VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 147

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Echo der Bühnen: Wiesbaden, Berlin. — Echo der Zeitungen
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sein Dichten. Schrieb er seinen „Vatermord“ nur aus
einem dunklen Instinkt heraus, so war es jedenfalls nicht
umgearbeitet und erweitert, sondern sich daran ge
der des Dramatikers, der ihn beseelte. Der Dramatiker hat
nügen lassen, nur hie und da einige frische Pinsel¬
es in den Nerven, in Hirn und Herzen, daß eine Leiden¬
striche anzubringen.
schaft das Geschöpf ganz beherrschen und wirblicht machen
Neue Kunde von Gottfried Keller vermittelt uns
muß, soll man an die Gewalt der Leidenschaft glauben.
endlich sein Briefwechsel mit J. V. Widmann,
Zwei Triebe in der gleichen Brust machen den Trieb an
den des letzteren Sohn, Max Widmann, im Rhein¬
sich verdächtig. Ein Vatermörder, dem noch Atem bleibt,
verlag (Basel und Leipzig 1922) herausgegeben und
der Mutter nachzutrachten, ist nur ein Dilettant der Leiden¬
erläutert hat. Von den 22 Briefen Kellers finden
schaft und des Mördermessers nicht wert.
Ein ungeheuerliches Stoffgefüge, dem nur verhältnis¬
sich 17 bereits bei Bächtold=Ermatinger, dagegen
mäßig schwächliche Wirkung gegeben ist. Manche Szenen
erscheinen die 43 Briefe Widmanns hier zum ersten¬
schnaufen, das Schauspiel als Ganzes benötigt der Sauer¬
mal im Druck. Das geistige Bild der beiden Men¬
stoffzufuhr.
schen und Künstler und ihres Verhältnisses zuein¬
Arnolt Bronnen besitzt das unleugbare Talent, zu
ander erfährt zwar im ganzen keine neue Beleuch¬
schreien, was andere flüstern. Pech für ihn, daß in dieser
tung, doch bedeutet der Zuwachs im einzelnen er¬
Welt der dunklen Ahnungen und der verschleierten Ge¬
wünschte Bereicherung. Willkommen ist auch am
fühle ein Wort, das, geträumt, geraunt, den Wahrheits¬
Schluß der Wiederabdruck von drei „Bund“=Auf¬
keim trägt, laut ausgesprochen zu geschminkter Banalität

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sätzen Widmanns über Kellersche Werke.
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Wiesbaden
„Casanoya in Dux.“ Tragikomödie in einem Akt von Ernst
Lissauer. (Uraufführung im Staatstheater am 17. Mai 1922.)
(Buchausgabe bei Oesterheld & Co. in Berlin.)
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Oissener betrat mit seinem Einakter nicht zum ersten
— Male die Bühne. Er hat sich diesmal einen siebzig¬
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jährigen Helden gewählt, Casanova, der auf Schloß Dur
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Echo der Zeitungen
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Zum sechzigsten Gebeietstag
„Leben ist Liebe und die höchste Liebe die der Geschlech¬
ter. Dieses Dichters Männer haben Muße genug, ihrer
Liebe zu leben; seine Frauen aber, obgleich häufig berufs¬
tätig, und dann zumeist Künstlerinnen, leben eigentlich
nur ihrer Liebe. Liebe will ihre Rechte bis zur ietzten Hin¬
gabe. Ihr strebt alles und alle zu in immerwährendem
„Reigen“. Kein Band hält gegen Liebe, und am wenigsten
Ehe. Anderseits wahren oft gerade solche Frauen Treue,
deren Wesen Wechsel zu bedeuten scheint, und selbst manche
„süße Mädel“ die Botinnen zwischen jenem engeren Wien
und der Vorstadt. Doch selbst da verirren sich manchmal
Gedanken und Träume (wir sind Freud schon sehr nahe!),
und am Ende ist nichts mehr sicher, alles, alles Spiel.
Zweifel und Spiel: es ist das wieder= und wiederkehrende
Komödienthema Schnitzlers, von seinem Zauberer, Hyp¬
notiseur, Psychoanalytiker und Arzt Paracelsus besonders
dentlich ausgesprochen („Wir spielen immer; wer es nicht
weiß, ist klug“). Und hier geht es nicht um einen shakespeari¬
schen Maskenzug, sondern eben um „Komödie“ Keiner
weiß, wann er Ernst macht, wann es mit ihm Ernst wird,
keinem ist schließlich ein Vorwurf selbst aus seinem Zwitter¬
wesen zu machen („Fink und Fliederbusch“), ja es zeigt sich
ganz deutlich, daß der einzelne Akteur vielleicht gerade noch
seine Rolle spielt, wahrscheinlich aber überhaupt an einem
Draht hängt: als Marionette. Die Komödien der Worte