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SSS—Birndar
E
Von Schnitzler liegen jetzt mehr als ein Vier=lost beklagte Hemmnis, zum Teik wenigstens, über¬
telhundert Werle vor. Er, der bis ins Mannesalter wunden hat, wenn er mit ansehnlichem Erfolge auf
Feuilleton
hinein den bürgerlichen Beruf des Arztes ausübte, ins Reich gedrungen ist, so mag man das der Fäh
hat erst um das dreißigste Lebensjahr zu publizie=keit zuschreiben, zit der er die geistigen Elemen
Arthur Schnitzler.
ren begonnen; und wenn man nach einer Gesamt- seines Schaffens zu einer relativ starken Syuth
Zu seinem fünfeigsten=Geburtstage
charatteristik für dieses fruchtbare literarische vereinigt hat. Man könnte sagen: sein Wiener
Schaffen sucht, so pflegen sich die Schlagwortetum und sein Judentum hat ihn in die Lie
Arthur Schnitzler, den unsere Bühne heute
„Oesterreicher“ und „Jnde“ als die handlichsten dar- ratur gebracht. In die Literaturgeschichte brin
mit einer zyklischen Aufführung seiner dramatischen
Werke zu feiern beginni, gehört nicht zu den Stief- zubieten. Die Ableitung seiner Eigenart aus dem ihn das, worin er über den Wiener und Jnden
hinauskommt.
kindern der Literatur, denen erst ein so äußer= Aerzteberuf ergibt sich gleichfalls ohne Zwang. Man
Schnitzler hat als Wiener Dichter angefast¬
kann diese einsichtsvolle und keineswegs geistlose
licher Anlaß, wie es der fünfzigste Geburtstag ist,
gen, als ein Dichter, der sich im Wesen gar nicht
Einreihung des Dichters in eine literarische Kate¬
zur Beachtung helfen mus. Er zählt unter die meist¬
gorie willig sich zu Eigen machen. Erklärt sie auch sehr von den Kaffeehauspoeten unterschied, denen
gelesenen, die meistaufgeführten deutschen Antoren;
über ihn sind Kritiken, Stuvien, Aufsätze in Menge, nicht alles, so erklärt sie doch manches und leuchtet im Mokka= und Zigarrendunst gar nicht üble psycho¬
ganze Monographien geschrieben worden; wo immers in die Quellen, denen diese reiche Produktion ent=llogische Pointen gelangen, wenn sie in lebens¬
er-als Vortragender erscheint, grüßen ihn die Ehren, strömt. Oesterreichisch ist die Weichheit Schnitzlers, verneinender Stimmung waren, und die, in lebens¬
die man nur einem ganz erlesenen Gast darbietet; jüdisch seine Lust zur Analyse und vom Arzt hat er bejahender Laune das süße Mädel“ im Wiener
in das Recht, sein letztes Werk aufzuführen, haben die Kenntnis der Grenzgebiete des Seelischen und Dialekt hochleben ließen. Im „Anatol“ yat Schni߬
sich vierzehn Bühnen mit ergebener Bereitwillig- Physischen des Normalen und Krankhaften. Zu=ller diese Stimmung veredelt, das Wiener Mädchen
keit geteilt. Man preist ihn als das Haupt derj mindest ist also Schnitzler, mit diesen Eigenschaften, und den Wiener Jüngling in mancherlei Verklei¬
ein interessanter Schriftsteller, wie denn die Wie dungen und Situationen auf die Bühne gebrachtg
deutsch-österreichischen Literatur, bezeichnet be¬
kannte Schriftsteller als seine Schüler, benenntner und die Juden in der deutschen Literatur und Hugo von Hofmannsthal, der schon damals
einen ganzen Kulturstil mit seinem Namen. Und das oft interessant gewesen sind. Aber ebenso oft war im Jahre 1892, für alte Adelskultur schwärmte,
Arthur Schnitzler diese große Macht über die Mit= und ist mit diesem Interesse, das sie erwecken, Man= einleitende Verse dazu geschrieben welche die Reiz
lebenden als ein persönlich höchst bescheidener, zurück= gel an Achtung verbunden und es ist wohl keum nur des Rokoko preisen. Von der Zeit an war
gezogener, wenig reklamesüchtiger Mann erlangt ein Vorurteil, sondern eine tiesere feelische Ver=Schlagwort für Schnitzler geprägk: er war
hat, muß wohl die künstlerische Potenz, die sich so schiedenheit, die den strengen Norddeutschen dem Dichter des „Anatol“, der kleinen, pikanten
gewaltig durchsetzen konnte, eine ungewöhnliche und judisch=österreichischen Schriftsteller kühl und ab-lakter, die aus dem Geiste der Wiener Musik
weisend entgegentreten läßt. Wenn Schnitzler dieses standen sind. So populär Schnitzler durch diesen
sehr beträchtliche sein,
Ge Nir Röte F 15#
SSS—Birndar
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Von Schnitzler liegen jetzt mehr als ein Vier=lost beklagte Hemmnis, zum Teik wenigstens, über¬
telhundert Werle vor. Er, der bis ins Mannesalter wunden hat, wenn er mit ansehnlichem Erfolge auf
Feuilleton
hinein den bürgerlichen Beruf des Arztes ausübte, ins Reich gedrungen ist, so mag man das der Fäh
hat erst um das dreißigste Lebensjahr zu publizie=keit zuschreiben, zit der er die geistigen Elemen
Arthur Schnitzler.
ren begonnen; und wenn man nach einer Gesamt- seines Schaffens zu einer relativ starken Syuth
Zu seinem fünfeigsten=Geburtstage
charatteristik für dieses fruchtbare literarische vereinigt hat. Man könnte sagen: sein Wiener
Schaffen sucht, so pflegen sich die Schlagwortetum und sein Judentum hat ihn in die Lie
Arthur Schnitzler, den unsere Bühne heute
„Oesterreicher“ und „Jnde“ als die handlichsten dar- ratur gebracht. In die Literaturgeschichte brin
mit einer zyklischen Aufführung seiner dramatischen
Werke zu feiern beginni, gehört nicht zu den Stief- zubieten. Die Ableitung seiner Eigenart aus dem ihn das, worin er über den Wiener und Jnden
hinauskommt.
kindern der Literatur, denen erst ein so äußer= Aerzteberuf ergibt sich gleichfalls ohne Zwang. Man
Schnitzler hat als Wiener Dichter angefast¬
kann diese einsichtsvolle und keineswegs geistlose
licher Anlaß, wie es der fünfzigste Geburtstag ist,
gen, als ein Dichter, der sich im Wesen gar nicht
Einreihung des Dichters in eine literarische Kate¬
zur Beachtung helfen mus. Er zählt unter die meist¬
gorie willig sich zu Eigen machen. Erklärt sie auch sehr von den Kaffeehauspoeten unterschied, denen
gelesenen, die meistaufgeführten deutschen Antoren;
über ihn sind Kritiken, Stuvien, Aufsätze in Menge, nicht alles, so erklärt sie doch manches und leuchtet im Mokka= und Zigarrendunst gar nicht üble psycho¬
ganze Monographien geschrieben worden; wo immers in die Quellen, denen diese reiche Produktion ent=llogische Pointen gelangen, wenn sie in lebens¬
er-als Vortragender erscheint, grüßen ihn die Ehren, strömt. Oesterreichisch ist die Weichheit Schnitzlers, verneinender Stimmung waren, und die, in lebens¬
die man nur einem ganz erlesenen Gast darbietet; jüdisch seine Lust zur Analyse und vom Arzt hat er bejahender Laune das süße Mädel“ im Wiener
in das Recht, sein letztes Werk aufzuführen, haben die Kenntnis der Grenzgebiete des Seelischen und Dialekt hochleben ließen. Im „Anatol“ yat Schni߬
sich vierzehn Bühnen mit ergebener Bereitwillig- Physischen des Normalen und Krankhaften. Zu=ller diese Stimmung veredelt, das Wiener Mädchen
keit geteilt. Man preist ihn als das Haupt derj mindest ist also Schnitzler, mit diesen Eigenschaften, und den Wiener Jüngling in mancherlei Verklei¬
ein interessanter Schriftsteller, wie denn die Wie dungen und Situationen auf die Bühne gebrachtg
deutsch-österreichischen Literatur, bezeichnet be¬
kannte Schriftsteller als seine Schüler, benenntner und die Juden in der deutschen Literatur und Hugo von Hofmannsthal, der schon damals
einen ganzen Kulturstil mit seinem Namen. Und das oft interessant gewesen sind. Aber ebenso oft war im Jahre 1892, für alte Adelskultur schwärmte,
Arthur Schnitzler diese große Macht über die Mit= und ist mit diesem Interesse, das sie erwecken, Man= einleitende Verse dazu geschrieben welche die Reiz
lebenden als ein persönlich höchst bescheidener, zurück= gel an Achtung verbunden und es ist wohl keum nur des Rokoko preisen. Von der Zeit an war
gezogener, wenig reklamesüchtiger Mann erlangt ein Vorurteil, sondern eine tiesere feelische Ver=Schlagwort für Schnitzler geprägk: er war
hat, muß wohl die künstlerische Potenz, die sich so schiedenheit, die den strengen Norddeutschen dem Dichter des „Anatol“, der kleinen, pikanten
gewaltig durchsetzen konnte, eine ungewöhnliche und judisch=österreichischen Schriftsteller kühl und ab-lakter, die aus dem Geiste der Wiener Musik
weisend entgegentreten läßt. Wenn Schnitzler dieses standen sind. So populär Schnitzler durch diesen
sehr beträchtliche sein,
Ge Nir Röte F 15#