VII, Verschiedenes 5, Bauernfeld Preis, Seite 60

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Vertretungen in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom,
Stockholm. Kristiama, St. Petersburg.
Ausschnitt aus: Mtcis aniut Gn
vol: 705
Theater, Kunst und Literatur.
Der Unterrichtsminister und die Verteilung des
Bauernfeld-Preises.
Wir haben bereits im Abendblatt kurz den Inhalt
jener Ausführungen wiedergegeben, mit welchen Unterrichts¬
minister Dr. v. Hartel der Anfrage des Abgeordneten
Dr. Pattai betreffend die Verleihung des Bauernfeld¬
Preises an Dr. Artur Schnitzler, den Verfasser des
Einakterzyklus „Lebendige Stunden“, entgegentrat. Im
nachstehenden veröffentlichen wir die erwähnte Inter¬
pellationsbeantwortung nach ihrem Wortlaut. Der Minister
erklärte: „Die Interpellanten scheinen von der Voraus¬
inclusive
setzung auszugehen, daß ich als Unterrichtsminister Mit=5.—
Porto.
glied des betreffenden Kuratoriums und als solcher für8.—
Zahlbar
die Beschlüsse desselben verantwortlich sei. Demgegenüber
beehre ich mich, zu konstatieren, daß ich nicht etwa als Unter¬ im Voraus.
schnitte ist das
richtsminister in das Kuratorium dieser Stiftung berufen
wurde, sondern auf Grund des Stiftungsbriefs vom 13. Ja-lich steht es den
nuar 1894 demselben angehöre. Obwohl ich mich demnach in ändern.
nicht verpflichtet fühle, für meine Handlungen als Privat¬
enthaltend die
mann Rechenschaft zu geben, so stehe ich doch nicht an,
zuzugestehen, daß unter meiner Teilnahme Gerechte undjer Morgen¬
4)
Sünder, Christen und Juden, Ausländer und Inländer durch Wiener Zeitung,
wirthschaftliche
Ehrengaben und Preise ausgezeichnet wurden, indem nach
dem Wortlaut und dem Geiste des Stiftsbriefs hiebei nicht wvird. Diese Mit¬
der Taufschein, sondern literarische Leistungen maßgebend
waren. Allerdings wäre es dem Kuratorium leichter, seine
undankbare Aufgabe zu erfüllen, wenn einzig und allein
oder vorwiegend der Taufschein oder die Stammesange¬
hörigkeit seine Entscheidungen bestimmen könnte. Gegen den
Vorwurf aber, Literaten mißliebigen Ursprungs vor andern
zu begünstigen, kann das Kuratorium die Tatsache schützen,
daß den fünf in der Interpellation namhaft gemachten
Dichtern neunzehn christlicher Konfession mit dem Betrag
von mehr als 30.000 K. gegenübergestellt werden können.
Je schwieriger es ist, in Sachen der Kunst unfehlbar zu
urteilen, destp dankbarer werde ich sein, auf Künstler auf¬
merksam gemacht zu werden, deren Werke einen unbestreit¬
baren Vorzug vor andern verdienen. Parteipolitische Rück¬
sichten aber, welcher Art ininer, wirh die Kommission von

sich fernhalten müssen, wenn sie im Sinn des Stifter#
weiter wirken soll.“
Herr Dr. v. Hartel wird sich jedenfalls viel darauß
einbilden, wie er sich „aus der Affäre gezogen hat“. Wir
sind dessen ungeachtet nicht in der Lage, ihm ein Komplimen##
zu machen, sondern wir müssen ihn im Gegenteil etwas
unsanft aus der selbstgefälligen Stimmung reißen, in der
er die Interpellation des Abgeordneten Pattai offenbau
beantwortet hat. Wenn der Unterrichtsminister meint, durch
die Art und Weise, in der er seine Mitwirkung bei der Er¬
#ing des Bauernfeld=Preises begründete, wirklich über¬
gend dargetan zu haben, daß dem Kuratorium der Bauern¬
seid Stiftung eine einseitige Protegierung jüdischer Autoren
ieliege, so irrt er. Er ist überhaupt bei der Beurteilung
#eensGründe, welche die Veranlassung dazu boten, gegen
die Prämiierung des Schnitzlerschen Werks aufzutreten, von
ganz unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen und gelangte
daher natürlich zu ebenso unrichtigen Schlußfolgerungen.
Es handelt sich nicht darum, daß der „Taufschein“ an Stelle
einer literarischen Leistung maßgebend dafür sein soll, wer
den Bauernfeld=Preis zu bekommen habe. Ein derartiges
Verlangen wäre wirklich kindisch. Es wurde aber dem Kura¬
torium auch gar nicht der Vorwurf gemacht, daß es den
Preis nicht einem Autor zuwendete, der sich mit einem
Taufschein auszuweisen in der Lage war, sondern es wurde
vielmehr behauptet, daß, wenn die „Lebendigen Stunden“.
nicht Herrn Artur Schnitzler, also ein Mitglied der
Wiener literarischen Clique, zum Verfasser gehabt hätten,
dieselben wahrscheinlich nicht mit einem Preise gekrönt
worden wären. Das ist aber ganz etwas andres, als der,
Herr Unterrichtsminister behauptete. Der literarische Wert
des Einakterzyklus kann es nicht sein, was die Prämiierung
zur Folge hatte, und es wäre daher, wenn kein andres,
besseres Werk vorlag, die Pflicht des Kuratoriums gewesen,
von einer Verleihung des Preises überhaupt abzusehen. Das
ist es, was durch die Interpellation gesagt werden sollten
und (darauf hat Dr. v. Hartel keine Antwort gewußt,
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