VII, Verschiedenes 5, Bauernfeld Preis, Seite 58

——
box 40//1
Bau
Wdernfeld-Preis
Abstammung“ verletzen würde. Man weiß, was das zu be¬
bemerkt die „Bohemia“: „Da die czechischen Mitglieder
denten hat. Es ist eine Umschreibung des brutalen Grund¬
des Landesausschusses durch leere Redensarten und ver¬
satzes: „Jnden sind ausgeschlossen.“ Da wird
logene Einwendungen die Vollgiltigkeit der für den deutschen
dem Jnden das Recht, sich zur deutschen Nationalität zu
Bewerber sprechenden Gründe nicht zu entkräften vermochten,
bekennen, ohneweiters abgesprochen; da heißt es: „Ind
suchten sie schließlich ihre unüberwindliche Abneigung gegen
bleibt Ind.“ Nur den Czechen gegenüber rechnet man auch
den Deutschen hinter der gegen den Inden zu verbergen:
weiterhin auf die Bundesgenossenschaft der Jnden, nament¬
der deutsche Bewerber ist nämlich zufällig jüdischer Con¬
lich bei den Wahlen. Da sind sogar die Herren Pergelt.
fession. Nun, an der Ehrlichkeit auch dieser Abneigung
Funke und Götz im Stande, an ihre „deutschen Mit¬
ist ja bei den fiudalen Herren nicht zu zweifeln; vielleicht
bürger jüdischer Confession“ ehrliche deutsche Händedrück¬
auch nicht bei den jungczechischen Landesausschußbeisitzern tretz¬
auszutheilen. Um in Dobrzan den Ring der czechischen Aerzte
dem diese eine sogenannte liberale Partei vertreten Aber
zu durchbrechen, um Nikolsburg, Leipnik und Weißkirchen zu
in dem vorliegenden Falle ist der Antisemitismus doch wohl
halten, dazu braucht man die Inden. Aber wo man sie nicht
nur ein willkommener Vorwand“.
braucht, dort scheut sich auch die Deutsche Fortschrittspartei
nicht mehr, sie die „Inferiorität ihrer Race“ politisch und
Wir wollen mit dem Organ des Prager deutschen
Casinos nicht darüber disputiren, wie weit der „Zufall“
gesellschaftlich fühlen zu lassen.
Wann werden endlich unsere Glaubensgenossen aus
bei dem jüdischen Glaubensbekenntniß des abgewiesenen
diesen demüthigenden Zuständen die einzig richtige Con¬
Arztes mitspielt Aber es ergötzt uns baß, mit welcher Ent¬
schiedenheit plötzlich das Casinoblatt gegen den Antisemitis¬
sequenz ziehen?
mus zu eifern beginnt und daß es ohne Scheu vor den
Volklichen und Völkischen die deutsche Nationalität eines
Obit Jahrmarkt des Lebens.
Juden mit besonderem Nachdruck betont. So war es nicht
immer, ja es ereignet sich heute noch vielfach, daß die
Glossen zur Tagesgeschichte.
wackeren Deutschfortschrittlichen uns Jnden unter den
(Die protegirten Inden. — Reiseromane. — Die
Linden nicht grüßen wollen. Man erinnere sich doch nur,
Interpellation Dr. Pattai's.)
daß die Deutsche Fortschrittspartei im Abgeordnetenhause
Dem armen „Deutschen Volksblatt“ wird es ganz „gelb¬
eine förmliche Krise durchmachen mußte, als es sich um die
vor den Augen, wenn es mit ansehen muß, wie alle Welt aus
Aufnahme des jüdischen Abgeordneten Rosenzweig handelte,
Toleranz gegen das Judenthum geknechtet und unterdrückt wird.
und daß der Abgeordnete Dr. Pergelt, einer der Führer
Schon wieder hat dieses Blatt, das sich aufopfert zur Befreiung
der Partei, nur mit Mühe bestimmt werden konnte, zusammen
der Menschheit von den Juden, Gelegenheit, einen „crassen“!
mit einem Juden im Club zu verbleiben. Man erinnere sich
Fall zu constatiren, in dem natürlich die Juden es wieder sind,
ferner an die Thatsache, daß unter den Auspicien eines
die gegenüber den Nichtjuden protegirt und bevorzugt werden.!
In einem Leitartikel, betitelt „Juden und Deutsche“, citirt das
zweiten Führers, des Abgeordneten Dr. Funke, der zu¬
Antisemitenblatt einen Bericht der „Bohemia“ in welchem es##
gleich Bürgermeister der „allezeit fortschrittlichen“ Stadt
heißt: Bei Besetzung einer Secundararztstelle in einer böhmischen!
Leitmeritz ist, die jüdischen Mitglieder aus der dortigen
—Landesirrenanstatt, die fast nur deutsche Patienten hätte und
Frauen=Ortsgruppe des Deutschen Schulvereines hinausge¬#
dabei lauter czechische Aerzte, sei einem deutschen Bewerber ein
drängt wurden und daß an den communalen Lehranstalten
czechischer, aber ungünstiger qualificirter vorgezogen worden.
der Schulstadt Leitmeritz der Antisemitismus üppig gedeiht.
Vergebens hätten sich dagegen zwei deutsche Londesausschuße
Auch daß ein Wanderlehrer des Deutschen Schulvereines
beisitzer gewehrt. Die Bohemia“ kritisirt nun das Vorgehen de¬
die Gründung judenreiner Ortsgruppen mit besonderer
czechischen Landesausschußbeisitzers, der dies verfügte, dahin, daß
Genugthnung hervorhob, konnte nicht bestritten werden, ob¬
er seine Abneigung gegen den Deutschen hinter der gegen din
Juden, denn ein solcher ist der deutsche Bewerber, zu verbergen
wohl an der Spitze dieses auf jüdische Beiträge stark ange¬
gesucht habe. Das „Deutsche Volksblatt“ meint nun, die beiden
wiesenen Vereines der „deutschfortschrittliche“ Dr. Weitlof
Beisitzer, die gegen den czechischen Bewerber waren, hätten gleic¬
steht. Ein anderer deutschfortschrittlicher Abgeordneter, Doctor
von vorneherein einen deutschen Bewerber aufstellen sollen, dami
Götz, läßt es als Bürgermeister von Nikolsburg ruhig ge¬
eine Abweisung aus nationalen Gründen ausgeschlossen sei. Sie
schehen, daß die Krankencasse der dortigen Turnerfeuerwehr
hätten es aber nicht gethan, weil er eben ein Jude ist, und
die jüdischen Aerzte förmlich boycottirt, obwohl sie unter
einen Juden müsse man protegiren. Es ist wirklich lächerlich
der Controle des Stadtrathes steht und von der Gemeinde
anmaßend, wenn ein Organ einer Partei, zu deren stärksten
subventionirt wird. So weit man Umschau hält. zeigt sich
Kampfesmittel es gehört, alle politischen Gegner mit roher Rück¬
seit Jahrenin-d###tichfortscheittlichen Partei eine duck¬
sichtslosigkeit auf wirthschaftlichem Gebiete zu ruiniren und nur
mäuserische Connivenz gegen den Antisemitismus und eine
feilen Anhängern öffentliche Aemter zuzuschanzen, sich erfrecht,
feige Verleugnung des Grundsatzes der Gleichberechtigung
eine Behörde der Ungerechtigkeit aus rein confessionellen Gründen
zu zeihen. Kaum ist es kurze Zeit her, seitdem wir die Protec¬
gegenüber den Inden im praktischen Leben. Gesell¬
tionswirthschaft der Christlich=Socialen bei der Besetzung von
schaftlich haben die Herren sich schon längst die Grund¬
Lehrerstellen an der Hand klar zutageliegender Fälle ins rechte
sätze der Herren Schönerer und Wolf angeeignet, aber viel¬
Licht rückten, und nun meint die antisemitische Preßmente den
fach auch schon politisch.
erbärmlichen Eindruck, den diese Vorfälle auf alle gebildeten und
Es berührt deshalb einigermaßen komisch, wenn das
rechtschaffenen Leute machten, einfach hinwegzutilgen, indem sie.
in jesuitisch entstellter Weise ihren gleichwerthigen Lesern Lügen¬
Prager Casinoblatt die Feudalen und Jungczechen aus An¬
laß des eingangs geschilderten concreten Falles der Ver¬
berichte auftischt.
letzung des Principes der Gleichberechtigung anklagt und
Da erschien jüngst ein Feuilleton in dem edlen Preßorgan,
ihnen den Text liest, weil sie den Antisemitismus als Vor¬
das begann: „Es ist wirklich eine Kunst, Reiseromane zu
wand gebrauchten. Plötzlich ist in den Augen der Deutsch¬
schreiben.“ Wirklich, welch schöne Wahrheit! Aber, o Welter¬
fortschrittler der Jude wieder zum Deutschen avancirt!
fahrer Verggui, worin besteht die Kunst, Reiseromaue abzu
Allerdings nur bei einer Gelegenheit, wo es sich
schreiben2.
um eine Anstellung durch die Czechen handelt. Bei
Anstellungen, welche von Deutschen zu vergeben sind,
Die Christlich=Socialen möchten jetzt den Antisemitismus gern
sinkt die Schwärmerei der Herren für die Gleichberechtigung
auf den Nullpunkt. Es gibt keine deutsche Gemeinde in auch auf rein literarisches Gebiet verpflanzen. Es mag ihnen vielleicht
unangenehm sein, daß die Juden nicht nur in den übrigen Cultur¬
Böhmen, welche bei Concursausschreibungen für Gemeinde
bestrebungen der Neuzeit, sondern auch in der modernen Literatur
stellen die staatsgrundgesetzlich gewährleistete Gleichberechti¬
hervorragende Leistungen aufzuweisen haben. Thatsache ist, daß
gung nicht durch die Forderung des Nachweises der „deutschen