VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 122

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ADOLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN SO 16, RUNGESTR. 22-24.
Zeitung: Nationalzeitung
Adresse: Basel
Datum: % „
#sth. Hüldigung für Arthur Schnitzler. Zum
65. Geburtstag von Arthur Schnifrer (15. Mäk) bringt die
KNeue Rundschau“ eine Reihe von Aeußerungen füh¬
render deutscher Dichter und Schrif, ler über den Jubilar.
Alle Begrüßungen zeichnen sich durch, große Herzlichkeit und
Wärme aus. Gerhart Hauptmann schreibt: „Den Sinn für
Schnitzler besitzen, heißt Kultur besitzen, und sich von Schnitz¬
ler angezogen fühlen heißt die Kultur suchen.“ Stefan
Zweig weist auf die historische Bedeutung Schnitzlers für
Oesterreichs Dichtung hin.
ADOLF SCHUSTERMANN
ZEITUNGSNACHRICHTEN-BUREAU
BERLIN SO. 16, RUNGESTR 22-24.
Zeltang Die Reichspost
Adresse. Wien! G MAREE
Datum:
Theater, Kunst und Masik.
Burgtheater. Als Feier des 60. Geburtstages
Artur Schnitzlers in neuer Einstudierung „Der
fardus“. Wir halten diese dramatische
junge
Historie für Schnitzlers reifstes, stärkstes Werk und daher
die Wahl rade dieses Stückes zum festlichen Zwecke für
durchaus glücklich. Niemals wieder, weder vorher noch
später, hat Schnitzlers suchendes Tasten sich zu solcher
wienerischen Wurzelhaftigkeit gefestigt (auch in der
„Liebelei“ nicht, dem scheinbar wienerischesten Stücke)
dem das Wien von
in
wie im „Medardus“,
einem auch historisch
1809 mit einer Ehrfurcht,
der sonst der
achtbaren Ernste gezeichnet ist,
spielerischen Art dieses Dichters wahrlich nicht eigentümlich
fist. Und kaum in einem zweiten seiner Stücke hat
Schnitzler, dessen 60. Geburtstag mitzufeiern (freilich in
unserer Art) wir nicht versäumen dürfen, ein so immer¬
hin erträgliches Verhältnis zu allen herandrängenden
geschlechtlichen Problemen gefunden, wenngleich auch der
„Medardus“ nicht ganz frei von schwüler Erotik ist.
Alles in allem: Es ist ein Stück, vor dem man Achtung
das man
die
haben muß,

wissem Sinne lieb gewinnen kann. Wie sehr
iim Gegensatze zu mancher anderen Schnitzlerischen Dich¬
tung, die jedem seelisch noch nicht verschmierten Menschen
kaum andere Gefühle als Ekel und Widerwillen ein¬
Fflößen muß! Leider wird der „Medardus“ auch diesmal
wieder nicht auf lange Dauer im Spielplan des Burg¬
theaters verbleiben. Eine Aufführung, die so ungeheuere
Anforderungen erhebt, kann neben dem anderen Repertoire
nicht lange mitgeschleppt werden, sie ist ein gar zu
schwerer Ballast. Wieder, wie einstens vor zwölf Jahren
(damals war der „Medardus“ neu), wird die rasche
Volge dieser fünfzehn Bilder erstaunlich glücklich be¬
wältigt. Darstellerisch hat die Aufführung in einigen
Rollen Veränderungen, Verjüngungen erfahren. Statt
des hitzigen Medardus des Herrn Ger##) sahen wir nuns
den kühleren, bedächtigeren des Herrn Schott (unde
Hoffen, bei gelegentlicher dritter Rollenbesetzung vielleicht
doch noch einmal einen wienerischen Medardus zu
erleben). Herr Treßler hat seinen Etzelt in würdige
Hände gelegt, nämlich in die des Herrn Romberg. Die
Prachtleistung des Herrn Paulsen als Eschenbacher soll
uns nicht hindern, uns in Treue und Wehmut des
seinstigen Trägers dieser Rolle, des Herrn Balajthy, zu
ferinnern. Herrn Hartmanns wunderbarer Herzog von
Walois hat in dem des Herrn Reimers einen wurdigen
Machfolger gefunden. Neben diesen und etlichen anderen,
durchaus glücklicheren Neubesetzungen stehen alte Be¬
ssetzungen von scheinbar unverwelklichem Reize und alters¬
loser Jugend: die erschütternde Wiener Niobe Klähr der
Frau Bleibtreu, die bis in die Fingerspitzen von
flüßester, wienerischer Wehmut erfüllte Agathe der Frau
Medelsky, die von aller Pracht edelster Jugend ge¬
stragene Helene der Frau Wohlgemuth. Im übrigen
äst der „Medardus“, eine ernste Belastungsprobe für die
darstellerische Leistungsfähigkeit eines Theaters. Von
unserem Burgtheater wird diese Probe gottlob heute nicht
minder spielerisch bestanden, wie vor zwölf Jahren. Das
Publikum dieser Festaufführung erwies bezeichnender¬
weise der Dichtung und Darstellung nicht sonderlich viel
Achtung, hingegen versteifte es sich mit zäher und seine
Massenstruktur ziemlich eindeutig kennzeichnender Zu¬
dringlichkeit darauf, den Dichter irgendwo in einer
Loge zu entdecken und zu beklatschen. Er war aber nicht,
—anmesend.