VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 95

5
box 39/2
an
Sothsth Birthdar

Hininniiiiesiiieununmnunnnnmnnmmnnmmmmn Dramatische Rundschau. Imiiimeiiesumningennnimmmiummnum 623
und gar nicht vermocht. Seine fünf Aufzüge, mehr
monologisch als dialogisch gehalten, reihen ein
paar lose verbundene Bilder aus Nietzsches Leben,
zumal aus dessen kritischen Wendepunkten, anein¬
ander: seinen Enthusiasmus für Wagners Bai¬
reuth=Idee, seine Trennung von dem Meister,
als er an Ort und Stelle erlebt, was praktisch
aus dieser Idee wird und wie sie auf die Men¬
schen wirkt, die wachsende Einsamkeit des „Über¬
menschen“ im bayrischen Wald und in Sils=Maria,
das Auftauchen der verhängnisvollen Wahnidee
vom Doppel=Ich und endlich das Hereinbrechen
der Geistesnacht in der Hochgebirgslandschaft der
Bernina, wo er schon vor den Pforten des „drit¬
ten Reiches“, einer Freistätte des naturbefreiten,
geläuterten und gehobenen Menschenwillens, zu
stehen glaubt. Eine innere Verknüpfung, eine
folgerichtige Entwicklung dieser Stadien läßt sich
trotz den reichlichen philosophischen Expektoratio¬
nen, die dem Philosophen vergönnt sind, nicht
entdecken. Auch hat der mit einer starken, gei¬
stig eindrucksvollen Sprache begabte Dichter nicht
den Stilausgleich zwischen den alltäglich=realisti¬
schen und den transzendentalen Elementen ge¬
funden, die er hart nebeneinandersetzt: wo schwä¬
belnde Packer, eine betuliche Wirtin, ulkig=bissige
Journalisten, fremdsprachlich parlierende Englän¬
der und Franzosen auftreten, erträgt man nur
schwer das leibhaftige Erscheinen des „Lebens“
Phot. Atelier d'Ora, Wien.
in Gestalt eines schönen, aber doch etwas ballett¬
Arthur Schnitzler, der Fünfzigjährige.
mäßig aufgeputzten Mädchens und die wieder¬
holten Auftritte des nur allzu beredten „Frem=, aller Kritik, daß man dem Dichter, der hier in gro¬
den“ unter dem man sich Nietzsches (hier elek= tesker Form und nicht ohne stark karikaturenhafte
Züge ein bitterernstes Thema des Geschlechts¬
trisch beleuchtetes) Doppel=Ich vorzustellen hat.
lebens aufgreift, einen üblen Dienst erweisen
Gewiß, Paul Friedrichs ernstes redliches Ringen
würde, wollte man es nach der Mißgestalt, in
um das neue tragische Ideendrama hat sich in
der es da vor uns hintrat, zu würdigen ver¬
einer Weise offenbart, der man den Respekt nicht
suchen. Noch ist es von der Zensur für öffent¬
versagen soll; die lebendige Bühne aber wird
liche Aufführung an einem öffentlichen Theater
auf diesem Felde nicht das ernten, was sie zu
verboten; aber lange wird sich dieses Verbot einem
ihrer Regeneration bedarf.
so grimmigen Ernst, wie ihn Wedekind auch hier
Daß dies Werk just unter dem Schutze der
vertritt, nicht aufrechterhalten lassen, wenigstens
Wagner=Gesellschaft an die Öffentlichkeit trat, zeugt
nicht, wenn sich die schlüpfrigen und lüsternen
von der uneigennützigen Vorurteilslosigkeit dieser
Kokotten=Stücke gewisser Theater weiterhin des
Vereinigung, deren erlauchter Namenspatron doch
gnädigen Wohlwollens eben derselben Zensur¬
gerade keine Heroenrolle in dem Stücke spielt.
behörde erfreuen. Dann erst werden wir über
Doch — fragen solche frondierenden Kunst= und
diesen Einakter aus dem „Totentanz“, der dem
Literaturgesellschaften manchmal überhaupt danach,
konzessionierten „Sinnengenuß“ mit schneidender
womit sie das Programm ihrer Ideale füllen?
Schärfe ins fahle Antlitz leuchtet, eingehender zu
Die „Werkstatt der Werdenden“, ein Bund
reden haben. Ernst, wie sein blutiger Ernst es
junger Leute beiderlei Geschlechts, der „den Ver¬
von einer ernsten Zeitschrift fordert.
such unternimmt, unter Hintansetzung aller mate¬
riellen Interessen aus besten Kräften für fremde
—wei Jubilare, denen das deutsche Theater man¬
und eigne Ideale einzutreten“, erhebt — Wede¬
Schen Dank schuldig ist, grüßen wir an dieser
kind auf ihren Schild. Wenigstens war die vor
Stelle, indem wir ihre neuesten Bildnisse ver¬
geladenem und streng kontrolliertem Publikum
öffentlichen: am 25. April ward Siegwart
veranstaltete Aufführung des Wedekindschen Ein¬
Friedmann siebzig, am 15. Mai Arthur
akters „Tod und Teusel“ das einzige Erkenn¬
Schnitzler fünfzig Jahre alt.
bare, worum es sich bei diesem ganzen kassee¬
Beide sind Österreicher und haben aus ihrer
kränzchenhaft dilettantischen Brimborium allenfalls
lohnte. Doch blieb die Aufführung so tief unter Heimat die spezifische Prägung ihres Wesens mit¬