VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 89

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soth Birthday

sich das Motiv aus den „Blumen“: Es gibt keine Freuden
ein bechit Uber dar Ben.
und keine Leiden, es gibt nur Grimassen der Lust und des
Zum 60. Geburtstag Acthur Schnitzlers am
Schmerzes. Das ist der Grundton des Schnitzlerischen Werkes,
15. Mai 1921.
der auch in seinen Frauenseelen schwingt.
Man kennt die Wiener Frauen nicht, wenn man sie nur
Die neuere Literatur weist zwei Arten von Schriftstellern
im Glück gesehen hat.
auf; die einen, die hervorbrechend die Blöcke ihres Ausdruckes
emporschleudern, die andern, die das letzte Geheimnis in vor¬
Ihr Schicksal wächst mit dem Unglück.
nehmer Gelassenheit verbergen. Eine törichte Voreingenommen¬
Frau Berta Garlan kommt schließlich zur Überzeugung,
heit hat in dieser Vergeistigung und zunehmenden Neigung zur
daß es bei den Frauen Sühne fordert, wenn die Sehnsucht
Verarbeitung innerer Eindrücke die Ansätze einer beginnenden
nach Wonne nicht zugleich die Sehnsucht nach dem Kinde ist.
Entnervung wahrgenommen.
Der Erotik widerfährt hier poetische Gerechtigkeit und die
Kindisches Schlagwort: Dekadenz! Schon der Herzog de la
Sünde wird letzten Endes der große Reiz für die Liebe zur
Rochefoucauld hat diese Gattung in die Literatur eingeführt
Gottheit. Aus diesem Gründe geht Frau Beate (in „Frau Beate
und Henri Monnier hat dazu die Form der dialogischen
und Ihr Sohn“) nach Nächten der Ausschweifung mit ihrem
Novellette geschaffen. Aber wie köstlich wandelte sich das alles
Buben in den Tod. Wozu also die Analyse dieses unirdischen
in der von der Überlieferung eines entschwundenen Rokokos
Endes? Was soll uns die Incest=Deutung Professor Freuds?
geweihten Wiener Luft. Schnitzlers süßes Mädel hatte von
Gerade dieser Rest von Fragwürdigkeit und dieser feine Leidens¬
den Pariser Geschwistern, der Lünette und Grisette, im besten
zug von Unvollkommenheit erhöht den Zauber der Novelle.
Fall nur die Zierlichkeit gemeinsam; und auch diese war an
Hingegen verläßt Maria (im „Sterben“) ihren Felix in
der Donau überblüht von einer lächelnden, schalkhaften Anmut.
der Stunde seines Todes und im „Rufe des Lebens“ vergiftet
Das Wiener=Mädel war zur Zeit ein wahrhaftiges Blümchen,
die Tochter den Vater, um erlöst in die Arme des Freundes
weil es nichts anderes zu tun vermochte, als sich mit seinen
zu eilen. Nicht die Müden, nicht die Verzauberten mit dem
Reizen bald lachend, bald mit Tränen, dem Geliebten zu
visionären Blick erringen den Preis, sondeln die Liebenden,
offenbaren.
wenn sie den Ruf der Natur („des Lebens“) vernehmen, die
Der „Reigen“ mit seinem überlegenen Witz ist eher den
Menschen des lustvollen Erleidens.
lukianischen Hetärengesprächen vergleichbar, obgleich Melitta und
Lustvolle Erleider oder umgekehrt melancholische Genießer
Leaina daselbst einen viel bestimmenderen Einfluß haben als das
sind Anatol und Max. In ihnen sprüht der Geist des Baudelair¬
Stubenmädchen und die Schauspielerin. Und doch rührt dieses
schen Dandys, dessen einzige Beschäftigung es ist, die Idee
Spiel der Pärchen mitunter an einem Symbol. Der Dichter
des Schönen in eigener Person zu pflegen, und der sich darin
im Zwiegespräch mit dem süßen Mädel nennt sich aus ver¬
gefällt, niemals erstannt zu sein. Baudelaire erzählt uns, daß
schwiegener Rücksicht für den Augenblick „Biebitz“. Damit ist
dieser Typus mit Vorliebe in den Übergangszeiten erscheint,
das ganze Gaukelspiel der Liebe angedeutet, das nur inmitten
wenn die Demokratie noch nicht allmächtig ist und wenn die
von den wenigen Sekunden inemanderschmelzenden Glücks
Aristokratie erst zum Teil wankt und herabsinkt. Auch der
unterbrochen wird.
Dandy ist leidend: Anatol zweifelt an Emiliens Treue und Fritz
Sind wir bei richtiger Betrachtung nicht alle Biebitze des
Lobheimer in der „Liebeei“ glaubt nur an ein Sekundenglück.
Lebens und der Liebe?
Eine herbe deutsche Kritik will den Ursprung dieser leid¬
Fast dünkt es uns, als ob die Abneigung zünftlerischer
vollen tatenlosen Entsagug nach Frankreich verweisen. Nicht
Moralistin nur die Wut Caltbans is, der soin eigenes Ant¬
litz im Spiegel erschaut. Auch in diesem Bacchanal offenbart) durchaus mit Recht! Dit melancholisch lächelnde Lebensweisheit
Sen
und die gepflegte Ark, die
trifft das gallische Vorbill
Storms „Posthuma“ ebenst
sein. Auch läßt die österre
Menschenschicksal noch imme
Thameyers Gattin hat sich
sehen“.
in jenem Teill
graue Dämpfe liegen, in den
„Die Wahrheit aber ist, da
schwöre es bei allem, was
durch meinen Tod.“
Trotz der unverkennba#
seligen Thameyer sehr aus
Wahrheit: Einfältig und
ist jeder Mann im Dief
„weiten Land“ und Casa
wollen in marternden Selbst
verfallen doch dem natürl
gefällten Opfer sind Jüngli
ist herrlich wie ein Gott,
Casanova trifft. „Alter ha
unsühnbar vergangen.“
Oo dieser Leitspruch
alternden Dichters verrät?
Jung war ja Schnitzl
äußert sich nur gemächlich
Graf Tasmandy, Komtesse
nant Gustl haben den Krieg
schaften eine Dekoration zu
deten, sind sie liebenswert
Die Menschen Schnitzlen
sind reiner als die andern,
verdorren.
Schnitzler gehört nicht
wenn sie nicht mehr verstatz
Diese Gewißheit erfüll
nugtuung.