VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 114


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Rundschau
von einhelliger Herzlichkeit. Worin
blimer Werkireue arbeitet, bleibt er
uns nimmer dunkel noch fern. Eine
liegt nun eigentlich das Geheimnie
Werktreue, aus der man seine Persönlich¬
dieses bewunderten Erfolges? Nach
meinem Empfinden zumeist in der keit am sichersten kennen, seinen Künstler
am höchsten schätzen lernt. Eine Werk¬
tiefinnigen Verschmelzung einer von
treue, die seine Kunst ihm selbst nicht
außen viel empfangenden Persönlichkeit
einen Augenblick zur bloßen Bedute
mit einer wohlberatenen Kunst und
macht, vielmehr seine ganze Kraft an die
einer Kunstübung von hingebender
Lösung jeder Aufgabe, auch der kleinsten,
Treue. Ferner darin: daß dieser Dichter
ruft. Schnitzler hat arbeitend ein
der blutjung=treibenden Liebe und des
wichtiges Kunstdogma begriffen. Und
erlösenden Sterbens niemals ein
das gibt ihm Wirkung und Macht von
„Apostel“ sein will — selbst in seinem
Dauer. Das Dogma: die Dichtung, vor
Tendenz=Roman „Der Weg ins Freie“
allem das Drama, soll befähigt sein,
vermeidet er den Apostelton geflissent¬
unsere Seele weit zu erschließen; soll
lich — sondern immer nur ein schlichter
in uns wecken, was unbewußt in uns
Herzdeuter, ein gütiger Schuldversteher, ein
gelegen; soll gemacht und geeignet
Fehltilgender, wie vornehmlich in seinen
sein: zum starken Miterleben in uns aufzu¬
Wiener Dramen „Liebelei", „Freiwild“.
rufen, was als Schicksal, Bestimmung oder
„Comtesse Mizzi“ u. A. Endlich darin:
Verhängnis Anderer vor unserer Im¬
daß er in alledem unverändert von
pression sich vollzieht. Darum hat
Anbeginn bis zur Stunde so bezaubernd
immer das unmittelbar Wirkliche als
jungfühlig und voll Altersklugheit ge¬
Gegenstand seiner lebendigen Dar¬
blieben. In allem Wollen und Wesen
stellungen ihn am tiefsten angeregt.
der klar Erfaßliche! Und daß er — neben
Damit hat er die nachhaltigsten und
seiner Neigung zur Tragik der ver¬
innerlichsten Eindrücke sich zu sichern
borgenen Schicksalsbeziehungen — heut,
gewußt.
wie von Anbeainn, voll herzlichem
Ich denke an seinen ersten Wurf
Humor, überlegener Ironie und psycho¬
„Liebelei". Den Premierenabend wird
logischer Nachsicht in der Beurteilung
niemand vergessen, der ihn erleben
menschlicher Irrungen geblieben. Und
durfte: Das war gar kein „Spiel",
was ihn in alledem auszeichnet: die
das war ein Stück wirkliche Jugend
konsequente Charakteristik seiner Gestalten,
in Glück und Fehl, in Seligkeit, Ver¬
für die er die knappsten Dialog=Finessen
trauen und Sterben. Alles äußere
von blendender Beredsamkeit, Schlag¬
Vollziehen beinahe kunstgegensätzlich;
fertigkeit, Lebensfülle findet.
aber alles Erleben so pulswarm jung
Nicht in allen seinen Werken be¬
und wirklich; und der Dichter in seiner
tätigt Schnitzler diese Vollsumme seiner
Greisenweisheit so kindhaft unwillkür¬
Begabung und in dem Einzelnen nicht
lich. Es war für ihn schon damals
immer gleich stark und wirkungsicher.
sehr charakteristisch, daß er der blut¬
Aber überall ist seine Kunst in hohem
jungen Heldin, dem Kind Christine,
Grade mitteilsam. Immer weiß er,
als letzten Aufschrei vor ihrem ver¬
auch in Symbolischem und „den Dingen
zweifelten Sterben die Worte in den
zwischen Himmel und Erde“ — wie
Mund legt: „Vater, verstehst du die
in den Novellen „Dämmerseelen“
Welt noch?“ die Hebbels Meister Anton
sich uns verständlich zu
als letzten Seufzer seiner Sorgen aus¬
machen. Und was wir verstehen —
stößt, „ich verstehe die Welt nicht mehr“.
besitzen wir. Was wir besitzen — lieben
Übrigens: die äußere Wirkung
und hätscheln wir gern. Dank seiner
Schnitzlers wurde sicherlich dadurch ver¬
durchseelten Wortbelebung, die mit su¬
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