VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 134

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goth Birthday
Neue Freie Presse.
Wien, Donnerstag
Nr. 20731

Auflage.* Seine schöpferische Gestaltungskraft wird von
500
& Die neue Kreditermächtigung vor dem
einem taghellen Verstande beherrscht, der zu seiner Vorliebe
Budgetausschuß.
für das Zwielicht, für die Dämmerseelen seltsam kontrastiert.
Opposition der Großdeutschen.
Ueber die Frage, ob er nicht für einen Dichter beinahe zu viel
Wien, 18. Mal.
Verstand, eine allzu analytische Veranlagung habe, darüber
macht er sich keine Sorgen: „Man kann nie genug Verstand
Der Budgekausschuß wird heute nachmittag die Re¬
haben.
Fgierungsvorlage, betreffend eine neue Kredit¬
Es ist üblich, in seiner ärztlichen Vergangenheit die
dermächtigung im Betrage von 120 Milliarden Kronen,
wichtigste Komponente seines Wesens zu erblicken. Daß er
lin Verhandlung ziehen. Die Regierungsvorlage wird im
aber auch ein glänzender Jurist ist, wissen die Theater¬
Ausschuß keine Mehrheit finden. Die Großdeutschen
direktoren und Verleger, mit denen er Verträge abschließt,
werden ihre oppositionelle Stellung gegenüber der Regierung
zu bestätigen. Und wer so viel über den Tod nachgegrübelt
fauch in diesem Falle zur Geltung bringen und gegen das
hat wie er, der vermag den philosophischen, den meta¬
Kreditermächtigungsgesetz stimmen. Sie werden jedoch
physischen Trieb nicht zu verleugnen. So kann ihn eigentlich
einen Abänderungsantrag einbringen, der Regierung nur
jede Fakultät für sich reklamieren. .
ienen Betrag zu bewilligen, den sie zur Bestreitung der
laufenden Ausgaben bis zur Beendigung der Krise, das
Unter seinen Dichtungen sind ihm einige sozialkritische
heißt bis zur Rückkehr des Bundeskanzlers Schober aus
Werke, die viel Widerspruch gefunden haben, besonders ans
Genna, unbedingt benötigt. Die Höhe dieses Betrages, auf
Herz gewachsen, so „Leutnant Gustl“, „Reigen“, „Professor
den eine Kreditermächtigung gegeben werden soll, steht noch
Bernhardi“
(nicht fest. Voraussichtlich werden die Großdeutschen einen
Es ist schwer, die Gesinnung eines so komplizierten und
Betrag von 15 bis 20 Milliarden an Stelle
in allen Bezirken des Geistes heimischen Mannes auf eine
der verlangten 120 Milliarden vorschlagen. Dieser Ab¬
eindeutige Formel zu bringen. Schnitzlers Ritterlichkeit läßt
änderungsantrag dürfte dann auch angenommen werden.
ihn immer die Partei der Unterdrückten ergreifen. So sehr!
er als Dichter objektiv ist und jeder „Tendenz“ aus dem
Wege geht, so ist ihm seine Kunst dennoch oft genug zur
Persönliches von Artur Schnitzler.
Tribüne geworden und er hat immer gegen offenkundiges
Vou Dr. Knet Sonnenfeld.
Unrecht mutig Partei ergriffen. Jede Art von Chauvinismus
Wien, 18. Mai.
widerspricht seinem innersten Geschmack. Als während des
Als ich Artur Schnitzler vor einigen Wochen nach
Krieges irgendein literarischer Industrieritter ein Interview
einer Theatervorstellung ein Stück Weges heimwärts be¬
mit ihm erfand und ihm Worte des Hasses gegen große fran¬
gleiten durfte, sprachen wir von seinem bevorstehenden
zösische und russische Dichter zuschrieb, die ihm lieb und teuer
sechzigsten Geburtstage. „Eigentlich fröstelt es mich ein
sind, da hat er dagegen aufs schärfste protestiert, obwohl eine
bißchen,“ sagte er, „wenn ich an dieses Datum denke. Die
solche Auflehnung gegen den Chauvinismus damals gewiß
zehn Jahre seit meinem fünfzigsten Geburtstage sind mir
nicht ungefährlich war. Sein Protest machte dann, von
unheimlich schnell vergangen. So greifbar, als ob's gestern
Romain Rolland übersetzt, die Runde durch die gesamte inter¬
gewesen wäre, sehe ich den Mai 1912 vor mir, die herrlichen
nationale Presse und wurde als Kundaebung des repräsen¬
Frühlingstage in Brioni. Die folgenden Jahre waren mit
tativen österreichischen Dichters überall mit der größten
Ereignissen vollgepfropft und trotzdem sind sie so schnell an
Achtung und Sympathie aufgenommen. Bei späteren An¬
mir vorübergegangen. Und so werde ich auf einmal, noch
lässen hat Schnitzler mit der ganzen Autorität seiner Persön¬
bevor ich's recht bemerke, siebzig Jahre alt sein. ... Was
lichkeit gegen jeden Terror von rechts und links nachdrück¬
waren doch in meiner Jugend zehn Jahre für eine lange
lichst Einspruch erhoben.
Zeit! Als achtjähriger Bub ging ich in die Volksschule und
Er ist ein wahrer Künstler des Gesprächs, dem er aus
als achtzehnjähriger Maturant hatte ich Liebesabenteuer.
den entlegensten Gebieten des Wissens und aus seiner in¬
Aber wenn wir älter werden, so gleiten die Jahre immer
timen Kenntnis von Menschen und Dingen immer neue
schneller und schließlich spurlos an uns vorüber.
Nahrung zuströmen läßt. Müßige Brillantfeuerwerke des
Sie gleiten wohl auch deshalb so schnell an mir vorüber,
Geistes liebt er nicht, und er empfindet sie in seinen frühen
hätte Schnitzler hinzufügen sollen, weil sie bis an den Rand
Jugendwerken als störend. Starken Worten und Urteilen
mit Arbeit gefüllt sind. Von ihm kann man lernen, was
geht er keineswegs vorsichtig aus dem Wege, und wie er zu
Arbeit heißt. Von der ersten flüchtigen Konzeption, vielleicht
lieben und zu verehren vermag, so kann er auch hassen
auf einsamem Waldspaziergang empfangen, bis zur end¬
und verachten. Wenn er lebhaft spricht, so bedauert man oft,
gültigen Niederschrift führt ein weiter Weg, dessen Etappen
den unwiderstehlichen Zauber seiner Rede nicht festhalten zu
man erst ermessen kann, wenn man Entwürfe seiner Manu¬
können. Freilich müßte man dazu, wie einmal ein Kritiker
skripte zu sehen bekommt und sich davon überzeugt wie er
über den „Anatol“ gesagt hat, eine goldene Feder in
an jedem Worte feilt und bosselt. Er diktiert seine Arbeiten
Champagner tauchen.
in die Schreibmaschine, deren Geklapper ihn trotz seiner
Seiner Herzensgüte ist es zuzuschreiben, daß er trotz
Abneigung gegen Lärm (die Doppeltür seines Arbeits¬
seiner ungeheuren Arbeitsleistung immer noch die Zeit
zimmers ist mit schalldämpfenden Lederkissen gepolstert)
findet, jungen Schriftstellern mit Rat und Tat zur Seite
durchaus nicht stört.
zu stehen. Dankbar entsinne ich mich eines persönlichen Er¬
Ebenso sprichwörtlich wie seine bezaubernde Liebens¬
lebnisses. Als völlig unbekannter, blutjunger Mensch hatte
würdigkeit ist seine vornehme Zurückhaltung. Er stellt sich
ich ihm einmal mit der Bitte um sein Urteil ein umfang¬
nicht gern auf ein Piedestal, und wie er allen Geburtstags¬
reiches Manuskript, eine Wiener Liebesgeschichte, übersandt,
feiern bisher stets aus dem Wege gegangen ist, so ist er vor
die „Wilder Mohn“ hieß und noch dazu — ein erschwerender
seinem sechzigsten Geburtstag ins Ausland entflohen.
Umstand! — in Distichen abgefaßt war. Schnitzler ant¬
Die strenge Kritik, die er seinem eigenen Schaffen
wortete mir auf dieses Attentat in einem ausführlichen
gegenüber übt, ist daran schuld, daß er einige Arbeiten über¬
Briefe, und er hat sich die Zeit genommen, mich auf jeden
haupt nicht veröffentlicht hat. Als ich ihm einmal nach dem
holprigen Hexameter, auf jeden hinkenden Pentameter auf¬
Erscheinen eines Buches sagte, daß es dem bleibenden Bestande
merksam zu machen und einige Einzelheiten, die ihm gefallen
der deutschen Literatur angehören werde, lächelte er skeptisch:
hatten, in sachlichen Bemerkungen hervorzuheben.
„Unsterblichkeit? Davon sprechen wir erst bei der zweiten
Müller, v. Romberg (München),
(Frankfurt),
Natur= und Völkerkunde. (Herina Moritz (Köln), Krehl (Heidelberg),
18. Mai 1922
In seiner grüblerischen u
ironischen Art beschäftigt sich
Jahren mit dem Problem des
dieser Stimmung heraus ha
Gräslers und Casanovas gesc
wahrt er in seiner Schreibtisch
Novelle, in der das Seelenleber
noch deutlicher enthüllt ist. Er
jung man mit sechzig Jahren
es eine nichtssagende Redens
Jugend seines Wesens zu spr
Jedes Lebensalter hat sei
eigenen Reiz. Auf der Höhe de
Kunst sonverän beherrschend,
Zeitgenossen bewundert und
Schnitzler, deinen Weg steil a
blicken und immer neuen Gip
brochener Kraft noch viele Ja
dir alle, denen du kostbarster
Dir drängt sich Dichtertrau
So sag' doch, wie bewältigst
Der reichen Früchte, die da
schönheitstrunkene, im
ächst aus reichem Lan
schwergesegnet prange
Wipfel aber ragt hoch
Wie eines Künstlers Haup
Ob dir dein Schaffen nicht
Und ob nicht manchmal lei
Dem Ueberdrange der Gest
Wer weiß! ... Doch trit
Und macht dich Tausenden
Wenn aus der Schöpferstut
Ein Werk zu freudigem L
Gleichwie das Kind aus se
Die Umgestaltung des
Die von der „Neuen Frei
nummer angekündigte Umgeste
sich ihrer Vollendung und
Sommerverkehres bereits ihre
Westbahnhof, der infolge der
kriegszeit zu einem Hauptbahr
mit jenen Einrichtungen ausge
Bedeutung entsprechen. Der B
Dr. Rodler hat, nachdem
Durchführung der knapp vor
projekte als unmöglich erwie
stehenden solche Neuerungen
lose Abwicklung des Verkehre
Großteil der Lokalzü
die Stadtbahulinie
Westbahnhof hauptsächl
reserviert.
Heute vormittag hatten
heit, jene Neueinrichtungen
1. Juni eine Verkehrserleich
minister Dr. Rodler gab
zwingenden Gründe, die zu
unter der Führung des Staa
des Vizepräsibenten Ingenieur
Besichtigung unterzogen wurde
und Bauleiter die erforderlich
Ein Rundgang durch
Der Wiener Westbahnho
nach Westen und Osten vermi
insbesondere den Inbegriff
reise oder eines Ausfluges in
auch derjenige unter den Ba
länglichkeit die Oeffentlichkeit
klagte und der deshalb zu
Verkehrsbehörden wurde. D
den Diskussionen und Vo
gefecht mit dem greisen 2