VII, Verschiedenes 5, Bauernfeld Preis, Seite 76

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Bauernfeld-Preis
Grundbesitz selbst entzog, und durchaus nicht etwa in ihrer
Leiden, die sie zu erdulden haben, die von der königlich rumäni¬
Unlust an dieser Arbeit. Und diese geringe Anzahl von
schen Regierung, ihren Behörden und Organen systematisch
Juden sollte fünf Millionen Rumänen von der Scholle
betri benen Verfolgungen und Bedrückungen, sowie ihre auf eine
völlige politische und wirthschaftliche Vernichtung der Juden
drängen? Nein, einen solchen Bären läßt sich selbst der
abzielenden Maßnahmen sind ebenso barbarisch, wie sie auch
dümmste Antisemit nicht aufbinden, und da wir nicht an¬
eine flagrante Verletzung der in den Art. 43 und 44 des citirten
nehmen, daß Derjenige, der ein solches Argument ersinnt,
Berliner Staatsvertrages dem Fürstenthume Rumänien auf¬
so dumm ist, es auch zu glauben, so müssen wir wohl der
erlegten Verpflichtungen bedeuten.
Meinung uns zuneigen, er ist schlecht geung, es zu erfinden,
Nicht minder unglücklich ist das Los der Christen in
oder erbärmlich genug, um als Werkzeug für Andere es in
Armenien, die, von grausamen Verfolgungen und empörenden
die Oeffentlichkeit zu schmuggeln. Mit diesen Eigenschaften
Bedrückungen der kaiserlich türkischen Regierung und ihren
paßt er allerdings in die antisemitische Gemeinschaft, aber
Organen heimgesucht, den brutalsten, gewaltthätigsten Excessen
wilder Horden schutzlos preisgegeben sind, als Heloten behandelt
daß eine ehrliche öffentliche Meinung ihm Glauben schenkt,
werden, ja, massenweise hingeschlachtet und hingemordet wurden,
darauf hat er keinen Anspruch.
geradezu vogelfrei sind und die kaiserlich türkische Regierung
Wenn aber wirklich fünf Millionen Rumänen, die Autoch¬
noch immer nicht die ihr im Art. 61 des Berliner Staats¬
thonen des Landes, dadurch „ins Rutschen kämen“, daß den im
vertrages auferlegten und von ihr des Oefteren verheißenen
Lande wohnenden Juden das ihnen vorenthaltene, vertrags¬
Reformen durchgeführt hat.
mäßig zugesprochene Heimatsrecht zuerkannt wird — dann
In der gesammten civilisirten Welt regt es sich mächtig,
müßte man wohl annehmen, daß die Bodenständigkeit hieser
diese einer gesitteten menschlichen Gesellschaft und dem Völler¬
rechte hohnsprechenden Entrechtungen von Menschen und Ver¬
seit Jahrhunderten im Lande wohnenden „Stammber ölke¬
letzungen eingegangener internationaler Verpflichtungen nicht
rung“ keine sehr feste ist, daß ihre Heimatsliebe eine sehr
weiter zu dulden, vielmehr das Gewissen der Regierungen und
schwache, ihr Boden ein sehr unergiebiger ist. Da aber die
aller gesitteten Völker zum wirksamen Schutze verfolgter, ent¬
Geschichte und die Thatsachen das Gegentheil beweisen, so
rechteter, bedrückter und unterdrückter Volksstämme aufzurütteln.
ist der Rückschluß ein vollkommen berechtigter, daß die Be¬
Da auch unser Reich ein Rechts= und Culturstaat ist,
fürchtungen nicht blos „Uebertreibungen“ sind, die ein
überdies zu den Signatarmächten des Berliner Stautsvertrages
krankes Gehirn etwa ausgeheckt hat, sondern absichtliche
gehört und daher als Großmacht berufen erscheint, dessen Be¬
Lügen, die ein kranker Charakter, ein an moral insanity
stimmungen Geltung zu verschaffen, nicht aber durch beharrliches
leidendes Individuum ersonnen hat, und als Ausbrüche
Schweigen an den geschilderten Verfolgungen und Vertragsver¬
letzungen sich mitschuldig zu machen, stellen die Unterzeichneten
einer solchen leidenschaftlich verzerrten Phantasie haben
den Antrag:
sie vor dem Forum der Oeffentlichkeit keinen mora¬
„Das hohe Haus wolle beschließen:
lischen Werth, keinen Geschichtswerth. Es kann auch
nur ein so verkommenes Individuum, welches die Ge¬
Die k. k. Regierung wird dringend aufgefordert, den ihr
schichtsfälschung in solchem Maße betreibt, sich zur Behaup¬
auf die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten des Staates
gesetzlich zustehenden Einfluß im Wege des k. k. Auswärtigen
tung erkühnen, daß es den rumänischen Juden besser geht,
Ministeriums dahin geltend zu machen, daß die königlich zumä¬
wie den galizischen und diese sich daher nach den Fleisch¬
nische und kaiserlich türkische Regierung zur Erfüllung und Ein¬
töpfen Rumäniens sehnen. Daß es den galizischen Jnden
haltung ihrer in den Artikeln 44 und 61 des Berliner Staats¬
materiell schlecht geht, ist leider wahr, aber ihren Glaubens¬
vertrages vom 13. Juli 1878 in Betreff der Juden und Arme¬
genossen im Nachbarlande geht es nicht blos materiell schlecht
nier eingegangenen Verpflichtungen verhalten werde.
ihren Kindern wird der Unterricht, ihnen der Aufenthalt

Wien, den 26. März 1903.
entzogen, ihnen wird der Erwerb physisch und rechtlich un¬
Dr. Straucher, Breiter, Daszynski, Dr. Ellenbogen, Perner¬
möglich gemacht, ihnen wird die Heimat geraubt und das
storfer, Romanczuk, Nicolaj v. Wassilko, Schumeier, Dr. Ofner,
Bürgerrecht versagt — kann man mit dieser Lage die der
Cingr, Choc. J. Cerny, Josef Hannich, Rieger, Dr. Skedl,
galizischen Juden vergleichen? Kann eine ehrliche „Zeitung
Rosenzweig, Basil Jaworski, Dr. Korol, Dr. Kos, Seitz, Hybes.“
für die österreichische Monarchie“ diesem Staate die Schmach
anthun, ihn tiefer zu stellen, als Rumänien?
Ob dieser Antrag überhaupt zur Verhandlung gelangen
A. Wiener.
wird, ist in letzter Stunde fraglich geworden.
Dem Abgeordneten Dr. Straucher sind anläßlich der
Einbringung seines Dringlichkeitsantrages, betreffend die Be¬
handlung der armenischen Christen in der Türkei, von der
armenischen Religionsgemeinde und vom armenischen Hilfscomité
in der Bukowina Dankeskundgebungen zugekommen.
Dom Jahrmarkt des Tebens.
o Glossen zur Tagesgeschichte.
A4n,
[Der abgeblitzte Pattai. — Alois macht nur mit
Jnden Geschäfte)
Arroganz und Albernheit waren die hervorstechendsten
Merkmale der Interpellation, die unser „Salon=Antisemit“ Dr.
Pattai wegen der Verleihung des Bauernfeld=Preises an den
Unterrichtsminister richtete. Wenn ein Bielohlawek oder ein noch
ingebildeterer Mensch die Forderung aufstellt, bei der Beur¬
heilung künstlerischer oder literarischer Production nicht das
Werk, sondern die Confession oder die Abstammung des Hervor¬
fringers zu prüfen, so wird man das lächerlich finden, aber
nan kann immerhin glauben, daß es dem Bielohlawek oder einem
soch dümmeren antisemitischen Volkstribun mit seiner Zumuthung
rust ist. Der Mann versteht es eben nicht besser, und in seiner
Neinung steht der geistesschwache Masaidek, der über die Juden