— —
box 39/3
goth Birthdar
12. Heft
Der Lesezirkel,
9. Jahrgang
Hauptmann und Schnitzler,
die Sechzigjährigen
Von
Robert Faesi
ieliterarische Revolution Deutschlands Ende der achtziger Jahre,
1 jene Erschütterung des geistigen Lebens, die von altersschwach
gewordenen Konventionen befreite und vor allem einer wirk¬
lichkeitssüchtigen Kunst zum Durchbruch verhalf, liegt um ein Drittel¬
jahrhundert, um eine volle Generation zurück. Von den hoffnungs¬
vollen Talenten, die jene Zeitwelle auf die Höhe trug, sind manche
-hestorben und verdorben, manche haben sich in Schweigen gehüllt,
andere sind der Vergessenheit anheimgefallen, und wie viele sind von
den damals eingeschlagenen Straßen abgeschwenkt, haben sich zu
neuen Fahnen bekannt, ja, bis zur Unkenntlichkeit gewandelt.
In Gerhart Hauptmann und Arthur Schnitzler, deren Geburt ins
selbe Jahr 1862 fällt, und deren aufsehenmachender Eintritt in die
Literatur sich kurz hintereinander um 1890 vollzog, ist jene Zeit
bis heute lebendig und wirkungsvoll geblieben. Die dominierenden
Züge ihres Jugendbildes bestimmen noch die Physiognomie der
rüstigen Sechziger, mag sich auch manches gemildert, anderes ver¬
schärft haben, und mögen neue, kaum erwartete, aber flüchtigere
Linien das literarische Bild — namentlich das Hauptmanns — be¬
reichern. Sie sind die Sichtbarsten unter den Wenigen jener
Generation, die in stetiger Fruchtbarkeit und fast ununterbrochenem
Zusammenhang ihr in erster Linie dramatisches, in zweiter Linie
erzählendes Lebenswerk gemehrt haben; ihre Gestalten sind zu
kleinen Völkern angewachsen, ihre Gesamtschöpfungen zu einem
reichen Mikrokosmos. Hätte nur die Zeitwoge von 1890 ihr Werk
emporgetragen, so wäre es trotz des beharrlichen Weiterschaffens
schon im Wellental der Vergessenheit verschwunden. Das sterbliche
und das dauernde Teil darin ist im Begriff, sich immer deutlicher
box 39/3
goth Birthdar
12. Heft
Der Lesezirkel,
9. Jahrgang
Hauptmann und Schnitzler,
die Sechzigjährigen
Von
Robert Faesi
ieliterarische Revolution Deutschlands Ende der achtziger Jahre,
1 jene Erschütterung des geistigen Lebens, die von altersschwach
gewordenen Konventionen befreite und vor allem einer wirk¬
lichkeitssüchtigen Kunst zum Durchbruch verhalf, liegt um ein Drittel¬
jahrhundert, um eine volle Generation zurück. Von den hoffnungs¬
vollen Talenten, die jene Zeitwelle auf die Höhe trug, sind manche
-hestorben und verdorben, manche haben sich in Schweigen gehüllt,
andere sind der Vergessenheit anheimgefallen, und wie viele sind von
den damals eingeschlagenen Straßen abgeschwenkt, haben sich zu
neuen Fahnen bekannt, ja, bis zur Unkenntlichkeit gewandelt.
In Gerhart Hauptmann und Arthur Schnitzler, deren Geburt ins
selbe Jahr 1862 fällt, und deren aufsehenmachender Eintritt in die
Literatur sich kurz hintereinander um 1890 vollzog, ist jene Zeit
bis heute lebendig und wirkungsvoll geblieben. Die dominierenden
Züge ihres Jugendbildes bestimmen noch die Physiognomie der
rüstigen Sechziger, mag sich auch manches gemildert, anderes ver¬
schärft haben, und mögen neue, kaum erwartete, aber flüchtigere
Linien das literarische Bild — namentlich das Hauptmanns — be¬
reichern. Sie sind die Sichtbarsten unter den Wenigen jener
Generation, die in stetiger Fruchtbarkeit und fast ununterbrochenem
Zusammenhang ihr in erster Linie dramatisches, in zweiter Linie
erzählendes Lebenswerk gemehrt haben; ihre Gestalten sind zu
kleinen Völkern angewachsen, ihre Gesamtschöpfungen zu einem
reichen Mikrokosmos. Hätte nur die Zeitwoge von 1890 ihr Werk
emporgetragen, so wäre es trotz des beharrlichen Weiterschaffens
schon im Wellental der Vergessenheit verschwunden. Das sterbliche
und das dauernde Teil darin ist im Begriff, sich immer deutlicher