VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 39

6oth Birthday box 39/3
Nr. 13208
13. Mai 1922
Wiener Allgemeine Zeitung
Heute nun, 1922, ist es aus Frankreich, daß
Worte der Dankbarkeit und der Bewunderung
kommen, Worte, die sich mit jenen einigen, welche
aus Anlaß der Feier des 60. Geburtstages von
Jaonaum.
Aeide Schiligiees
Arthur Schnitzler, aus dessen dramatischem Wers
liche Ergriffenheit ist immer ungeschickt.
Verehrter Freundl
eben jetzt „„L'Deuvre“ in Paris ein Stück aufge¬
So weiß er sicherlich nicht, welche zarte
Ich habe es mir vor zehn Jahren, als
führt hat, ihm gewidmet werden.
und besondere Freude uns in Paris seine
Zwischen diesen zwei Jahreszahlen liegt eine
Ihr fünfzigster Geburtstag gefeiert wurde
Werke, die Antoine und Lugne=Poe gespielt
in ihren Tiesen zernichtete Welt. Ist es aber
zugeschworen, der unübersehbaren Flut von
haben und die ins Französische übersetzten
literarischen Würdigungen und Zeitungs¬
möglich, nicht stets daran zu denken, daß der
Novellen bereiten. Er weiß nicht wie nahe
Kataklysmus niemals jene Welt treffen konnte,
artikeln (falls wir gemeinsam Ihren 60.
wir uns ihm fühlen; wie ungemein ich und
in der Menschen sich gegenseitig ehren, und immer
erleben wurden) kein Blatt hinzuzufügen.
meine Freunde diese seine so synthetische,
inniger schätzen werden, über die weiten Strecken
Ich bin gegen Bilanzierungen: wenn es
so konzentrierte, wissende und seltsam inten¬
hinweg, die von Verbrechen, Niedrigkeit, Un¬
um das Werk eines lebendigen schöpferi¬
sive Kunst lieben. Diese Kunst, die jedem
wissenheit und Häßlichkeit ausgerodet werden?
schen Geistes geht. Dies durch mein
Pathos feind ist, und das Höchstmaß von
Muß man deshalb nicht trotz alledem einer großen
Schweigen an dem sakramentalen Feuille¬
seelischer Bewegung durch ein Mindestmaß
Hoffnung leben? Dem Tag entgegen, da endlich
tontag der Schnitzler=Feier zu dokumen¬
von Aufwand erringt.
aus diesen Tiefen solcher Stimmen weitschallender
tieren, war meine Absicht. Daß ich aber
„Was zu lernen not tut", so schrieb
Ruf nicht mehr in der Wüste verhallen wird.
berufen sein werde, in anderer schönerer
Marie Leneru in ihrem Tagebuch, „ist:
Leon Balzagette.
und erhebenderer Art Ihnen als Gratu¬
Alles zu sagen — durch Ungesagtes. Auch
lant nahen zu dürfen, dies ist mir beson¬
die Prosa verlangt nach Pausen — wie die
dere Ehre und Freude.
Paris, 8. Mai 1922.
Musik. Wie leicht ist es uns, durch unsere
Als ich nach dem „friedlosen“
Nous saluons affectueusement en
Worterfahrenheit, jedem Gedanken sein
Friedensschluß zum erstenmale in Paris
Arthur Schnitzler, a la fois un grand
Kleid zu wählen und ihm künstlerischen
meine Freunde wiedersah; als ich dann
et profond ecrivain, et de ces trop
Ausdruck zu geben. Aber die wirkliche große
durch jene stille Auslese, die Gleichgesinnte
rares et d’autant precieux esprits euro¬
Form wird nur durch Auslassen bestimmt.
geheimnisvoll zueinanderführt, neue Men¬
péens, sur les-quels peut s’appuyer la
Hütet Euch alles auszusprechen; und dem
schen den alten Freunden zugesellen konnte,
fraternité intellectuelle des peuples.
Leben allzu große Beredsamkeit zu geben.
Georges
deren Herzen haßlos, deren Geist Welt¬
Ichsterbel, niemals werden diese Worte [Charles Vildrac.
Duhamel.
geist geblieben war alle blutigen Jahre der
so erschütternd wirken, wie der letzte
Trennung hindurch; da war Ihr Name,
(Wir grüßen auf das herzlichste in Artur
Seufzer. Befreit die Literatur von Ge¬
verehrter Freund, einer der ersten, der mir
Schnitzler, sowohl den großen tiefen Künstler, als
schwätzigkeit.“
auch einen der allzu seltenen und umso kostbareren
heimatlich in der Fremde erklang. Und
Marie Leneru preist hier, was in
europäischen Geister, auf die die intelektuelle
anders erklang als vordem. Mit einer Art
Schnitzlers Kunst Erfüllung findet. Seine
Verbrüderung der Völker sich stützen kann.
von liebender Zugehörigkeit wurde er von
Werke besitzen jene Reinheit der Masse,
Dichtern, von Theaterautoren und von
Paris, den 12. Mai 1922.
jene Oekonomie des Materials, jene Har¬
Charles Vildrac, George Duhamel.)
den Jungen ausgesprochen. Was an
monie der Linien, die an eine edle Vase
wissender Güte, an weiter Menschlichkeit,
gemahnen. Denn: seine Art ist es, ein
an Schicksalhaften und Rätselvollen in
Problem so klar zu fassen und so vollkom¬
„Stasa.
Ihren Werken zu einem Weltbild aus Wirk¬
men zu Handlung, zu Gestaltung werden
Anläßlich der Eröffnung einer eigenen Geld¬
lichkeit und Traum gewoben sich eint: das
stube im Parterre des Zentralpalastes wird auf
zu lassen, daß sie sich alsogleich dem Leben
empfinden alle Gestalter und Denker des
die äußerst günstigen Konditionen (10 bis 12pro¬
ebenso scharf einprägt, wie in dem Auge
nach Wahrhaftigkeit strebenden Frankreichs,
zentige Verzinsung) des auch für Nichtmitglieder
die reine Form eines Gegenstandes haftet.
zugänglichen Spareinlagenverkehres sowie auf
als die Melodie ihrer eigenen Seelenheit.
den neu eingeführten Konto=Korrent= und Scheck¬
Diese in gewissem Sinn nemotechnische
Und deshalb, lieber Freund, bin ich kaum
verkehr aufmerksam gemacht.
Kunst — ist nichts anderes als die Kunst
überrascht gewesen, als mir das ehrende
der Primitiven, um welche heute die jungen
Vertrauen wurde, Ihnen die beifolgenden
Dichter so sehr ringen. Schnitzler besitzt
Das permanenie Tagesgespräch
an meine Adresse für Sie eingelangten
sie von Natur aus. Und doch ist sein Herz,
von Wien bildet das sehenswerte, aus lauter
Glückwünsche übermitteln zu dürfen. Sie
Artraktionen bestehende Eröffnungsprogramm im
ist Geist mit allen Kompliziertheiten des
werden, das weiß ich, Ihrem Herzen wert
Sommer=Tanzpalast „Maxim“, der ein
modernen Menschen belastet. Ich kenne
Clou des Vergnügungsparkes im Prater ist. Der
und teuer sein.
keinen subtileren Beobachter heimlichster
allgemein beliebte Leiter des populären „Ma¬
In Verehrung Ihre
Rätsel der Seele. Keinen tiefer dringen¬
xim“ im Prater, Direktor Arthur Weiß..
Berta Zuckerkandl.
hat für sein Etablissement den graßen Zug und
den Psychologen. Schnitzler ist klar in
demnach den Zuspruch. Der glänzende Erfolg ist
seiner Tiefe. Er ist einfach in seiner Selt¬
diesem jungen. ebenso fähigen als strebsamen
Madame Zuckerkandl, pour Artur
samkeit. Fügt noch den Reiz seiner Wesens¬
Direktor herzlichst zu vergönnen.
Schnitzler.
art hinzu in der Bewegtheit und Geist so
Vienne, Autriche.
eng verwebt sind
Gerichtssaal.
Was wird Schnitzler von mir denken?
Telegramm aus Paris.
Schreibe ich dies nicht als wäre ich ein
Je suis heureux a l’occasion de son
Kritiker? Ich habe es ja bereits gesagt.
Soixantenaired’adresser a Artur Schnitzler
Die Juwelen der Frau
Bewunderung ist ein Gefühl, daß keine Be¬
tous mes voenx confraternels et l’ex¬
schreibung verträgt. Man kann sie nur
pression de notre admiration pour son
Pollak.
empfinden und bekennen. Daß ist alles.
oeuvre et pour sa Gloire.
Aufdeckung eines Schmuckdiebstahles nach sechs
Deshalb, verehrte Frau, sagen Sie, bitte,
Robert de Flers de l’Academie
Jahren.
Artur Schnitzler ganz einfach, daß wir hier
Française, Président de la Société des
Ein Schmuckdiebstahl in der Villa des be¬
viele sind, die ihn lieben und die in ihm
Anteurs dramatiques.