VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 112

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Zu Arthur Schnitzlers 60. Geburtstag: Liebelei.
Keinem Dichter wärc es weniger angemessen als diesem,
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wollte man seinen Gedenktag mit Fanfaren feiern. Man
serinnert sich seiner nicht ruckartig, er hat nie etwas Plötz

Agliches, Entscheidendes gehabt; er war keine Wende in der
Zeit, sondern vielmehr eine beständige Begleitmelodie. Ja,
Bar
man fühlt in ihm den vollkommenen Ausdruck einer Epoche,
die nicht glaubte, daß sich je noch etwas Wesentliches in de¬
br

Welt ändern könne. Sie sah und kannte das Leben sehr
genau und nahm es als eine gegebene Tatsache hin. Nicht,
daß ihrem Blick der Konflikt, die Tragik, das unlösbare Pro¬
blem entging, sie fühlte diese Untiefen und Abgründe schwer
und schmerzlich; aber es war doch gleichzeitig immer das
Bewußtsein da, daß Sträuben nichts hilft, daß das Heil
nicht in der Tat liegt, sondern in der Betrachtung, die die
großen Zusammenhänge weise erfaßt und in einer Art von
abgeklärter Resignation endet. Im Hintergrunde des
Schnitzlerschen Lebenswerkes liegt Melancholie; sie sickert
dunkel und gefährlich aus der satten Melodik seiner gewoge¬
nen Sprache. Und wir wissen heute was wir früher ahnten:
daß hier Dichtung eines absterbenden Geschlechts ist, eines
Geschlechts, das seine erlöschenden Züge mit Gelassenheit im
Spiegel betrachtete.
In der Galerie der Gestalten, die sich aus dieser Stim¬
mung lösten, ist die Christine der „Liebelei“ vielleicht die
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rührendste. In der Aufführung der Kammerspiele gewann
sie durch Erika Meingast reinen und tiefen Klang; ja,
vielleicht ist sie nie in so herber Lieblichkeit leibhaft geworden.
Man hatte das Gefühl von der Einzigkeit dieses kleinen,
warmen Lebens, der in seiner engen Grenze ein Ewiges
einschließt, unbedingt in seiner jähen Hingabe an das große
Erlebnis und doch unbeugsam gegenüber der Gewalt des
Alltags. Es ist schön, daß die junge Künstlerin icker der
Regie der Kammerspiele — für sie zeichnete Paul Marx —
sichtlich zur Unauffälligkeit hinerzogen wird und dabei doch
an Intensität gewinnt. Dieses Hindrängen auf einen dis¬
kreten und doch erfüllten Kammerton zeichnete die ganze Dar¬
stellung aus. Auch die Mizzi Schlager Centa Brés,
dieser blutwärmsten Darstellerin unserer Bühnen, hatte die
völlige Natürlichkeit ohne jede Ueberbetonung; sie war ein
Geschöpf, das die volle Sicherheit des Echten in jedem Wort,
jedem Tonfall zeigte. Mit Freude verzeichnen, wir, daß
Fernau (Fritz) diesmal alles Krampfige abgelegt hatte
und eine feingedämpfte Leistung gab. Sondinger (Theo¬
dor) gab die wohlabgesetzte Partnerrolle. In der Episode
des „Herrn“ brachte Ziegel eine konzentrierte Figur.
Marx als Vater wirkte ein wenig blaß, aber voll Güte;
Else Kündingers Bürgerweib war eine satte Studie.
Die ausgezeichnete Vorstellung errang herzlichen Beifall.
H. W. r. 4
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