VII, Verschiedenes 5, Bauernfeld Preis, Seite 77

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Bauernfeld-Br
schimpft, literarisch hoch über Lessing, der sich mit seinem „Nathan
und Compagnie uns jene antisemitischen Dichter und Schrift¬
der Weise“ für immer unmöglich gemacht hat. Anders stehl es
steller namhaft gemacht hätten, deren Producte die Bewunderung
mit dem Dr. Pattai, dem es vermöge seiner akademischen Bil¬
der deutschen Culturwelt gefunden haben. Notorisch ist, daß auf
dung vollständig klar ist, daß die Bedeutung und die Wirkung
dem Gebiete des antisemitischen Schriftthums die vollendetste
eines Werkes nur nach dessen eigener Schönheit und eigenem
Talentlosigkeit sich breit macht, daß in der Anrisemitenpresse
Gedankeninhalt bemessen werden kann. Der süße Wohllaut
ein Deutsch geschrieben wird, dessen sich jeder Obergymnasiast
und die bezaubernde Schönheit Heine'scher Lieder haben
schämen würde, und daß dramatische Producte, die von
das deutsche Volk begeistert und entzückt, obgleich der
einigen antisemitischen Seribenten zusammengekleistert wurden,
Dichter ein Jude war oder, wie unsere geschmackvollen Feinde
als miserable Machwerke, den verdienten Durchfall
sich so schön ausdrücken, der „bärtigen Nation“ angehörte. Daß
erlitten haben. Der Grund der Unfähigkeit antisemi¬
Mendelssohn ein buckliger Jnde war, hat es nicht verhindert,
tischen Literatenthums liegt klar auf der Hand. Auf den
daß die vornehmsten Geister des deutschen Volkes ihn verehrten,
Höhen der Dichtkunst weht der reine Hauch menschlich = idealer
und in der Geschichte der Philosophie strahlt der Name des
Denkungsart, der die Bacillen des Hasses tödtet. Der Anti¬
Jnden Spinoza in unvergänglichem Ruhme. Im Reiche der
semitismus ist eine cultur= und bildungsfeindliche Erscheinung,
Wissenschaft und der schönen Künste findet der Glaubenshaß und
und der Einschlag von Bestialität und Dummheit, der ihm
der Racenhaß keinen Eingang, und wenn ein mit dem Doctor¬
innewohnt, ist unvereinbar mit dicht erischer Begeisterung und
titel ausgestatteter Herr, wie Doctor Pattai, der schlaueste
künstlerischer Schönheit.
und geriebenste Advocat von Wien, sich so anstellt, als wären
ihm diese bei allen Gebildeten selbstverständlichen Dinge nicht
Der Jndenhaß reicht auch bei den Antisemitenführern nicht
bekannt, so ist er genöthigt, Bornirtheit zu heucheln und sich auf
weiter als bis zur eigenen Tasche. Wenn es sich um ihr gutes
das niedrige Niveau Derjenigen zu begeben, die in literari he
Geld handelt, schmelzen ihre Grundsätze dahin wie Märzenschnee
oder künstlerische Dinge dreinzureden überhaupt nicht befugt
im Sonnenschein. Der fürstliche Führer der Wiener Antisemiten,
sind. Die Interpellation war denn auch in einem Styl gehalten,
Prinz Alois Liechtenstein, hat in einer großen Rede, in der
als würde es sich um den Krapfenkrieg zwischen Bäcker und
er zum wirthschaftlichen Boycott der Jnden auffordert, ein
Conditor, oder um die Berechtigung des Krauteintretens zwischen
köstliches Geständniß abgelegt. Er könne keine Fuhr Holz,
Sauerkräutlern und Greislern handeln. Die bodenständigen
kein Stück Vieh, keine Frucht einem Anderen verkaufen als
Dichter gegen die sogenannten Fremdlinge in Schutz zu nehmen,
einem Juden, und sogar seine drei Gasthäuser die er auf
stellte sich Herr Doctor Pattai an, und allgemeine Heiterkeit er¬
seinen Gütern besitzt, hat er den Juden verpachten müssen. Dieser
weckte seine Schilderung der Lage, in der sich angeblich die
limitirte Antisemitismus des langen Alois ist eine überaus köstl'che
verschiedenen Dichter befinden, deren Verhältnisse aussichtslose
Erscheinung. Er predigt die Ausschließung der Juden vom commer¬
seien, wenn die ausgeschriebenen Preise an jüdische Dichter fallen.
ziellen Verkehr, aber nur den Anderen, er selbst handelt und
Daß Herr Doctor Pattai im Rahmen einer Interpellation die
schachert mit ihnen, er vermiethet seine Häuser an Juden, er
Leistungen der aus der Bauernfeld=Stiftung prämiirten Dichter
setzt jüdische Wirthe in seine Propinationen. Gar so schlechte Er¬
jüdischer Confession als Minderwerthigkeiten hinstellte, das ist
fahrungen kann also Herr Alois mit den Judn denn doch nicht
eine jener geschmacklosen Anmaßungen, von welchen das Auftreten
gemacht haben, weil er ja seit vielen Jahren mit ihnen schachert
der antisemitischen Parteigrößen täglich neue Beispiele liefert.
und handelt, und es ist nach der Meinung, die er über Juden
Was dabei herauskommen werde, das hätte eigentlich Doctor
sonst verbreitet, anzunehmen, daß er an geschäftlicher Gewandt¬
Pattai selbst voraussehen und deshalb hätte er die böswillige
heit den jüdischen Roßtäuschern und Branntweinschänkern weit über¬
legen ist, weil er ungeachtet der ihnen von den Antisemiten zugeschrie¬
und alberne Interpellation lieber unterlassen sollen. Es ereignete
sich nämlich nichts anderes, als eine wohlverdiente Blamage des
beuen Fähigkeiten, alle Anderen zu betrügen, von ihnen nicht über¬
Herrn Doctor Pattai. Zunächst hätte er ja wissen können und
vortheilt werden kann. Nun sollte man glauben, daß ein so reicher
hat es zweifellos auch gewußt, daß Herr Dector von Hartel
Cavalier, wie der lange Alois, seinen Parteigenossen in der
dem Curatorium der Bauernfeld=Stiftung nicht als Unterrichts¬
Selbstverleugnung und in der Hochhaltung ihrer Principien als
minister, sondern als Privatmann angehörte. Was Herr Doctor
leuchtendes Beispiel vorangeht. So aber propagirt er nur den
Antisemitismus bei den Anderen. Was ihn selbst betrifft, so zieht
v. Hartel thut, geht also den Dr. Pattai keinen Pfifferling an.
Was die meritorische Antwort betrifft, so wär ja der Inhali
er es vor, an den Jnden sich zu bereichern, und so wird er sich
derselben ebenfalls nicht schwer vorauszusehen. Bei der Aus¬
dann nicht wundern, wenn die Juden seinen langjährigen Ge¬
zeichnung von Literaten durch Ehrengaben und Preise war eben
schäftsverkehr mit ihnen als ein glänzendes, wenn auch anti¬
nicht der Taufschein, sondern die literarische Leistung maßgebend.
semitisches Zeugniß ihrer kaufmännischen Solidität verbuchen.
Sehr richtig sagte der Unterrichtsminister, daß es viel bequemer
Isegrim.
wäre, über solche Leistungen nach der Abstammung und nach der
Confession der Preisbewerber zu entscheiden, und wenn Herr
von Hartel weiter constatirte, daß den fünf in der Interpellation
namhaft gemachten Dichtern neunzehn Dichter christlicher Con¬
fession gegenübergestellt werden können, so finden wir durchaus
nicht, daß der Unterrichtsminister mit dieser Constatirung sich
auf das Niveau des Interpellanten gestellt habe. Er hat damit
nur dargethan, daß im Hinblick auf die in der Interpellation
hervorgekehrten Behauptungen auch jede thatsächliche Grundlage
fehle, um sich über die Vertheilung des Bauernfeld=Preises
irgendwie zu beklagen. Der Unterrichtsminister sprach von Lite¬
raten „mißliebigen Ursprungs“ und da überrascht es uns sehr,
wenn ihm auch aus der Wahl dieses Ausdruckes zugemuthet
wird, als würde er den antisemitischen Standpunkt der Inter¬
pellanten irgendwie berechtigt finden. Es geht aus der Antwort
des Ministers klar hervor, daß er von Literaten mißliebigen
Ursprungs nur im Sinne der Interpellanten sprach. Den Herrn
Dr. Pattai und Genossen mag die jüdische Eigenschaft eines
Literaten als mißliebiger Ursprung erscheinen, davon, daß auch
der Unterrichtsminister diese Ansicht theilt, ist in seiner Ant¬
wort nicht eine Spur zu finden. Herr Dr. v. Hartel erklärte
auch, er werde sehr dankbar dafür sein, auf Künstler aufmerk¬
sam gemacht zu werden, deren Werke einen unbestreitbaren Vor¬
zug vor den anderen verdienen. Die feine Ironie, die in dieser
Aufforderung liegt, ist denn doch zu unverkennhar, als daß man
auch darin ein Herabsteigen auf das geistig und sittlich tiefe
Niveau der Interpellanten erblicken könnte. Im Gegentheil, auch
uns Juden hätte es lebhaft interessirt, wenn Herr Dr. Pattai