — sowohl politisch als wirtschaftlich und sozial —
den Gemeinderatswahlen keine Versammlung abgehalten
Lage brächte, bedarf keiner besonderen Begründung, nach¬
und sie kümmere sich anscheinend auch nicht um die Kultus¬
dem Herr Brunner eine eigene jüdische Wahlkurie selbst
wahlen. Redner führt einzelne politische Momente, insbe¬
für unpraktisch erklärt habe. (Lebhafter Beifall.)
sondere die Stellungnahme zu dem Verlangen der Buko¬
Es sprechen hierauf die Herren Beer und Rotten¬
winaer Judenschaft um Gewährung eines jüd. Katasters
berg, worauf die Debatte geschlossen wird. Die Ver¬
an, bei denen der Vorstand der „Union“ selbständig vorge¬
sammlung erteilt zum Schlusse dem Vorstande das Abso¬
gangen sei, ohne die Meinung der Mitgliederversamm¬
lutorium und spricht den Revisoren den Dank aus. In
lung eingeholt zu haben. Ein jüdischer Kataster in der
den Vorstand werden per acclamationem einstimmig die
er selbst
Bukowina mag praktisch sein oder nicht
Herren Dr. Jakob Ornstein, Gemeinderat Stadtbau¬
so müsse doch
halte einen solchen für nicht praktisch
meister Edmund Melcher und Isidor Samuely wie¬
den Mitgliedern Gelegenheit geboten werden, zu einer
der= und Herr Dr. Arthur Mahler neugewählt. Zu
solch wichtigen Angelegenheit Stellung zu nehmen. Redner
Revisoren wurden die Herren Ig. Simon und Kultus¬
spricht den Wunsch nach einer regeren politischen Tätigkeit
vorsteher S. Brod bestellt.
und nach häufigerer Abhaltung von Versammlungen aus.
Nach Schluß der Generalversammlung hielt Herr Dr.
Präsident Dr. Samuely erwidert dem Vorredner,
J. S. Bloch einen überaus interessanten, mit geoßem
daß die Zeiten auch für die Judenschaft andere geworden
Beifalle aufgenommenen Vortrag unter dem Titel:
seien und daß sich namentlich in Wien mehrere einander
„Reiseeindrücke aus Amerika“, welcher in der „Oester¬
sehr heftig bekämpfende Parteien unter den Juden gebilde!
reichischen Wochenschrift“ bereits publiziert wurde.
hätten. Gerade in jüngster Zeit sei es anläßlich eines
0 00- GIN
Vortrages rein wissenschaftlicher Natur zu lärmenden
Szenen sogar auf offener Straße gekommen, und die dies¬
bezügliche Versammlung sei in sehr bedauerlicher Weise
Arthur Schnitzler.
gestört worden. Sofort wurden diese Szenen von den
(Geboren am 15. Mai 1862.)
antisemitischen Gegnern ausgenützt und in der christlich¬
Fünfzig Jahre! Fast wehmütig will es uns berühren,
sozialen Wahlagitation spiele nun die Verleumdung, daß
daß der jugendliche Dichter der Wiener Jugend, dessen ersten
bei jener Versammlung die christliche Bevölkerung be¬
Mißerfolg wir miterlebt und dessen ersten Triumph wir mit¬
schimpft worden sei, eine große Rolle. Gerade im Hinblick
gefeiert, nun die Höhe des Lebens überschreitet, um einen
auf die bevorstehenden Gemeinderatswahlen und zur Ver¬
hoffentlich langen und glücklichen Weg ins Alter zu gehen,
meidung weiterer derartiger Angriffspunkte sei es ge¬
der ihm zugleich immer mehr ein Weg ins Große, Weite
boten gewesen, spezifisch jüdische Versammlungen und
und Freie sein möge.
insbesondere eine jüdische Wählerversammlung zu ver¬
Als vor einigen zwanzig Jahren Christine die Bretter
meiden. Mit der fortwährenden akademischen Versiche¬
des Burgtheaters betrat und der Erfolg der „Liebelei“ in
rung, daß man auch die gegenteilige Meinung achte, sei
wenigen Tagen in ganz Deutschland nachklang, da war es
nicht gedient. Diese Toleranz müsse auch praktisch be¬
zum erstenmal seit Dezennien, daß wieder ein Angehöriger
tätigt werden, und man dürfe nicht wieder zu solchen
der jüdischen Rasse von sich hätte sagen dürfen: „Ich bin ein
Zuständen gelangen, wie vor Jahren, als in einer Ver¬
deutscher Dichter, bekannt im deutschen Land, nennt man die
sammlung der „Union“ einem um das Judentum ver¬
besten Namen, wird auch der meine genannt“. Freilich, ver¬
dienten Manne ein Bierkrügel an den Kopf geworfen
giftet waren diese Lieder damals noch nicht, und dies ist
wurde. (Lebhafte Zustimmung.)
aus dem Milieu leicht erklärlich, aus dem Schnitzler hervor¬
ging. Wenn deutsche Literarhistoriker immer wieder hervor¬
zu den Ausführungen des Herrn Brunner Stellung zu
heben, daß aus jeder Zeile der vom Indentum abgefallene
nehmen, weil gerade er als langjähriger Vorsitzender
Heine und Börne, die im Ghetto verbrachte Jugend durch¬
der Versammlungen und als Vizepräsident ein Verant¬
schimmert, wenn das Germanentum diese zwei großen Geister
wortlichkeitsgefühl gegenüber den von Herrn Brunner
als Fremdlinge empfindet und sich mit Leben und Tod
behaupteten angeblichen Versäumnissen des Vereines in
gegen sie wehrt, so ist dies nicht mit Schnitzler der Fall,
sich trage. Herr Brunner habe behauptet, es sei gleich¬
der so unerschütterlich treu zum Judentum hält und gehalten
gültig, ob die von den Jüdisch=Nationalen verlangte
hat, selbst als die Versuchung zum Uebertritt in der Gestalt
jüdische Kurie in Mähren und in der Bukowina praktisch
einer tiefen und tragischen Leidenschaft an den Dichter herau¬
sei oder nicht, man müsse unter allen Umständen für die
trat. Blieb uns von ihm nichts als seine Werke, so könnte
selbe eintreten. In solcher Weise dürfe man doch nicht
die feinste Spürnase eines Literarhistorikers aus der natio¬
Politik machen. Wenn man eine Sache für praktisch
nalistischen Schererschule auch aus keiner Zeile herausfühlen,
undurchführbar erkenne, dann müsse man dieser Er¬
daß hier nicht ein Vollblutwiener geschrieben, und hievon
kenntnis auch offen und männlich Ausdruck geben und sich
nehmen wir selbst das Werk, und das erst recht nicht aus,
nicht von irgend einer Volksströmung daran hindern
das als sein einziges das jüdische Problem behandelt und
lassen. Der Vorstand der „Union“ habe dies getan in
Juden auf die Szene bringt. Der Dichter, dessen Werke auf
dem Bewußtsein, daß seine Anschauungen von der un¬
zwei Hemisphären gespielt werden, und der nicht etwa sym¬
geheuren Mehrheit der Mitglieder geteilt werde. Die
bolisch, sondern in Wirklichkeit von russischen Schauspielern
österreichische Judenschaft wolle tatsächlich eine jüdische
auf russischen Bühnen auf den Händen im Triumph herum¬
Kurie nicht, weil eine solche gegenüber der gesetzlichen
getragen wurde, wäre kein Vollblutösterreicher, wenn er nicht
Emanzipation einen Rückschritt bedeuten würde, weil sie
nirgends so wenig anerkannt wäre, als in Wien, namentlich
eine Negierung der verfassungsmäßigen Gleichberechtigung