VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 15

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goth Birthday
Nr. 5
Deutschösterreichische Bühnenvereins=Zeitung
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„Letzten Masken“, im „Zwischenspiel“ in „Komtesse Mizzi“,
bereichernde, stählende künstlerische Aufgaben dar, die von
in den „Schwestern“ und werden in dem die Haupttypen der
ihm Gedankenarbeit heischen, ihn über sich selbst, über seine
Bühnengenres aufweisenden Maronettentheater und dessen
alltägliche Handwerksbeschäftigung hinausheben, ihm die Fest¬
Direktor der Burleske „Zum großen Wurstel“ witzig=satirisch
stimmung des Schaffens einhauchen und die Liebe für den
symbolisiert und allegorisiert. So ist Arthur Schnitzlers
Beruf, die Achtung vor seinem Talent erhöhen. Ohne sich
Schaffen mit tausendfachen Fäden an das Theater geinüpft,
selbst hierüber klare Rechenschaft zu geben, ist der Schau¬
schießen warme Ströme herüber und hinüber. Das Wort sei¬
spieler doch dem Dichter in dankbarer Liebe und liebender
nes Paracelsus: „Wie spielen immer; wer es weiß, ist klug
Dankbarkeit ergeben, der ihn einspinnt in jene „Augenblicke,
dürfte als Motto über seinem Gesamtwerke stehen. Ihm ist
die einen Duft von Ewigkeit um sich sprühen“, wie es in der
die Welt Theater und darum das Theater die Welt, die er
„Liebelei“ heißt.
mit besonderer Liebe umfängt und mit Liebe kohnt sie es ihm.
Arthur Schnitzler empfängt Liebe, wo er Liebe gibt.
Von seinen ersten dichterischen Atemzügen un hat er seine Zu¬
neigung für das Theater bekundet, hat er sich mit dieser Welt
Wiener Lohnbewegung.
und ihren Menschen besonders aufmerksam und warm beschäf¬
Die Löhne des Mai wurden durch die paritätische Kom¬
tigt. Er hat nicht nur schon als blutjunger Mensch, als Stu¬
mission geregelt. Das Protokoll der Sitzung hat folgenden
dent in privalen Kreisen selbst Theater gespielt, er hat auch
im Elternhause von früher Jugend an mit den Berühmtheiten
Wortlaut:
Die paritätische Lohnkommission tritt im Sinne des Punks¬
der Wiener Bühne, die alle seinen Vater, den berühmten
tes 5 des Protokolles vom 6. Jänner 1922 zusammen.
Laryngologen, als ärztlichen Berater und als weisen, lebens¬
Vorsitzender: Sektionschef i. P. Dr. Emanuel Adler.
klugen Freund schätzten, Verlehr gepflogen, hat ihnen die
Anwesend: Für den Direktorenverband Präsident Ber¬
Seelen abgehorcht und die Eigenart des Schauspielertypus
nau, Dr. Emil Geyer, Direktor Steininger und Rechts¬
in den Kreis seiner dichterischen Behandlung einbezogen. In
anwalt Dr. Francos. Für den Bühnenverein Präsident
dem Heere von Gestalten, die seine Kunst in bewunderns¬
Stärk, Sekretär Eisler. Für die Union der Theater= und
würdiger Mannigsaltigkeit, lebendigster Gegenwartskraft und
Kinopersonale Obmann Müller, Sekretär Hermann.
kernigster Wirklichkeit auf die Beine gestellt hat, rekrutieren
Die Bühnenangestellten stellen die Forderung, die Mai¬
die Bühnenleute die stärkste Abteilung. Die lange Reihse er¬
öffnen ein Sonnenthal=Abklatsch und eine Sängerin mit kran¬
bezüge im Sinne der Protokolle vom 6. Jänner und vom
kem Kehlkopf in einem nur wenigen Auserwähllten bekannt¬
18. Jänner 1922 um 25 Prozent ihres Ausmaßes zu er¬
höhen. Die Vertreter des Direktorenverbandes erklären, der
gewordenen Festspielchen, das der noch ganz junge Arthur
zu einem Berufsjubiläum seines Vaters gedichtet und darin
Forderung nicht entsprechen zu können. Der Vorsitzende diri¬
er selbst den Vater gemimt hat. Der Held der „Anatol“=
miert nach längerer Debatte wie folgt:
Szenen ist kein Schauspieler von Beruf, aber ein bewußter
„Die Erhöhung der Bezüge für den Monat Mai beträgt
Lebenskomödiant, der sich selbst, seine ganze Umwelt und sein
25 Prozent bis zu einem Maximalbettag von K 221.500, so
Verhältnis zu ihr inszeniert, dem Stimmung „Lebenselirier“
zwar, daß Mitglieder, die in einem höheren Gagenbezug stehen,
ist, Illusion lieber als Wahrheit und der, um im Genuß
den 25 prozentigen Zuschlag nur von den ersten 221.500 K
des Scheines zu bleiben, seine in hypnotischem Schlafe liegende
zu erhalten haben.
Für die Zahlung ab 1. Juni 1922 ist ein Theaterdirektor,
Cora durch „die Frage an das Schicksal“ nicht zwingt, ihm
das Gesicht der Wahrheit zu enthüllen. Das wirkliche Theater
der nachzuweisen in der Lage ist, daß er diese Leistungen nicht
spielt aber auch in diese Szene mit der köstlichen Figur der
erfüllen kann, befugt, durch den Direktorenverband an die Ar¬
beitnehmerorganisationen mit dem Ersuchen um Ermäßigung
lebensfreudigen. Choristin Annie im „Abschiedssouper“ hinein.
„Das Märchen“ behandelt das Schicksal der Schauspielerin
heranzutreten. Kommt es zwischen beiden Organisationen zu
keiner Einigung, so hat die nach § 4 des Protokolles vom
Fanny Theren, der es nicht gelingt, sich aus den Fußangeln
ihres Beruses in Leben und Liebe hinein zu retten. „Liebelei“
6. Jänner 1922 einberufene Lohnkommission zu entscheiden.
Im übrigen bleiben die bestehenden Lohnabkommen auf¬
steht durch die rührende Vatergestalt des alten Geigers am
Theater in der Josefstadt mit der Bühnenwelt in Verbin¬
recht.
In der Begnündung der Entscheidung erklärt der Vor¬
dung, die dem nächsten Werke „Freiwild“ schon das Haupt¬
sitzende, daß bei der Beurteilung des Umstandes, ob ein
milteu, eine ganze Reihe interessanter, rassiger Menschen mit
Theaterdirektor die am 22. Mai beschlossenen Bezugserhö¬
dem Sommertheaterdirektor Schneider, dem Regisseur Finke,
hungen erfüllen kann, auch frühere Gewinne maßgebend sein
dem Liebhaber und Heldendarsteller Balduin, dem Komiker
sollen. Auch sind bei dieser Beurteilung Kaufanbote auf sein
Enderle, der naiven Anna Niedel, der Soubrette Pepi Fischer,
der Liebhaberin Kätchen Schütz, dem Kassierer Kohn und was
Unternehmen zu würdigen.“
das Wesentlichste ist, auch den Kern des Stoffes, die aus
Wien, am 22. Mai 1922.
diesem Milieu erwachsende Tendenz, liefert. Dem „Vermächt¬
nis“ in dessen Mittelpunkt auch die Herzenstragödie einer
Schauspielerin steht, folgt die kostbare Groteske „Der grüne
Der Kollektivvertrag.
Kakadu“ vielleicht das bedeutendste Kleinstück der Welt¬
Der neue Dienstvertrag hat für die Wiener Betriebe fol¬
literatur, dessen phantasievolle, bunte Bewegtheit das dämme¬
#rige Rätselspiel der Durchdringung von Schein und Sein
genden Wortlaut:
aufdeckt. Wie in der vom sensationslüsternen hohen Adel
A) Besondere Bestimmungen.
der Revolutionsepoche gern aufgesuchten Spekunke eines ge¬
§ 1.
wesenen Theaterdirektors den feinen Herrschaften allerlei Fre¬
Das Mitglied ist
veltaten, Laster und Verruchtheiten vorgespielt werden, wie
für die Kunstgattung als
da der wirkliche Mörder nicht überzeugend und glaubhaft
für das Kunstfach als
wirkt und als talentlos abgelehnt wird, wie dann der geniale
Henri aus dem gemimten Verbrechen in das wirkliche hinein¬
II. für die Kunstgattung als
auf der Grundlage des angeschlossenen Rollenverzeichnisses
gestoßen wird, das ist zu einer die Ewigkeit durchklingenden
und für das aus dem Rollenverzeichnis sich ergebende
dramatischen Ausdrucks= und Eindrucksgewalt gebracht.
Nollengebiet und für das folgende Rollengebiet
Menschen vom Theater, mannigfach beleuchtet, tauchen
Theater in
an das
noch in vielen Stücken und Erzählungen Schnitzlers auf, so¬
verpflichtet.
um nur noch einiges herbeizuziehen — im „Neigen“ in den