VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 10

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Straßenbild von Genua, dem Schauplatz der Konferenz.
des Scheins bedeuten, als auch draußen in der wirklichen Welt des
Seins ein dröhnendes Echo wecken und, wie hier im wahren Sinne
des Wortes, die Reaktion aufwühlen, dann sind sie mehr als das
launische Spiel des künstlerischen Genius. Dann sind sie aufrechte
Schöpfungen eines Gestalters, der dem bildhaften Ton, aus dem
er seine Werke formt, den heißen Atem des pulsenden Lebens ein¬
gehaucht hat: „Ein Herrgott-Schnitzler“
Dr. Heinrich Schreiber.
Wir wissen es nicht: Sollen wir den Dichter loben, weil er uns
damals, als wir jung waren, bereits den herben Geschmack des Lebens
zu kosten gegeben und vor die Fröhlichkeit des unbekümmerten
Daseins ein ernstes Rufzeichen gesetzt hat? Oder sind wir berechtigt,
darob zu klagen, daß man unsere „Leutnant Gustl“-Natur nicht betonen
und die Grenzfälle lieber nicht dichterisch ausweiten soll? Eine Zeit
des Ubergangs, wie die unsrige, kann nur sehr wenige Vollmenschen
hervorbringen. Die meisten sind zerrissen, halb, doppelzüngig, rauh.
Aber seit die Kriegsfurie zu toben begonnen und seit der unselige
Frieden die häßlichen Instinkte noch gefördert hat, haben wir einsehen
gelernt, daß nur ein genialer Künstler die Untiefen der menschlichen
Natur so seherisch zu bestimmen und zu erkennen, die seltsamsten
Vorgänge des Geschlechtslebens zu erfassen und die Bitternisse des
tragischen Alltags rührend zu schildern vermag.
Dr. Heinrich Herbatschek.
Schnitzlers vielverlästerter „Reigen“ besticht, wie alle seiné
Theaterstücke und Romane, durch die Sprache. Für Dinge, die sonst
unsagbar, also nur in Zoten möglich sind, und in unzüchtigen Bildern,
findet der Dichter Worte. Er hat Esprit. Und er schrieb den „Weg ins
Freie“ und den „Einsamen Weg“ nebst vielem anderen. Er schürft
auch in schwer zugänglichen Tiefen der Seele. Uberail treibt die
Erotik ihr Wesen, und ihre Formen sind so wandelbar wie die
Menschen; Schnitzler wird ihnen allen gerecht. Von einer Abnahme
seiner Kräfte ist keine Spur zu bemerken. Fast wäre man versucht, zu
fragen, ob er die Höhe schon erreicht habe und dem Publikum nicht
noch neue Uberraschungen bevorstünden.
Es ist die Kunst des Dichters, Allgemeingefühle in besonderer
Form auszusagen. Heute aber verzichte ich auf den Ehrgeiz, über den
verehrten und lieben Arztkollegen Dr. Arthur Schnitzler dichterisch zu
schreiben. Ich spreche ein Gemeingefühl aus, wenn ich sage, daß ihn
alle, die ihn kennen, auch lieben und innig verehren; ich würde mich
in unserer beider Namen schämen, wenn ich für diese Worte einen
pathetischen Hermelin von Phrasen suchen würde. Und darum sind
ist er denn wirklich
meine Wünsche zu seinem 60. Geburtstage
schon 60 Jahre alt? — so herzlich und aufrichtig.
MUDr. Hugo Salus.
Arthur Schnitzler, dem Kulturpoeten.
Du, feiner Geist, gehörst nicht zu den Vielen,
Du lehnst auf hoher Zinne, still, allein,
Und um dein bärtig Antlitz träumt ein Schein
Von „Liebeln, Sterbeln und Komödienspielen“.
Du langtest nie nach weltenfernen Zielen,
Umzirkt ist dein Gebiet, wenn auch nicht klein,
Und dann: welch Dichter könnte größer sein
Im — Liebeln, Sterbeln und Komödienspielen!
Karl Strecker.
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besiegt, er selbst mag in der Einsankeit eines entsagungsvollen L.0
abends über die Vergänglichkeit aller irdischen Schätze und Güter
denken. Unsere Gedanken aber befassen sich nicht mehr mit
und Größe; zu stark schmerzt noch die Wunde, zu grauenvoll
Ernüchterung, die uns ein langer, erbarmungsloser Krieg br¬
Nicht auf Vergeltung sinnen wir, wir wollen nicht zerstören, so
aufbauen. Aber titanenhaft ist die Arbeit, die uns bevorsteht
werden das Land der Erfüllung nicht mehr sehen, sondern eine
Generation wird dereinst, gestählt durch die Erfahrung einer eis
Zeit und frei von den Vorurteilen einer überwundenen Epoche
frischer Lust an die Arbeit gehen und von Erfolg träumen, wie
in besseren Tagen taten. Wir können nur den Samen streuen, sie
wird mit sicherer Hand das Keimende und Werdende pflegen
hüten. Auf daß die Kinder dereinst unser Schutz sein mögen, auf
ihnen unsere Werke und unser Denken zugute komme, müssen w
sie sorgen, solange sie klein und gebrechlich sind.
Diejenigen, die in erster Linie berufen sein werden, die Trür
fortzuschaffen und neu zu bauen, das sind die Kinder der Entrech
sie, die in bitterer Armut ihr Brot verzehren; denn sie sind,
sie ein gütiges Geschick nicht rechtzeitig von ihren Leiden erlöste
sie nicht den häßlichen Begierden der Gasse zum Opfer fielen,
und tüchtig geworden in der Schule des Lebens. Wehe uns, wen
hier nicht Wandel schaffen, wenn unsere wohlgepflegten, zä
gehüteten Kinder dereinst unsere Unterlassungssünde büßen mü
Wenn nicht aus Mitleid, so sollten wir aus Erhaltungstrieb schw
und hilflose kleine Wesen zu kräftigen und zu fördern suchen;
Neid und Mißgunst sind in den meisten Fällen die Ursache der sch
lichsten Verbrechen, Eine glückliche Jugend ist das beste Funda
für das zukünftige Leben, die seligen Erinnerungen retten
Heiterkeit und Gleichmut für die kommenden grauen Tage des
Alters; eine schlecht und elend verbrachte Jugend jedoch erfüll
Verbitterung, macht hart und unbarmherzig gegen Glücklichere. Dy
sollen wir unsere Kinder nicht zum Hochmut erziehen, sondern
frühzeitig soziales Empfinden beibringen. Denn man darf nicht
gessen, daß die Worte des französischen Philosophen „Les hon
sont mauvais, mais l’omme est naturellement bon“ nur sehr bed
Gültigkeit haben. Egoismus ist die stärkste Triebfeder des Mens
und schon beim Kinde im Keim vorhanden. Ihn nach Möglichke
veredeln, den engen Egoismus, das begreifliche Streben glücklic
werden, auf die Umgebung und später auf die Menschheit
zudehnen, im Wohlstand und in der Zufriedenheit des andern
wesentlichen Bestandteil des eigenen Glücks zu sehen, ist die ec
Aufgabe der Kindererziehung. Ihr schönen, jungen und wohlhabe
Mütter, de ihr mit berechtigtem Stolze auf eure Kinder blick
könnt nur wahrhaftig glücklich werden und zum Glück eurer Lieb
beisteuern, wenn ihr das Schicksal armer, verlassener Kinder gelit
habt! Jede Träne, die ihr trocknet, möge euren Kleinen ein
Lächeln entlocken.
Olga Sachsel-Lichtenstei
Kaiser Karl.
Ein schuldlos Opfer schwerer Zeit
Wardst du gerichtet und verbannt;
Man hat, was du gewollt, verkannt
Und all dein Tun in Bitterkeit entstellt.
An deinem Leben fraß ein schweres Leid,
Du starbst von Kummer tief bedrückt.
Wär’ uns der Sieg gen Ubermacht geglückt,
Du stündest da, als Halbgott hoch erhoben,
Von Lorbeer reich und Schmeichelei umwoben. —
So ist die Welt!
Heinrich v. Schuller
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