VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 60

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Auf solchem Boden gedeihen keine Helden. Die
teristisch zu erkennen ist: Die Stellung de Dichters
Arthur Schnitzler.
Lebenskämpfer kommen denn auch bei Schnitzler
zum Konflikt. Schnitzlers Helden gehen nicht als!
schlecht weg. Immer wieder stehen sie als betrogene
Kämp,er wider die Konvention zugrund Sie sind
Zum 60. Beburtstag des Dichters am 15. Mai.
Betrüger da, und mit zunehmender Reise wächst
in der Tiese ihrer Seele selbst Fahnenflüchtige, die
Von
des Dichters müdlächelnde Sympathie mit den
die Berechtigung des Lebens wie es ist, deshalb
Gütigen, die, betrogen, ohne es zu erkennen, im
Dr. Paul Neuburger.
weil es ist, noch da anerkennen, wo es im fragwür¬
Grunde doch die Glücklicheren sind.
digen Mantel der gesellschaftlichen Konvention auf¬
Aktyür Schnitzlers Bild im Bewußtsein der
Schnitzler hat es einmal das Charakteristische
tritt; der Verächter des „Märchens“ vom Belastet¬
Oeffentlichkeit zeigt eine leichte Verzerrung. Nicht
aller Uebergangsepochen genannt, „daß Verwicklun¬
sein der Gefallenen empfindet selbst gegenüber dem,
etwa wegen des Skandals um den „Reigen“ ein
gen, die für die nächste Generation vielleicht gar
worüber „kein Mann hinweg kann“, schließlich doch
Werk, das im Gesamtschaffen des Dichters nicht ge¬
nicht mehr eristieren werden, tragisch enden müssen,
wie die andern, der Bekämpfer der Duellmoral,
nug bedeutet. Betrifft doch der Streit um diese
wenn ein leidlich anständiger Mensch hinein gerät“
dem das Leben das höchste Gut erscheint, vermag es
Szenen nur die Frage ihrer öffentlichen Auffüh¬
Manche von den Verwicklungen, in denen sich für
am Ende doch nicht, den Selbstvorwurf der Feigheit
rung. gind es dürfte kaum notwendig sein, sich bei
Schnitzlers Menschen das Unüberwindliche des
zu ertragen. Hier ist der Punkt, wo die weitere
#en aufzuhalten, die durch daraus entstan¬
Lebens darstellt, haben schon heute für uns ihr
Entwicklung einsetzen kann, weil hier bereits die
dent=nmungen und Verstimmungen ihr Urteil
dene
Ueberzeugendes verloren. schon fühlen wir uns
grundsätzliche Abweichung in Schnitzlers Auffassung
über de Dichter beeinflussen lassen. Vielmehr han¬
fremd in einer Welt, der selbst in des Mannes¬
der konventionellen Lüge gegeben war, hier der
delt es sich darum, daß die Persönlichkeit Schnitz¬
Leben die Liebe als das einzige und wesentliche er¬
Punkt, wo es sich zeigt. daß Schnitzlers Musik ihre
lers, wie sie sich dem großen Publikum darstellt,
scheinen konnte. Das ändert nichts daran, daß das
Klangsarbe von des Dichters ethischer und welt¬
über Gebühr durch seine frühen Werke bestimmt er¬
Grundgefühl von der Allmacht des Lebens über¬
anschaulicher Grundemstellung hernahm. Schnitzler
scheint. Diese ersten Stücke, vor allem die Anatol¬
solche zeitlichen Gestalten hinweg seine Gültigkeit
empfindet die Lüge des Lebens so sehr wie Ibsen,
szenen und „Liebelei“ sind seine großen, immer
behält, und daß solche Hingabe an die Gewalt des
sie bildet eigentlich den Gegenstand seiner ganzen
wieder auflebenden Bühnenerfolge gewesen. Hier
nten Seins, mit so bestrickender Formkunst und
Dichtung, aber er nimmt sie wehmütig lächelnd hin,
n andern Jugendwerken, wie dem „Freiwild“
Grazie vorgetragen, wie sie in Deutschland gar sell
weil sie ihm untrennbarer Inhalt des Lebens
und dem wenig geglückten und wenig erfolgreichen
scheint. So wird die Lebenslüge, die ihm zuerst tene Gabe ist, auch den zu fesseln vermag, der eis
„Märchen“, gibt den Stoff das Liebesleben — wenn
im Gewand gesellschaftlicher Vorurteile erschienen in unserer ringenden Epoche vorzieht, Stärkung be
man es so nennen will — des wohlhabenden, von
Dichtern zu suchen, deren Herz mit den Kämpfers#
ist, und die sich auch in seinem späteren Schaffen!
einem Beruf kaum oder gar nicht in Anspruch ge¬
schlägt.
noch manchmal in solchen Gestalten zeigt, zu einem
nommenen jungen Mannes, die Stimmung eine
Grundbestandteil des menschlichen Lebens, vor
unablösbare Wiener Lokalsarbe und eine weiche,
allem der Beziehungen der Geschlechter zueinander
leichtertig=sentimentale Grazie her. Der Konflikt,
deren verwirrende Mannigsaltigkeit von Anfang an
wo sich ein solcher greifbar und beherrschend heraus¬
den Stoff bildet, an dem sich für Schnitzler das
bildet, ist ein Kampf des Individuums wider die
Leben darstellt. Jene Lüge zu bekämpen, ist daher
Konvention, etwa wider die Unsitte des Zwei¬
eine fragwürdige Aufgabe; die Stunden des Er¬
kampfs oder das gesellschaftliche Vorurteil, das die
kennens, die in des Dichters Werken immer wieder¬
Gefallene trifft. Wenn diese Konflikte tragisch
kehren, bringen selten Befreiung; häufig, wenn sie
enden, und wenn dabei offenbar die Sympathie des
wirkliche Erkenntnis gaben und nicht anstelle der##
Dichters die gefallenen Opfer des Vorurteils be¬
einen Lüge eine andere setzten, Ekel und Verzweif=
gleitet, so scheintser damit in die Reihe der Ibsen¬
lung. Wer klug ist, weiß, daß eine Lüge, die ein
schen Kämpfer gegen die gesellschaftliche Lüge zu
menschliches Dasein zu tragen vermag, besser ist, als
treten, nur daß er diesen Kampf mit dem leichten
eine zerstörende Wahrheit, er weiß, daß wir immer
Florett statt mit dem wuchtigen Schwert des nordi¬
spielen, und daß wir nichts von uns und nichts
schen Recken führt.
von anderen wissen. Nur die Toren wollen er¬
In Schnitzlers Jugendstücken sind die Linien ein¬
kennen, und zur Erkenntnis verhelfen, nur die To¬
fach, die Probleme treten klar hervor. Umgeben
ren suchen das Leben zu meistern; es ist Traum,
aber werden sie von der berauschenden Polyphonie
Spiel, Lüge, Chaos, aber auch einzige Macht und
einer den Lokalton mit unvergleichlicher Meister¬
Wirklichkeit: die Hand, die sich vermißt, zu lenken,
schaft treffenden Stimmung. So wird das leicht
greift ins Leere, und wer zu sehen glaubt, wird
überhört, was zwischen diesen beiden Elementen,
dem einsach klaren Was und dem verführerisch viel= blind dahingetrieben, wohin zu kommen ihm be¬
stimmigen Wie, auch in diesen Werken schon charak= stimmt war.