VII, Verschiedenes 5, Bauernfeld Preis, Seite 61

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vom: 1/#7705
Theater, Kunst und Literatur.
Der Unterrichtsminister und die Verteilung des
Bauernfeld-Preises.
Wir haben bereits im Abendblatt kurz den Inhalt
jener Ausführungen wiedergegeben, mit welchen Unterrichts¬
minister Dr. v. Hartel der Anfrage des Abgeordneten
Dr. Pattai betreffend die Verleihung des Bauernfeld¬
Preises an Dr. Artur Schnitzler, den Verfasser des
Einakterzyklus „Lebendige Stunden“, entgegentrat. Im
nachstehenden veröffentlichen wir die erwähnte Inter¬
pellationsbeantwortung nach ihrem Wortlaut. Der Minister
erklärte: „Die Interpellanten scheinen von der Voraus¬
inclusive
setzung auszugehen, daß ich als Unterrichtsminister Mit=5.—
Porto.
glied des betreffenden Kuratoriums und als solcher für 8.—
Zahlbar
die Beschlüsse desselben verantwortlich sei. Demgegenüber
im Voraus.

beehre ich mich, zu konstatieren, daß ich nicht etwa als Unter¬
richtsminister in das Kuratorium dieser Stiftung berufen hohnitte ist aus
wurde, sondern auf Grund des Stiftungsbriefs vom 13. Ja-sich steht es den
nuar 1894 demselben angehöre. Obwohl ich mich demnach zu ändern.
nicht verpflichtet fühle, für meine Handlungen als Privat¬
mann Rechenschaft zu geben, so stehe ich doch nicht an, enthaltend die
zuzugestehen, daß unter meiner Teilnahme Gerechte undjer Morgen¬
Sünder, Christen und Juden, Ausländer und Inländer durch Wiener Zeitung")
Ehrengaben und Preise ausgezeichnet wurden, indem nach wirthschaftliche
dem Wortlaut und dem Geiste des Stiftsbriefs hiebei nicht wird. Diese Mit¬
der Taufschein, sondern literarische Leistungen maßgebend
waren. Allerdings wäre es dem Kuratorium leichter, seine
undankbare Aufgabe zu erfüllen, wenn einzig und allein
oder vorwiegend der Taufschein oder die Stammesange¬
hörigkeit seine Entscheidungen bestimmen könnte. Gegen den
Vorwurf aber, Literaten mißliebigen Ursprungs vor andern
zu begünstigen, kann das Kuratorium die Tatsache schützen,
daß den fünf in der Interpellation namhaft gemachten
Dichtern neunzehn christlicher Konfession mit dem Betrag
von mehr als 30.000 K. gegenübergestellt werden können.
Je schwieriger es ist, in Sachen der Kunst unfehlbar zu
urteilen, desto dankbarer werde ich sein, auf Künstler aus¬
merksam gemacht zu werden, deren Werke einen unbestreit¬
baren Vorzug vor andern verdienen. Parteipolitische Rück¬
sichten aber, welcher Art imliner, wirh die Kommission von
sich fernhalten müssen, wenn sie im Sinn des Stifter#
weiter wirken soll.“
Herr Dr. v. Hartel wird sich jedenfalls viel ###auß
einbilden, wie er sich „aus der Affäre gezogen hat“. Wir¬
sind dessen ungeachtet nicht in der Lage, ihm ein Komplimen##
zu machen, sondern wir müssen ihn im Gegenteil etwas
unsanft aus der selbstgefälligen Stimmung reißen, in der
er die Interpellation des Abgeordneten Paktai offenbar
beantwortet hat. Wenn der Unterrichtsminister meint, durch
die Art und Weise, in der er seine Mitwirkung bei der Er¬
ung des Bauernfeld=Preises begründete, wirklich über¬
gend dargetan zu haben, daß dem Kuratorium der Bauern¬
Stiftung eine einseitige Protegierung jüdischer Autoren
selb“, liege, so irrt er. Er ist überhaupt bei der Beurteilung
Dern Gründe, welche die Veranlassung dazu boten, gegen
die Prämiierung des Schnitzlerschen Werks aufzutreten, von
ganz unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen und gelangte
daher natürlich zu ebenso unrichtigen Schlußfolgerungen.
Es handelt sich nicht darum, daß der „Taufschein“ an Stelle
einer literarischen Leistung maßgebend dafür sein soll, wer
den Bauernfeld=Preis zu bekommen habe. Ein derartiges
Verlangen wäre wirklich kindisch. Es wurde aber dem Kura¬
torium auch gar nicht der Vorwurf gemacht, daß es den
Preis nicht einem Autor zuwendete, der sich mit einem
Taufschein auszuweisen in der Lage war, sondern es wurde
vielmehr behauptet, daß, wenn die „Lebendigen Stunden“
nicht Herrn Artur Schnitzler, also ein Mitglied der
Wiener literarischen Clique, zum Verfasser gehabt hätten,
dieselben wahrscheinlich nicht mit einem Preise gekrönt
worden wären. Das ist aber ganz etwas andres, als der,
Herr Unterrichtsminister behauptete. Der literarische Wert
des Einakterzyklus kann es nicht sein, was die Prämiierung
zur Folge hatte, und es wäre daher, wenn kein andres,
besseres Werk vorlag, die Pflicht des Kuratoriums gewesen
von einer Verleihung des Preises überhaupt abzusehen. Dus
ist es, was durch die Interpellation gesagt werden sollten
und ((darauf hat Dr. v. Hartel keine Antwort gewußt,
denn durch das Witzeln über „Gerechte und Sünder“,
„Christen und Juden“ die vor dem Bauernfeld=Kuratorium
volle Unparteilichkeit finden, kommen wir nicht darüber
hinaus, daß die Herren Minor und Genossen die
„Lebendigen Stunden“ nicht prämiiert hätten, wenn nicht
eben Dr. Artur Schnitzler ihr Verfasser wäre.