VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 47

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Daß das Verhältnis des heutigen Juden zu Gott ein un¬
moralisches ist, wird jeder zugeben, der mit tiefer Scham einem
israelitischen Gottesdienste beigewohnt hat. Die folgende Unter¬
süchung wird sich aber darauf beschränken, das religiöse Leben
des Juden zu untersuchen in denjenigen Verhältnissen zur
Außenwelt, in denen es nach Georg Simmel („Die Religion=)
sich als bestimmter Faktor äußert: in dem Verhältnis zur Natur,
zum Schicksal und zu den Mitmenschen.
Hans Kohn.
Artbur Schnitzler.
Zu seinem 50. Geburtstag.
Der Tag, an dem die ganze Welt unseres Kulturkreises
einen der größten jüdischen Dichter unserer Zeit feiert, darf
von uns nicht unvermerkt bleiben. Doch kann es sich im
Rahmen dieses Heftes nicht darum handeln, ein Bild der dich¬
terischen Persönlichkeit Arthur Schnitzlers zu geben; dies ist
in fast allen deutschen Zeitschriften am heutigen Tage mehr
oder minder erschöpfend versucht worden. Arthur Schnitzler,
der als der Führer der =Jungwienere angesprochen werden
kann, — jener Schule, die fast ausschließlich Juden umfaßt —
hat gerade für uns eine besondere Bedeutung, und diese möchte
ich hier ganz kurz andeuten.
Wenn wir uns oft mühen, das Wesen der jüdischen
Eigenaft zu erfassen, so erkennen wir immer die Schwierigkeit,
jene Besonderheit der seelischen Reaktion, die wir zjüdische
nennen und deren Vorhandensein wir (und auch die Nicht¬
juden) unzweifelhaft feststellen, in Worten irgendwie zu cha¬
rakterisieren. Es ist wiederholt versucht worden, von Juden
und Nichtjuden, oft in wenig gründlicher Weise. Zuletzt, am
bedeutungsvollsten, von Martin Buber, der sich der Schwierig¬
keit selbst bewußt ist und nur ganz Allgemeines hervorzuheben
gewagt hat. Es ist eben fast unmöglich, die innersten und
subtilsten Mächte unseres Szelenlebens durch Mittel der Sprache
entsprechend wiederzugeben. Wir können sie nur gefühlsmäßig.
oder intuitiv, seinfühlends erfassen; wir Juden erfühlen die
Zusammenhänge, die uns mit andern verbinden. Wir fühlen
bei den Außerungen einer jüdischen Seele eine Saite in uns
mitschwingen, wir fühlen die Verwandtschaft. Wir beobachten
dies im täglichen Leben, wir beobachten es vor allem, wenn
wir die Schöpfungen der feinst organisierten jüdischen Seelen
empfangen. Man hat sich gewöhnt, bei Dichtern und Künstlern
von einer „jüdischen Notes zu sprechen: diese jüdische Note
ist etwas, was wir uns vergeblich zu analysieren bemühen
und dessen Dasein wir doch ganz sicher und unmittelbar wahr¬
nehmen, erleben.
Arthur Schnitzler ist einer von jenen schöpferischen Men¬
schen, in dessen Schaffen wir die jüdische Note stärker als