Aus der Theaterwelt.
er. — Der Dichter
hm Geburtstagskind dieser Woche: Artur Schni#
Derrn Affrenren der Poliklinik
Premierenabenden.
Mei
inisches vom Dichter und
k. Artur Schnitzler.
Adolf v. Sonnenthals.
lichterisches vom Mediziner. — Ein 1
ie Schnitzler arbeitet. — Der „##edardus“ als Festaufführung.
Diesmal versammelt sich die Wiener Theaterwelt ausnahmsweise
n ein Geburtstagskind, das kein Schauspieler ist, nein, bloß ein
ichter. Diese Woche gilt Artur Schnitzler. Burgtheater und
olkstheater widmen ihm einige Abende des Wochenspielplans. Seiner
bst aber werden sie nicht habhaft werden. Die Villa an der Stern¬
artestraße steht leer; der Hausherr hat sich mit Kind und Kegel
imlich davon gemacht — ans Meer; kein Trubel kann ihn erreichen.
wohl, dieser Weltmann von einem Dichter, der sich — nach seinen
chriften muß man's wohl glauben — gleich sicher fühlt in den Höhlen¬
artieren der Obdachlosen dieser Stadt wie in den Salons ihrer
ourgeoisie, dieser Fünfzigjährige hat noch ein hohes Gut zu wahren:
eine persönliche Keuschheit. Er wittert Gefahr für sie, er scheut davor
krück, eine Ehrung sozusagen körperlich entgegenzunehmen. Und das
doch sonst ganz und gar nicht Art und Sitte dramatischer Dichter,
ie überhaupt jener Menschen, die das Theater eingefangen hat. Sie
ugnen anfangs alle, eitel zu sein; aber in ihren glücklichsten Träumen
nnen sie doch keine Freude, mehr beseligend, als mit eigenen Augen
n Jubel zu sehen, den sie hervorrufen, mit ihrem Ohr das Geräusch
es Klatschens einzusaugen, das ihrer Person gilt, und solcherart
hren Ruhm, der sich für diese wenigen Augenblicke in etwas Wahr¬
sehmbares umsetzt, förmlich zu trinken. Und so verlieren sie allmälig
zne gewisse Scheu der eigenen Person. Sie abzulegen — meinen sie
inLauf der Jahre — gehöre zum Beruf. Mit denen aber hat Artur
Schnitzler nicht gleichen Schritt gehalten. Einstens hat er das
osungswort ausgegeben, Autoren sollen nicht mehr vor dem Publikum
rscheinen. Das hat er nicht aufrechterhalten können. Die Direktoren
bären geschädigt gewesen. Soll ihnen gerade der Dichter verweigern,
ken Erfolg zu legitimieren, wenn er glücklich erreicht ist? Und zu einem
iener Erfolg gehört nun einmal das „Erscheinen“ des Verfassers.
Aber peinlich ist es Artur Schnitzler immer gewesen, sich ins
stampenlicht zu stellen. Ueberhaupt lastete ein Premierenabend stets
hwer auf seiner Seele. Er hat — auch jetzt — noch nicht gelernt,
ieses Gemisch aus Parfümduft, Leimfarbe und Bosheit als Luft
inunterzuschlucken. Und wer den Dr. Schnitzler etwa während einer
einer Erstaufführungen im Theater sucht — auch wenn der Dichter
shon nach dem ersten Aktschlusse auf der Bühne erschienen wäre —
her bemüht sich vergeblich. Der „Herr Verfasser“ geht in den Gassen
m das Theater still auf und ab, seine Zigarette rauchend oder
igentlich beißend; denn erregt ist der Mann doch, und dann läuft er
um Bühnentürchen, wieder einmal zu fragen, ob denn noch nicht
Lactus“ sei, ob denn der Vorhang noch nicht falle. Und ist empört
ber sich selbst, daß er in all den Jahren nicht gelernt habe, kürzere
Akte zu schreiben; und meint, es würde ihm deshalb ganz Recht ge¬
schehen und zum Vorteil gereichen — für die Zukunft — gäbe ihm
das Publikum gerade heute seine Ungeduld in nicht gerade freund¬
icher Weise zu erkennen. Aber wenn es den Leuten doch nicht zu
lange geworden ist, wenn sie sein Werk verstanden und wohl aufge¬
ommen haben, so freut es ihn dann erst recht.
Und er denkt dann wohl an seinen Vater, den in wissenschaft¬
lichen Kreisen und in der Wiener Gesellschaft gewiß noch nicht ver¬
gessenen Laryngologen Professor Dr. Johann Schnitzler, der dahingehen
mußte, ohne auch nur einen einzigen literarischen Erfolg seines Sohnes
erlebt zu haben. Er starb, ein Opfer seines Berufes, an einer Infektion,
die er sich in der Praxis zugezogen. Es ist merkwürdig, daß die Men¬
schen sich noch immer nicht abgewöhnt haben, dem Schicksal den Weg
vorschreiben zu wollen. Dem Vater Schnitzlers sagten die Gymnasial¬
professoren seinerzeit voraus, er werde ein großer Schriftsteller werden,
ein Stolz Ungarns, der Dichter seines Vaterlandes. Und richtig wurde
Johann Schnitzler ein hervorragender Arzt. Und seinen erstgeborenen
Sohn Artur — nicht den zweiten, der mittlerweile der Chirurg Julius
hielt der Vater für einen Mediziner, be¬
Schnitzler geworden ist —
rufen, der Wiener Fakultät einst zur Zierde zu gereichen. Und richtig
wurde Artur ein Dichter. Und doch war Regierungsrat Schnitzler, der
Vater, ein Mann von starken künstlerischen Neigungen; er führte ein
großes Haus, in dem sich heimisch fühlte, was in der Wiener Kunst
und Literatur etwas zu bedeuten hatte. Aber die Liebe des Vaters
wollte zunächst den Lebensweg des Sohnes in eine gesicherte Bahn ge¬
lenkt wissen. Und gibt es etwas Höheres, Schöneres als das Wirken
eines Arztes, der seine Kunst beherrscht?
Artur war mit 23 Jahren zum Doktor der Medizin promoviert
worden. Seine Chefs, die Professoren Dr. Weinlechner und Doktor
Meynert, an deren Abteilungen er dann als Sekundararzt im Allge¬
meinen Krankenhause wirkte, stellten ihm das günstigste Horoskop; die
laryngologischen Spezialstudien, die Artur in Berlin und London
oc (Stüie
211
hep
——
es ein so heller Kopf in der Wissenschaft nicht zu etwas Rechtem
ad die als einsg mil
bringen? Ueberdies hatte er auch einen schriftstellerischen Erfolg —
en man nicht einschac
als Arzt natürlich. In allen ärztlichen Bibliothelen ist das bei Brock¬
Zenießer, Skeptiker un
haus Wien=Leipzig erschienene dicke Buch zu finden: „Klinischer Atlas
dimension daherkam,
der Laryngologie“, herausgegeben von Professor Dr. Johann Schnitzler
Zauernfeld niemals g
unter Mitwirkung von Dr. Hajek und Dr. A. Schnitzler. Dieser „A.“
heater kam — da da
ist Artur. Er hat später noch eine medizinische Arbeit veröffentlicht,
iber die neuen Leute,
ist betitelt: „Ueber die
Sie
allerdings eine viel kleinere.
die Frechheit hatte. W
Behandlung von Stimmbandlähmungen mittelst Hypnose“. Die
hilden alten Musike
klinischen Erfahrungen, die ihn zu dieser Arbeit anregten, hatte
im zuen Lager. Wog
er als Assistent seines Vaters an der Poliklinik gesammelt. Nun —
auße sich war. Sie
mit Stimmbandlähmungen hat sich Artur später nicht mehr abgegeben,
Proltarierstück auf dil
wohl aber mit Hypnose. Siehe den Anatol=Zyklus. Wie wir uns
Burthard, der es versch
überhaupt manche der kostbarsten Arbeiten des Dichters ohne den
einmal in einem Inte
Mediziner nicht denken können. Nur ein Arzt mit Poetenseele konnte
Mit dem groß
„Das Sterben“ schreiben, konnte andererseits in den „Letzten Masken“
Todkranken das Lächeln eines erhabenen Humors auf die Lippen Schnitzler in die Rei
zaubern. Ueberdies hat das Medizinstudium Schnitzlers noch etwas arbeitete er gesamme
Gutes: alle die Personen, die in seinen Stücken und namentlich in förmlich zuflogen, m
seinen Novellen von hinnen gehen, sterben eines soliden Todes. Man was man einen regeln
weiß genau woran, und man ist beruhigt daß die Behandlung eine mittag an irgend etw
richtige gewesen ist. Man denke an die Frau, die den Geliebten ohne Tagen nimmt er d
Nachricht läßt, weil sie, von Kopstyphus befallen, zu Bette liegt, das Grund auf um. Das
sie nicht mehr verlassen soll; man denke an Personen, die zunächst Dialg Schnitzlers, der
nicht einmal sterben, sondern nur unglücklich werden. Wie zum Beispiel jeden Nachmittag wirh
jene Liedersängerin, die alles Augenlicht verliert. Wieso wird sie blind? auch ein Schreibtisch
koration oder Depot
Wir lesen's ausdrücklich: infolge einer Gehirnhautentzündung...
Doch um auf die Medizinerjahre unseres Dichters zurückzukommen: lang spazieren gegang
Ein vielgesuchter Arzt ist Herr Dr. Artur Schnitzler nicht geworben. Schnitler seit jeher
Wir müssen schon bitten: Er hatte seine schön eingerichteten Empfangs= in einr Mietvilla in
und Ordinationsräume neben der Junggesellenwohnung. Zuerst in der umgemen Heim in
Grillparzerstraße, dann im Hause Kärntnerring Nr. 12, woselbst sich Hofscauspielers Röm
auch ein bekanntes Modeatelier befindet. Die Stufen bis zu diesem gehr'stäglich nach P
Salon sind wohl einigermaßen abgetreten; aber weiter hinauf, wo ehe- weich Wiener Luft i
mals — bis in die späteren neunziger Jahre — der Herr Doktor sich u# früheren Jahr
Schnitzler junior ordinierte, sind sie blank und kantig geblieben wie haussneder
eine Feststiege! Die Leute trugen ihre Nasen und Kehlköpfe doch lieber gebste aber nahm A
Dieses Nachtma
MR
zu jemand anderem
Schwrmerei des D
Selbstverständlich hat unser Dichter schon während der Knaben¬
wußt er sich kein
jahre, die er am Akademischen Gymnasium versaß, „geschrieben“.
Brada an die Gart
Dramatische Sachen, Gedichte — er hat noch jetzt ganze Laden voll
.Das Richt
damit. Aber er hat sie nie herausgegeben, noch auch hat er Lust dazu.
im Wirtsbausgart
Doch vergessen hat er sie darum noch nicht. Der Name Medardus
bachtisch eine di
beispielsweise, des Helden seines größtangelegten Burgtheaterstückes, ist
teinmal brauch
einer Erzählung entnommen, die er noch auf „Theken“=Papier ge¬
nKau
#soiréen
schrieben hat, im Schulheft, ganz heimlich. Aber auch später, als er
schon an der Hochschule studierte, sah man's nicht gerne, daß er viel
Zeit den Schreibereien widme. In jener Zeit, da sich die Wiener
„Freie Bühne“ zu regen begann, in jenen wunderschönen Griensteidl¬
Jahren — das Casé ist seither vom Erdboden verschwunden —
bildeten Richard Beer=Hoffmann, Hugo v. Hofmanns¬
thal und Felix Salten den intimen Freunoeskreis um den
Dichter. Da wurde alles vorgelesen, was jeder von den Vieren ge¬
schrieben hatte. Im Ordinationszimmer Arturs hatte man ja Ruhe
genug. Hofmannsthal war der Jüngste; er besuchte noch das
Gymnasium, Einmal erwarteten ihn die drei anderen vor der Schotten¬
kirche, wo der Schüler der Sonntagsmesse beiwohnte; er gab
sein Schulpaket einem Kameraden und zog mit den Genossen
nach dem Wiener „Land“ Gewöhnlich ging's an's Donaugelände.
Man phantasierte und marschierte bis zum Abend, arbeitete dann
daheim spät in die Nacht hinein und hatte dann am Morgen
seine liebe Mühe, zur rechten Zeit ins Gymnasium oder auf die
Klinik zu kommen, wo zunächst Vater Schnitzler des Sohnes wartete.
Damals entstand der „Anatol“=Zyklus. Die einzelnen Stücke
kamen rasch hintereinander. Der junge Schriftsteller schuf aus dem
Vollen. In der nun schon lange entschlafenen, liebenswürdigen Wiener
Zeitschrift „An der schönen blauen Donau“ hatten Dr. Fedor
Mamroth und Dr. Paul Goldmann die ersten Arbeiten Arturs
veröffentlicht. Professor Schnitzler sah, daß sein Sohn der Medizin
immer fremder werde, um sich der Feder und ihren Leuten zuzuwenden.
Hier muß Klarheit geschaffen werden! Da packte der Vater heimlich
einige Arbeiten Arturs zusammen — der Zyklus fehlte nicht — und
gab sie einem alten Freunde des Hauses zu lesen: Adolf Sonnen¬
thal. Er, der gereifte Künstler, der den jungen Schnitzler von Kindes¬
beinen kannte, er sollte über desser Zukunft entscheiden. Und Sonnenthal
las die Sachen und sagte dem Regierungsrat Schnitzler die vollste Wahrheit.
wie er sie empfand. Er fällte das Urteil: „Völlig talentlos!“)
Ergo hieß es weiter fleißig in der Laryngologie arbeitenl)
0
Uebrigens muß man wissen, wie tief Sonnenthal damals noch in der
eiue festlich
alten, stilisierten Kunst stak, um sein Empfinden zu begreifen. Eine
Dr. Schlenth
verlönsiche
zwischen jene Bühnenhelden, die Sonnenthal damals spielte.
97e
er. — Der Dichter
hm Geburtstagskind dieser Woche: Artur Schni#
Derrn Affrenren der Poliklinik
Premierenabenden.
Mei
inisches vom Dichter und
k. Artur Schnitzler.
Adolf v. Sonnenthals.
lichterisches vom Mediziner. — Ein 1
ie Schnitzler arbeitet. — Der „##edardus“ als Festaufführung.
Diesmal versammelt sich die Wiener Theaterwelt ausnahmsweise
n ein Geburtstagskind, das kein Schauspieler ist, nein, bloß ein
ichter. Diese Woche gilt Artur Schnitzler. Burgtheater und
olkstheater widmen ihm einige Abende des Wochenspielplans. Seiner
bst aber werden sie nicht habhaft werden. Die Villa an der Stern¬
artestraße steht leer; der Hausherr hat sich mit Kind und Kegel
imlich davon gemacht — ans Meer; kein Trubel kann ihn erreichen.
wohl, dieser Weltmann von einem Dichter, der sich — nach seinen
chriften muß man's wohl glauben — gleich sicher fühlt in den Höhlen¬
artieren der Obdachlosen dieser Stadt wie in den Salons ihrer
ourgeoisie, dieser Fünfzigjährige hat noch ein hohes Gut zu wahren:
eine persönliche Keuschheit. Er wittert Gefahr für sie, er scheut davor
krück, eine Ehrung sozusagen körperlich entgegenzunehmen. Und das
doch sonst ganz und gar nicht Art und Sitte dramatischer Dichter,
ie überhaupt jener Menschen, die das Theater eingefangen hat. Sie
ugnen anfangs alle, eitel zu sein; aber in ihren glücklichsten Träumen
nnen sie doch keine Freude, mehr beseligend, als mit eigenen Augen
n Jubel zu sehen, den sie hervorrufen, mit ihrem Ohr das Geräusch
es Klatschens einzusaugen, das ihrer Person gilt, und solcherart
hren Ruhm, der sich für diese wenigen Augenblicke in etwas Wahr¬
sehmbares umsetzt, förmlich zu trinken. Und so verlieren sie allmälig
zne gewisse Scheu der eigenen Person. Sie abzulegen — meinen sie
inLauf der Jahre — gehöre zum Beruf. Mit denen aber hat Artur
Schnitzler nicht gleichen Schritt gehalten. Einstens hat er das
osungswort ausgegeben, Autoren sollen nicht mehr vor dem Publikum
rscheinen. Das hat er nicht aufrechterhalten können. Die Direktoren
bären geschädigt gewesen. Soll ihnen gerade der Dichter verweigern,
ken Erfolg zu legitimieren, wenn er glücklich erreicht ist? Und zu einem
iener Erfolg gehört nun einmal das „Erscheinen“ des Verfassers.
Aber peinlich ist es Artur Schnitzler immer gewesen, sich ins
stampenlicht zu stellen. Ueberhaupt lastete ein Premierenabend stets
hwer auf seiner Seele. Er hat — auch jetzt — noch nicht gelernt,
ieses Gemisch aus Parfümduft, Leimfarbe und Bosheit als Luft
inunterzuschlucken. Und wer den Dr. Schnitzler etwa während einer
einer Erstaufführungen im Theater sucht — auch wenn der Dichter
shon nach dem ersten Aktschlusse auf der Bühne erschienen wäre —
her bemüht sich vergeblich. Der „Herr Verfasser“ geht in den Gassen
m das Theater still auf und ab, seine Zigarette rauchend oder
igentlich beißend; denn erregt ist der Mann doch, und dann läuft er
um Bühnentürchen, wieder einmal zu fragen, ob denn noch nicht
Lactus“ sei, ob denn der Vorhang noch nicht falle. Und ist empört
ber sich selbst, daß er in all den Jahren nicht gelernt habe, kürzere
Akte zu schreiben; und meint, es würde ihm deshalb ganz Recht ge¬
schehen und zum Vorteil gereichen — für die Zukunft — gäbe ihm
das Publikum gerade heute seine Ungeduld in nicht gerade freund¬
icher Weise zu erkennen. Aber wenn es den Leuten doch nicht zu
lange geworden ist, wenn sie sein Werk verstanden und wohl aufge¬
ommen haben, so freut es ihn dann erst recht.
Und er denkt dann wohl an seinen Vater, den in wissenschaft¬
lichen Kreisen und in der Wiener Gesellschaft gewiß noch nicht ver¬
gessenen Laryngologen Professor Dr. Johann Schnitzler, der dahingehen
mußte, ohne auch nur einen einzigen literarischen Erfolg seines Sohnes
erlebt zu haben. Er starb, ein Opfer seines Berufes, an einer Infektion,
die er sich in der Praxis zugezogen. Es ist merkwürdig, daß die Men¬
schen sich noch immer nicht abgewöhnt haben, dem Schicksal den Weg
vorschreiben zu wollen. Dem Vater Schnitzlers sagten die Gymnasial¬
professoren seinerzeit voraus, er werde ein großer Schriftsteller werden,
ein Stolz Ungarns, der Dichter seines Vaterlandes. Und richtig wurde
Johann Schnitzler ein hervorragender Arzt. Und seinen erstgeborenen
Sohn Artur — nicht den zweiten, der mittlerweile der Chirurg Julius
hielt der Vater für einen Mediziner, be¬
Schnitzler geworden ist —
rufen, der Wiener Fakultät einst zur Zierde zu gereichen. Und richtig
wurde Artur ein Dichter. Und doch war Regierungsrat Schnitzler, der
Vater, ein Mann von starken künstlerischen Neigungen; er führte ein
großes Haus, in dem sich heimisch fühlte, was in der Wiener Kunst
und Literatur etwas zu bedeuten hatte. Aber die Liebe des Vaters
wollte zunächst den Lebensweg des Sohnes in eine gesicherte Bahn ge¬
lenkt wissen. Und gibt es etwas Höheres, Schöneres als das Wirken
eines Arztes, der seine Kunst beherrscht?
Artur war mit 23 Jahren zum Doktor der Medizin promoviert
worden. Seine Chefs, die Professoren Dr. Weinlechner und Doktor
Meynert, an deren Abteilungen er dann als Sekundararzt im Allge¬
meinen Krankenhause wirkte, stellten ihm das günstigste Horoskop; die
laryngologischen Spezialstudien, die Artur in Berlin und London
oc (Stüie
211
hep
——
es ein so heller Kopf in der Wissenschaft nicht zu etwas Rechtem
ad die als einsg mil
bringen? Ueberdies hatte er auch einen schriftstellerischen Erfolg —
en man nicht einschac
als Arzt natürlich. In allen ärztlichen Bibliothelen ist das bei Brock¬
Zenießer, Skeptiker un
haus Wien=Leipzig erschienene dicke Buch zu finden: „Klinischer Atlas
dimension daherkam,
der Laryngologie“, herausgegeben von Professor Dr. Johann Schnitzler
Zauernfeld niemals g
unter Mitwirkung von Dr. Hajek und Dr. A. Schnitzler. Dieser „A.“
heater kam — da da
ist Artur. Er hat später noch eine medizinische Arbeit veröffentlicht,
iber die neuen Leute,
ist betitelt: „Ueber die
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allerdings eine viel kleinere.
die Frechheit hatte. W
Behandlung von Stimmbandlähmungen mittelst Hypnose“. Die
hilden alten Musike
klinischen Erfahrungen, die ihn zu dieser Arbeit anregten, hatte
im zuen Lager. Wog
er als Assistent seines Vaters an der Poliklinik gesammelt. Nun —
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mit Stimmbandlähmungen hat sich Artur später nicht mehr abgegeben,
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wohl aber mit Hypnose. Siehe den Anatol=Zyklus. Wie wir uns
Burthard, der es versch
überhaupt manche der kostbarsten Arbeiten des Dichters ohne den
einmal in einem Inte
Mediziner nicht denken können. Nur ein Arzt mit Poetenseele konnte
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„Das Sterben“ schreiben, konnte andererseits in den „Letzten Masken“
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Gutes: alle die Personen, die in seinen Stücken und namentlich in förmlich zuflogen, m
seinen Novellen von hinnen gehen, sterben eines soliden Todes. Man was man einen regeln
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nicht einmal sterben, sondern nur unglücklich werden. Wie zum Beispiel jeden Nachmittag wirh
jene Liedersängerin, die alles Augenlicht verliert. Wieso wird sie blind? auch ein Schreibtisch
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Wir lesen's ausdrücklich: infolge einer Gehirnhautentzündung...
Doch um auf die Medizinerjahre unseres Dichters zurückzukommen: lang spazieren gegang
Ein vielgesuchter Arzt ist Herr Dr. Artur Schnitzler nicht geworben. Schnitler seit jeher
Wir müssen schon bitten: Er hatte seine schön eingerichteten Empfangs= in einr Mietvilla in
und Ordinationsräume neben der Junggesellenwohnung. Zuerst in der umgemen Heim in
Grillparzerstraße, dann im Hause Kärntnerring Nr. 12, woselbst sich Hofscauspielers Röm
auch ein bekanntes Modeatelier befindet. Die Stufen bis zu diesem gehr'stäglich nach P
Salon sind wohl einigermaßen abgetreten; aber weiter hinauf, wo ehe- weich Wiener Luft i
mals — bis in die späteren neunziger Jahre — der Herr Doktor sich u# früheren Jahr
Schnitzler junior ordinierte, sind sie blank und kantig geblieben wie haussneder
eine Feststiege! Die Leute trugen ihre Nasen und Kehlköpfe doch lieber gebste aber nahm A
Dieses Nachtma
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Schwrmerei des D
Selbstverständlich hat unser Dichter schon während der Knaben¬
wußt er sich kein
jahre, die er am Akademischen Gymnasium versaß, „geschrieben“.
Brada an die Gart
Dramatische Sachen, Gedichte — er hat noch jetzt ganze Laden voll
.Das Richt
damit. Aber er hat sie nie herausgegeben, noch auch hat er Lust dazu.
im Wirtsbausgart
Doch vergessen hat er sie darum noch nicht. Der Name Medardus
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beispielsweise, des Helden seines größtangelegten Burgtheaterstückes, ist
teinmal brauch
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nKau
#soiréen
schrieben hat, im Schulheft, ganz heimlich. Aber auch später, als er
schon an der Hochschule studierte, sah man's nicht gerne, daß er viel
Zeit den Schreibereien widme. In jener Zeit, da sich die Wiener
„Freie Bühne“ zu regen begann, in jenen wunderschönen Griensteidl¬
Jahren — das Casé ist seither vom Erdboden verschwunden —
bildeten Richard Beer=Hoffmann, Hugo v. Hofmanns¬
thal und Felix Salten den intimen Freunoeskreis um den
Dichter. Da wurde alles vorgelesen, was jeder von den Vieren ge¬
schrieben hatte. Im Ordinationszimmer Arturs hatte man ja Ruhe
genug. Hofmannsthal war der Jüngste; er besuchte noch das
Gymnasium, Einmal erwarteten ihn die drei anderen vor der Schotten¬
kirche, wo der Schüler der Sonntagsmesse beiwohnte; er gab
sein Schulpaket einem Kameraden und zog mit den Genossen
nach dem Wiener „Land“ Gewöhnlich ging's an's Donaugelände.
Man phantasierte und marschierte bis zum Abend, arbeitete dann
daheim spät in die Nacht hinein und hatte dann am Morgen
seine liebe Mühe, zur rechten Zeit ins Gymnasium oder auf die
Klinik zu kommen, wo zunächst Vater Schnitzler des Sohnes wartete.
Damals entstand der „Anatol“=Zyklus. Die einzelnen Stücke
kamen rasch hintereinander. Der junge Schriftsteller schuf aus dem
Vollen. In der nun schon lange entschlafenen, liebenswürdigen Wiener
Zeitschrift „An der schönen blauen Donau“ hatten Dr. Fedor
Mamroth und Dr. Paul Goldmann die ersten Arbeiten Arturs
veröffentlicht. Professor Schnitzler sah, daß sein Sohn der Medizin
immer fremder werde, um sich der Feder und ihren Leuten zuzuwenden.
Hier muß Klarheit geschaffen werden! Da packte der Vater heimlich
einige Arbeiten Arturs zusammen — der Zyklus fehlte nicht — und
gab sie einem alten Freunde des Hauses zu lesen: Adolf Sonnen¬
thal. Er, der gereifte Künstler, der den jungen Schnitzler von Kindes¬
beinen kannte, er sollte über desser Zukunft entscheiden. Und Sonnenthal
las die Sachen und sagte dem Regierungsrat Schnitzler die vollste Wahrheit.
wie er sie empfand. Er fällte das Urteil: „Völlig talentlos!“)
Ergo hieß es weiter fleißig in der Laryngologie arbeitenl)
0
Uebrigens muß man wissen, wie tief Sonnenthal damals noch in der
eiue festlich
alten, stilisierten Kunst stak, um sein Empfinden zu begreifen. Eine
Dr. Schlenth
verlönsiche
zwischen jene Bühnenhelden, die Sonnenthal damals spielte.
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