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50th- Birthdan box 39/1
betrachten. Im allgemeinen ist ja das Publikum gewohnt, heute noch, nachdem der Schulzwang längst aufgehoben
seine Autoren immer nur im Lichte ihres letzten Werkes und jeder seine eigenen Wege aebt, freundschaftlick
klag
zu sehen, und jederzeit geneigt, über dem jüngsten alle zusammenhält. Sein Wienertum hat Schnitzler nie zum
E
Programm erhoben, da es ihm selbstverständlich war und
früheren zu vergessen. Das hat etwas Mißliches, zumal
er es eben darum weder zu betonen brauchte, noch auch
bei einem Dichter wie Schnitzler, dessen Produktion keine
snummer:
zu betonen suchte. Im Gegenteil, hat er wiederholt in
mechanische ist und in dessen künstlerisches Gesicht jede
einzelnen seiner Novellen und Versstücken über die heimat¬
neue Arbeit auch einen neuen Zug einprägt. Die Oeffent¬
31 und 32 bringen wir die
liche Region weit hinausgestrek und Werke hervorgebracht,
ng der Komödie
lichkeit sieht dann nur diesen, sieht ihn womöglich unter
die, völlig frei von mundartlichen Anklängen, sich von
dem Scheinwerfer des Erfolges, dessen greller Glanz auch
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den Schriften anderer im Reiche lebender deutscher Dichter
die stärksten Augen ein wenig blinzeln macht, und trägt
wenssport“
oft nur dadurch unterscheiden, daß sie etwas sorgsamer
so ein verzerrtes Bild nach Hause. Ein halbwegs ähn¬
geschrieben sind. Indessen offenbart sich sein Talent doch
liches wird sich nur gewinnen lassen, wenn man den
am ursprünglichsten and verführerischesten in denjenigen
Dichter im Zusammenhang mit allen seinen Werken und
Nordan.
seiner Produktionen, die von einem ganz leichten wiene¬
in einem ruhigeren Augenblick betrachtet. Artur Schnitzler
rischen Aroma von der Wurzel herauf durchzogen sind.,
hat heute bereits ein Recht darauf, so angeschaut zu
Diefes Aroma ist bei ihm oftmals kaum stärker als bei
rliegende Nummer:
werden. Ein bedeutender Dramatiker und hervorragender
Bauernfeld, der ja auch jeden Dialektausdruck vermeidet
Erzähler, steht er auf zwei Gebieten unter den Ersten
und doch einen wienerischen Dialog schreibt. In seinen
tt“: „Deutsche Lyrik
Deutschlands und ist überdies vermöge seiner Persönlich¬
ersten Büchern, dem „Anatol“ und der „L##belei“, hat der
keit, in der sich seltene Gaben auf das liebenswürdigste
Von Alberta v. Putt¬
junge Schnitzler diese heimatliche Richtung eingeschlagen,
verbinden, in den letzten Jahren geradezu der repräsen¬
freilich aus einem anderen Temperament heraus, das
Monistische Sonntags¬
tative Schriftsteller Oesterreichs geworden. Was er darüber
weniger zum Leichtsinn und mehr zur Grübelei geneigt
hinaus noch ist und werden kann, wäre unmöglich, heute
Rudolf Goldscheid
ist, und in seinen letzten, der „Komtesse Mizzi“ und dem
zu intscheiden. In die Schneeregion der zeitlosen Literatur
„Weiten Land“ ist der reife wieder in diese Straße ein¬
. Eingesendete Bücher.
ragt sein vorderhand noch blonder Scheitel nicht hinein,
gebogen, die ihn zu seinen größten Erfolgen hinzuführen
aber ein großer Schriftsteller seiner eigenen Zeit zu sein,
scheint. Nicht in allen, aber in vielen und in seinen
ist auch etwas, ist vielleicht alles, und diesen Ehrenplatz
charatteristischesten Werken hat Schnitzler Wiener Menschen,
wird man Schnitzler nicht abstreiten können. Seine Kunst
Wiener Leben dargestellt, und selbst wo er uns das
des Romans „Die Götter
spricht heute schon zu vielen Tausenden, und ihre Gemeinde
Schicksal scheinbar ganz eigenwilliger Existenzen gibt,
wird täglich größer.
natole France. Seite 59.
projiziert er dieses bewußt oder unbewußt auf den Hinter¬
Diese Kunst wurzelt im Leben, und dieses Leben ist
grund der Wiener Landschaft und der Wiener Gesellschaft.
in Wien zu Hause. Schnitzler, ein ebenso unruhiger als
Was diese letzte betrifft, so kennt er sie aus dem Grunde,
kleton.
seßhafter Wiener, ist heute unstreitbar und unbestritten der
von ganz unten bis ganz hinauf, in allen ihren Schich¬
höchste Ausdruck des Wienertums in der deutschen
tungen, Verästelungen und Beziehungen, ja er kennt sie
Literatur. In Deutschland gilt er für den Gründer von
so Fenau, daß er sie auch noch mit geschlossenen Augen
6
Jung=Wien, worunier man sich dort eine Art Gesellschaft
sinnfällig zu beschreiben vermöchte, denn er hat ihre Ge¬
Frfür Schnipler wird dieser Tage
mit beschränkter Haftung vorstellt. In Wahrheit hat unser
stalten und ihren Ton jederzeit in sich. Woher hat der
wvenn das auch noch lange kein
Dichter diese Gesellschaft oder Schule nie begründet noch
diese intime Kenntnis, die von der Volkssängerin bis
uns besonders feierlich stimmen
geleitet. Er war nur da und ist allmählich infolge seines
ls willkommener Anlaß gelten,
einmal unabhängig von dem Talents und einer gewissen natürlichen Ueberlegenheit der zum Prinzen, vom Fiaker bis zur Gräfin reicht, und
miere heraufzuführen und zu1 Mittelvunkt eines literarischen Kreises geworden, der auch vom Wurstelprater bis zum Schwarzenberaplatz? Man
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50th- Birthdan box 39/1
betrachten. Im allgemeinen ist ja das Publikum gewohnt, heute noch, nachdem der Schulzwang längst aufgehoben
seine Autoren immer nur im Lichte ihres letzten Werkes und jeder seine eigenen Wege aebt, freundschaftlick
klag
zu sehen, und jederzeit geneigt, über dem jüngsten alle zusammenhält. Sein Wienertum hat Schnitzler nie zum
E
Programm erhoben, da es ihm selbstverständlich war und
früheren zu vergessen. Das hat etwas Mißliches, zumal
er es eben darum weder zu betonen brauchte, noch auch
bei einem Dichter wie Schnitzler, dessen Produktion keine
snummer:
zu betonen suchte. Im Gegenteil, hat er wiederholt in
mechanische ist und in dessen künstlerisches Gesicht jede
einzelnen seiner Novellen und Versstücken über die heimat¬
neue Arbeit auch einen neuen Zug einprägt. Die Oeffent¬
31 und 32 bringen wir die
liche Region weit hinausgestrek und Werke hervorgebracht,
ng der Komödie
lichkeit sieht dann nur diesen, sieht ihn womöglich unter
die, völlig frei von mundartlichen Anklängen, sich von
dem Scheinwerfer des Erfolges, dessen greller Glanz auch
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den Schriften anderer im Reiche lebender deutscher Dichter
die stärksten Augen ein wenig blinzeln macht, und trägt
wenssport“
oft nur dadurch unterscheiden, daß sie etwas sorgsamer
so ein verzerrtes Bild nach Hause. Ein halbwegs ähn¬
geschrieben sind. Indessen offenbart sich sein Talent doch
liches wird sich nur gewinnen lassen, wenn man den
am ursprünglichsten and verführerischesten in denjenigen
Dichter im Zusammenhang mit allen seinen Werken und
Nordan.
seiner Produktionen, die von einem ganz leichten wiene¬
in einem ruhigeren Augenblick betrachtet. Artur Schnitzler
rischen Aroma von der Wurzel herauf durchzogen sind.,
hat heute bereits ein Recht darauf, so angeschaut zu
Diefes Aroma ist bei ihm oftmals kaum stärker als bei
rliegende Nummer:
werden. Ein bedeutender Dramatiker und hervorragender
Bauernfeld, der ja auch jeden Dialektausdruck vermeidet
Erzähler, steht er auf zwei Gebieten unter den Ersten
und doch einen wienerischen Dialog schreibt. In seinen
tt“: „Deutsche Lyrik
Deutschlands und ist überdies vermöge seiner Persönlich¬
ersten Büchern, dem „Anatol“ und der „L##belei“, hat der
keit, in der sich seltene Gaben auf das liebenswürdigste
Von Alberta v. Putt¬
junge Schnitzler diese heimatliche Richtung eingeschlagen,
verbinden, in den letzten Jahren geradezu der repräsen¬
freilich aus einem anderen Temperament heraus, das
Monistische Sonntags¬
tative Schriftsteller Oesterreichs geworden. Was er darüber
weniger zum Leichtsinn und mehr zur Grübelei geneigt
hinaus noch ist und werden kann, wäre unmöglich, heute
Rudolf Goldscheid
ist, und in seinen letzten, der „Komtesse Mizzi“ und dem
zu intscheiden. In die Schneeregion der zeitlosen Literatur
„Weiten Land“ ist der reife wieder in diese Straße ein¬
. Eingesendete Bücher.
ragt sein vorderhand noch blonder Scheitel nicht hinein,
gebogen, die ihn zu seinen größten Erfolgen hinzuführen
aber ein großer Schriftsteller seiner eigenen Zeit zu sein,
scheint. Nicht in allen, aber in vielen und in seinen
ist auch etwas, ist vielleicht alles, und diesen Ehrenplatz
charatteristischesten Werken hat Schnitzler Wiener Menschen,
wird man Schnitzler nicht abstreiten können. Seine Kunst
Wiener Leben dargestellt, und selbst wo er uns das
des Romans „Die Götter
spricht heute schon zu vielen Tausenden, und ihre Gemeinde
Schicksal scheinbar ganz eigenwilliger Existenzen gibt,
wird täglich größer.
natole France. Seite 59.
projiziert er dieses bewußt oder unbewußt auf den Hinter¬
Diese Kunst wurzelt im Leben, und dieses Leben ist
grund der Wiener Landschaft und der Wiener Gesellschaft.
in Wien zu Hause. Schnitzler, ein ebenso unruhiger als
Was diese letzte betrifft, so kennt er sie aus dem Grunde,
kleton.
seßhafter Wiener, ist heute unstreitbar und unbestritten der
von ganz unten bis ganz hinauf, in allen ihren Schich¬
höchste Ausdruck des Wienertums in der deutschen
tungen, Verästelungen und Beziehungen, ja er kennt sie
Literatur. In Deutschland gilt er für den Gründer von
so Fenau, daß er sie auch noch mit geschlossenen Augen
6
Jung=Wien, worunier man sich dort eine Art Gesellschaft
sinnfällig zu beschreiben vermöchte, denn er hat ihre Ge¬
Frfür Schnipler wird dieser Tage
mit beschränkter Haftung vorstellt. In Wahrheit hat unser
stalten und ihren Ton jederzeit in sich. Woher hat der
wvenn das auch noch lange kein
Dichter diese Gesellschaft oder Schule nie begründet noch
diese intime Kenntnis, die von der Volkssängerin bis
uns besonders feierlich stimmen
geleitet. Er war nur da und ist allmählich infolge seines
ls willkommener Anlaß gelten,
einmal unabhängig von dem Talents und einer gewissen natürlichen Ueberlegenheit der zum Prinzen, vom Fiaker bis zur Gräfin reicht, und
miere heraufzuführen und zu1 Mittelvunkt eines literarischen Kreises geworden, der auch vom Wurstelprater bis zum Schwarzenberaplatz? Man
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