VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 31

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BERLIN SO 16. RUNGESTRASSE 22-24
Frankfurter Zeitung
Ausschnitt aus der Nummer vom:

13 MATUF
Abendblatt



Arthur Schnitzler
zu seinem sechtigsten Geburrslag.
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Wir entnehmen einer Rundfrage aus der bei S. Fischer,
Berlin erscheinenden „Neuen Rundschau“ die folgenden
Aeußerungen zum 60. Geburtstag Arthur Schnitzlers:
Arthur Schnitzlers warme und feine Begabung besitzt einen
Zug, der in Deutschland selten ist, Grazie. Es ist deutsche Grazte,
keine französische. Seine Gestalten, sein Theater ist unaufdring¬
lich bis zur möglichen Grenze. Man wird diesen deshalb manch¬
imal ein wenig blaß anmutenden Schriftsteller immer wieder revi¬
dieren müssen, um die farbigen Reize und großen Schönheiten sei¬
nes Werkes nicht zu verlieren und für den deutschen Dauerbesitz
zu retten. Den Sinn für Schnitzler besitzen, heißt Kultur besitzen,
und sich von Schnitzler angezogen fühlen, heißt die Kultur suchen.
Es sollte viel mehr, als es geschieht, Schnitzler gespielt werden.
Gerhart Hauptmann.
Schnitzlers Theaterstücke sind vollkommene Theaterstücke, ge¬
baut, um zu fesseln, zu beschäftigen, zu unterhalten, in geistreicher
Weise zu überraschen; sie tun dem Augenblick genug und vermögen
noch nachträglich, das Gemüt und die Gedanken zu beschäftigen;
ihre Handlung und ihr Dialog beschwingen einander wechsel¬
weise, die Charaktere sind vorzüglich erfunden, leben ihr eigenes
Leben und dienen dach nur dem Ganzen. Wenn man diese Stücke
auf der Bühne sieht, hat man das Gefühl: derjenige, der sie ge¬
macht hat, ist auf den Brettern zuhause und hat keinen anderen
Chrgeiz, als durch das Theater zu wirken.
Schnitzlers Erzählungen sind lebendig, spannend; sie haben
immer das nötige Detail, aber nie zu viel davon, sie haben
Psycholegie, aber die Psychologie dient nur dazu, den Gang
des Ganzen in einem reizenden Rhythmus bald zu verlangsamen,
bald zu beschleunigen sie stecken voll Beobachtung, aber auch die
Beobachtung ist dem eigentlichen Reiz der Erzählung
sie von
untergeordnet. Man hat das Gefühl daß
einem Mann herrühren, dessen primäres Talent das Talent
des Erzählens kurzer oder eigentlich mittellanger Erzählungen ist.
In beiden Formen: Drama und Erzählung ist er durchaus ein
Künstler, und war es vom ersten Tage an. Es ist ein erstaunlicher
Gedanke, daß die kleinen Szenen aus dem Leben einer erfundenen
Figur „Anatol“ die heute aller Welt in Europa und über Europa
hinaus grläufig ist, und eine kurze in ihrer Art vo kommen reife
und meisterhafte Erzählung „Reichtum“ das erste waren, womit
er vor so vielen Jahren hervortrat.
Ihm sind alle Instrumente zu Dienst, die das Handwerk einem
erfahrenen und sehr nachdenklichen Künstler in die Hand gibt,
um selbst den scheinbar unergiebigen Stoff ganz zu bezwingen und
der Materie ihren inneren Reichtum zu entlocken. Keines davon
gebraucht er mit größerer und reizvollerer Virtuosität als die
Eunasen

Ironie. Je kühner er diese anwendet, je mehr er seinen Stoff!
und seine Motive mit ihr in die Enge treibt, desto weiter er¬
scheint paradoxerweise sein geistiger Horizont. So würde ich
sagen, daß neben der „Liebelei“, die eine Arbeit von ganz einziger
Art ist, einige seiner kleinen Kunstwerke — Erzählungen oder
Drenen — durch den Zauber der Ironie als die größten er¬
scheinen. Ihnen allen wohnt nicht nur die Andeutung inne, d
der Schöpfer dieser kleinen Welten mehr von der Welt weiß,
er zu sagen vorhat — dies ist ein gewöhnlicher Reslex aller Ironie
sondern auch dieses Besondere: man ahnt, er hätte noch mehr
und vielleicht noch stürkeres zu geben, als ihm bisher zu geben
war. Unter diesen Umständen kann
gefallen hat oder gestattet
man nicht vom Alter eines solchen Menschen sprechen, denn es ist
durchaus möglich, daß ein solcher von einem Teil seiner Kräfte
noch niemals sichtbaren Gebrauch gemacht und auch einen Teil
seiner Jugend irgendwo zurückbehalten oder verborgen hat.
Hugo von Hofmannsthal.
Ich bin der wiederkehrenden Gelegenheit froh, Arthur Schnitz¬
ler meiner alten und immer neuen Bewunderung zu versichern.
Die Stunden, ich wiederhole es, die ich im Theater oder zu Hause
im Lesestuhl mit der Anschauung seiner Werke verbrachte,
waren solche künstlerischer Geborgenheit, unzweifelhaftesten
Vollendet
Vergnügens, glücklich erhöhten Lebensgefühls.
jene seelische Sphäre in
er heute für
österreichisch,
hineingewachsen,
ähnlich repräsentative Stellung
eine
wie etwa Hauptmann für das Reich. Seine Schöpfungen
besitzen allen Schmelz, alle Geschmackskultur, alle Liebenswürdig¬
keiten des Oesterreichertums; aber als ihr besonderes Charakte¬
ristikum erscheint mir eine gewisse Lebensstrenge, die weh tut —
und die wohl eigentlich nicht österreichisch ist. Hofmannsthal ist
traumhaft intensiv, aber er hat nicht dies, und auch Altenberg*
hat es nicht. Es mag vom Aerztlichen herrühren, — das Un¬
empfindliche, Unerbittliche. Es ist außerdem erotischer Ernst, die
Lebensstimmung des Friedrich Hofreiter im „Weiten Land“ der
sagt: „Ah, hältst du das für so besonders lustig?“ Steinrück, eine
schraffe Natur, sprach es unübertrefflich. Leidenschaft ... ist sie
österreichisch? Aber von Anfang war auch das andere im Spiel:
Weisheit; zuerst als Skepfis und Lockerheit, dann immer männ¬
licher und gütiger sich ausbreitend. Was aber wäre liebenswert,
was ehrwürdig, was ergäbe Dichterwerk, Dichterleben, wenn nicht
die Vereinigung von Leidenschaft und Weisheit, Strenge und
Thomas Mann.
Güte?
Ich habe Schnitzler, vom allerersten Anfang her, begleitet und
geliebt. Meine Sätze stehn in der „Welt im Drama“: Band I,
Seite 119—142. Band II Seite 275—309. Er war ein
Mehrer des Reichs: für die Frage der Vermischung oder Unver¬
Alfred Kerr. „
mischbarkeit zweier Seelen